Das Wochenende ließ sich gut an. Kurt Maier**, der für ein bekanntes Unternehmen als Netzwerk-Manager Großkunden betreute, bekam freitags einen Vertrag vorgelegt, nach dem er bei gleichem Gehalt und in gleicher Position in eine neue Tochterfirma wechseln sollte. Da es in dem Konzern einige Umstrukturierungen und viele Kündigungen gegeben hatte, glaubte der Diplomingenieur der Elektrotechnik, er solle dorthin versetzt werden, wo er auf Dauer gebraucht werde, und unterschrieb noch am selben Tag.
Fall eins: Ein Konzern trickst
Das böse Erwachen kam, als Maier erfuhr, dass es sich bei seinem Wechsel um eine Auslagerung handelte und der Konzern die Tochter im Jahr 2012 schließen will. Als Maier den Vertrag unterschrieb, war er 49 Jahre alt. Hätte er abgelehnt, wäre er wahrscheinlich in den Genuss einer Betriebsvereinbarung gekommen, derzufolge Mitarbeitern, die mindestens 50 Jahre alt und seit mindestens 25 Jahren im Unternehmen sind, kaum mehr betriebsbedingt gekündigt werden kann. Der Konzern muss ihnen einen anderen Arbeitsplatz anbieten; sind sie doch zum Ausscheiden bereit, können sie auf eine hohe Abfindung pokern. Maier gehörte dem Konzern aber nun rechtlich gar nicht mehr an. Seiner zu erwartenden Kündigung wegen Betriebsschließung hätte er wenig entgegensetzen können. Allerdings fand er anderweitig eine neue Stelle. Birgit Zimmer-Wagner, die mit ihrem Frankfurter Unternehmen Bewerber Consult unter anderem Business-Coaching für Einzelne anbietet, hatte ihm empfohlen, von Kunden, die er betreut hatte, schnell Referenzen einzuholen, mit denen er sich bewerben konnte: "Taktisch ist es immer gut, als Erster aktiv zu werden."
Für viele Umstrukturierungs-Betroffene ist die Rechtslage günstiger, als sie für Maier gewesen wäre. Der Frankfurter Rechtsanwalt Friedrich Reinelt, der vor allem Mitarbeiter, angestellte Führungskräfte und Betriebsräte vertritt, rät, gegen eine betriebsbedingte Kündigung in jedem Fall Kündigungsschutzklage einzureichen: "Der Arbeitgeber muss vernünftig begründen, warum gerade dieser konkrete Arbeitsplatz betriebsbedingt wegfallen soll. Das ist äußerst schwierig und gelingt oft nicht. So hat der Arbeitnehmer, wenn er klagt, zumindest Chancen auf eine gute Abfindung." Reinelt hat eine Umstrukturierung bei France Telecom auf Arbeitnehmerseite begleitet und dazu beigetragen, dass bei Viatel ein Betriebsrat eingeführt wurde.
Schwächer ist die Position des Mitarbeiters, wenn er auf einer "Namensliste" steht. Arbeitgeber wünschen sich solche Listen mit Mitarbeitern, denen sie betriebsbedingt kündigen dürfen, weil sie vor Gericht dann nicht mehr den Wegfall jedes einzelnen Arbeitsplatzes ausführlich begründen müssen. "Im Allgemeinen rate ich den Betriebsräten, die ich vertrete, ab, sich auf eine solche Liste einzulassen", sagt Reinelt. "Im Einzelfall, wenn die Lage des Unternehmens sehr kritisch ist, kann die Liste ein Mittel sein, noch möglichst viele Arbeitsplätze zu retten."
Fall zwei: Verzögerter Ausstieg
Wer sich gegen seine Kündigung nicht wehrt oder gar mit einem Aufhebungsvertrag sein Arbeitsverhältnis ohne Kündigung beendet, der riskiert, dass ihm das Arbeitslosengeld 1 zunächst gesperrt wird und dann ruht (siehe Kasten "Rechte und Fristen"). So erging es Franz Müller**, Key-Account-Manager bei einem großen IT-Unternehmen. Da der 60-Jährige noch arbeiten wollte, störte er sich außerdem daran, dass die Arbeitsagentur ihm unter Hinweis auf die Freiwilligkeit seines Ausscheidens das Bewerber-Coaching verweigerte, das sie als Ermessensleistung finanzieren kann.
Müller entdeckte in seinem Aufhebungsvertrag einige rechtlich fragwürdige Passagen und überzeugte das IT-Unternehmen, ihn auf ein Jahr befristet wiedereinzustellen, um ihm dann ordentlich zu kündigen. Danach hätte er ohne Sperrzeit 24 Monate lang Arbeitslosengeld 1 bekommen. Inzwischen hatte er jedoch eine feste Stelle bei einem seiner früheren Kunden gefunden. "Er hatte super Referenzen, Projektbeispiele und Erfolgsgeschichten", sagt Birgit Zimmer-Wagner. "Darauf mussten wir ihn hinweisen, es war ihm nicht so klar, was er alles geleistet hatte."
Manche Unternehmen bieten Mitarbeitern, von denen sie sich trennen wollen, eine Outplacement-Beratung an. Stellen die Firmen den Berater selbst, ist er dem Arbeitsuchenden oft nicht zur Diskretion verpflichtet. Unabhängig davon unterscheiden die Leistungen sich stark. Die Billigvariante der Outplacement-Beratung beschränkt sich mehr oder weniger auf Hilfe bei Bewerbungsschreiben. Eine umfassende halbjährige Betreuung ohne Vermittlungsgarantie kostet ungefähr 15.000 Euro. Sehr viel teurer ist ein Outplacement mit Vermittlungsgarantie, das sich über zwei bis drei Jahre erstrecken kann.
Fall drei: Ein Kompromiss
"Im Arbeitsrecht gibt es relativ wenig, vor dem man ganz sicher geschützt ist oder das man auf keinen Fall abwenden kann", sagt Rechtsanwalt Reinelt. "Obwohl das Recht einen Rahmen vorgibt, ist vieles Verhandlungssache." Das zeigt auch der Fall von Felix Schmidt**. Ungefähr neun von zehn Kündigungsschutzklagen enden mit einem Abwicklungsvertrag. Der Arbeitnehmer holt damit oft bessere Bedingungen heraus, aber er geht.
Rechte und Pflichten
Kündigungsschutzklage: Wer sich gegen eine betriebsbedingte Kündigung gerichtlich wehren will, muss binnen drei Wochen, nachdem sie ihm schriftlich zugegangen ist, Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben. Tut er das nicht, kann ihm das Arbeitslosengeld 1 bis zu zwölf Wochen gesperrt werden. Es wird später nicht nachbezahlt. Wer gegen seine Kündigung geklagt hat, bekommt nach dem fristgerechten Ende seines Arbeitsverhältnisses auch dann sofort Arbeitslosengeld 1, wenn er sich nach der Klage mit dem Arbeitgeber auf einen Abwicklungsvertrag geeinigt hat. Ein solcher Vertrag regelt die Modalitäten einer Kündigung; ein Aufhebungsvertrag dagegen beendet ein Arbeitsverhältnis einvernehmlich ohne Kündigung.
Kündigungsfrist: Arbeitgeber und Arbeitnehmer können ein Arbeitsverhältnis laut Paragraf 622 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) mit einer Frist von vier Wochen zum 15. oder Letzten eines Kalendermonats kündigen. Besteht das Arbeitsverhältnis mindestens zwei Jahre, verlängert sich die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber in sieben Stufen. Nach 20 Jahren beträgt sie sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.
Manche Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sehen andere Kündigungsfristen vor, die auch die Arbeitnehmer länger binden und sie andererseits ab einem bestimmten Alter besser schützen. Sollen für die Arbeitnehmer längere Kündigungsfristen gelten als für den Arbeitgeber, ist dies unwirksam
Abfindung: Da es beim Verlust des Arbeitsplatzes kein Recht auf Abfindung gibt, ist auch deren Höhe nicht gesetzlich geregelt. Arbeitsgerichte in Bayern gehen von einem halben Bruttomonatsgehalt pro Jahr Betriebszugehörigkeit aus. Hessische Arbeitsgerichte unterscheiden stärker nach dem Alter der entlassenen Arbeitnehmer.
Manche Unternehmen bieten Arbeitnehmern eine höhere Abfindung an, wenn sie einen Aufhebungsvertrag unterschreiben und das Unternehmen verlassen, ohne dass es ihnen gekündigt hat. Dann kann aber nicht nur das Arbeitslosengeld 1 bis zu zwölf Wochen gesperrt werden, sondern zusätzlich wird die Abfindung darauf angerechnet: Das Arbeitslosengeld ruht bis zu einem Jahr und wird nur nachbezahlt, solange der Gekündigte noch arbeitslos ist. Eine Abfindung nach Kündigung, Kündigungsschutzklage und Einhaltung der Kündigungsfrist wird dagegen nicht auf das Arbeitslosengeld angerechnet und führt auch zu keiner Sperrzeit.
Bei Schmidt war es anders. Der 49-jährige Systemadministrator arbeitete für ein Jahresgehalt von 60.000 Euro bei einem mittelständischen IT-Systemhaus. Zusammen mit einer betriebsbedingten Kündigung erhielt er ein Abfindungsangebot. Er klagte gegen die Kündigung und dokumentierte dem Richter, dass er zwar wahrscheinlich wieder eine feste Stelle finden würde, aber zu wesentlich niedrigerem Gehalt. Der Richter bewertete die betrieblichen Gründe der Kündigung als vorgeschoben. In Wirklichkeit gehe es dem Unternehmen darum, den Mitarbeiter loszuwerden, bevor er 50 Jahre alt sei und dann bei einer späteren Kündigung in der Sozialauswahl besser gestellt werden müsse.
Der Mitarbeiter musste weiterbeschäftigt werden, allerdings wurde sein Gehalt auf 55.000 Euro gesenkt. Birgit Zimmer-Wagner riet dem Mann, der nicht studiert hat, mit Blick auf künftige Bewerbungen sein Wissen auszubauen: "Man sagte ihm mehrmals, dass er mit entsprechender Weiterbildung auch mehr Gehalt erzielen könne."
Die Leute arbeiten wie die Weltmeister
Umstrukturierung ist für Mitarbeiter ein Schreckenswort. Wie es anders geht, sagt die Management- und Karriereberaterin Annette Glitz.
CW: Was machen Unternehmen, die sich umstrukturieren, am häufigsten falsch?
GLITZ: Sie informieren zu wenig und zu spät. Alle Mitarbeiter müssen möglichst schnell erfahren, was passieren soll und wann es passieren soll.
CW: Dann bricht aber früher als nötig Unruhe aus.
GLITZ: Die Alternative sind Gerüchte, und zwar um so größere und teils auch abwegigere, je weniger man informiert hat. Dann suchen sich gerade die besten Mitarbeiter, die auch anderswo gefragt sind, einen neuen Job und gehen. Das kann ein Unternehmen, das ohnehin mit Problemen zu kämpfen hat, nicht gebrauchen.
CW: Es genügt also, rechtzeitig Bescheid zu sagen, wenn Jobs gestrichen werden?
GLITZ: Nein, man muss Betroffene zu Beteiligten machen. In der Regel geht es ja nicht nur um Wegfall, sondern auch um Veränderungen. Wenn man ehrlich informiert und dann Arbeitsgruppen gründet, die die Umstrukturierung gestalten sollen, arbeiten die Leute wie die Weltmeister.
CW: Davon hört man aber nicht so oft.
GLITZ: In meiner Festanstellungszeit habe ich es leider auch immer anders erlebt. Aber wo heute solche Arbeitsgruppen zur mitarbeiterbeteiligten Veränderung eingerichtet werden, sind die Ergebnisse unglaublich gut. Die Leute bringen enormes Kreativpotenzial ein. Es gibt wesentlich weniger Widerstand, als wenn das Unternehmen mauert.
CW: Woran liegt es, wenn doch gemauert wird?
GLITZ: Meist an den Chefetagen. Dort sind die Absichten und Ziele der Veränderung bekannt. Die Manager auf dieser Ebene sind in das Umstrukturierungsthema oft bestens eingearbeitet. Sie denken aber nicht daran, dass sie ihr Wissen weitergeben müssen.
CW: Wenn sie sich dabei von Unternehmensberatern helfen lassen, kriegen die Mitarbeiter Angst.
GLITZ: Den großen Beratungsfirmen wird manchmal vorgeworfen, dass sie nur neue Kästchen ins Organigramm zeichnen. Gute Organisationsentwicklung verläuft aber nicht nur von oben nach unten. Berater sollten zum Beispiel interne Prozessbegleiter in der Personalabteilung ausbilden, die den Mitarbeitern helfen, den Wandel voranzubringen.