IoT im Mittelstand

Wie der Mittelstand vom Internet der Dinge profitieren kann

10.05.2017 von Jochen Wießler
Wegen der Fülle an Anwendungsmöglichkeiten lohnt es sich auch für kleine und mittlere Firmen, IoT auf die Agenda zu setzen.

Es ist inzwischen eine weit verbreitete Zahl: Mehr als 30 Milliarden Objekte sollen bereits bis zum Jahr 2020 miteinander im Internet of Things (IoT) sein, so lautet die Einschätzung der Marktforscher von IDC. Bislang allerdings hat es den Anschein, als würden sich vor allem Großkonzerne mit dem Thema intensiv beschäftigen. So haben führende Anbieter von Informations- und Automatisierungstechnik, aus der Automobilbranche, dem Handel und Gesundheitswesen und aus dem Fertigungsbereich IoT als Top-Thema definiert. Dabei bietet das Internet der Dinge auch kleineren und mittelständischen Unternehmen die Chance, die Vorteile zu nutzen und sich einen Wettbewerbsvorteil zu sichern.

Vor allem die technischen Herausforderungen halten kleinere Firmen derzeit noch von IoT-Projekten ab.
Foto: Shutterstock.com - Jacek Dudzinski

Vorsprung von ausländischen Unternehmen aufholen

Das sehen auch die Unternehmen in Deutschland so. Mehr als 38 Prozent der IoT-Experten sind laut einer Studie des eco Verbandes der deutschen Internetwirtschaft der Auffassung, dass Unternehmen in Deutschland dank IoT der Vorsprung von Konzernen aus anderen Ländern, speziell den USA, im Bereich IT aufholen können. Für weitere 34 Prozent der Befragten trifft dies zumindest teilweise zu.

Vor allem der Mittelstand wird nach Einschätzung der Studienteilnehmer von zentralen IoT-Plattformen profitieren und sich besser gegen den weltweiten Wettbewerb behaupten können. Kleine Unternehmen und Mittelständler sollten diese Zukunftstechnologie deshalb nicht aus den Augen verlieren und frühzeitig in den Einsatz von IoT investieren.

Vielzahl von Anwendungsfeldern

Ein Vorteil von IoT besteht darin, dass sich eine Fülle von Einsatzmöglichkeiten auftut. Ein Beispiel ist der Bereich Predictive Maintenance: Maschinen, Fahrzeuge, IT-Systeme, selbst hochwertige Konsumgüter lassen sich mit Sensoren ausstatten, die zentrale Komponenten überwachen. Proaktiv erhalten der Hersteller oder dessen Service-Partner eine Rückmeldung und können dem Kunden den Austausch eines wichtigen Bestandteils noch vor dessen Ausfall anbieten. Solche Konzepte werden derzeit beispielsweise bei der Fernwartung von Maschinen in Fertigungsumgebungen eingesetzt.

Aber auch in Handel und Logistik können IoT-Systeme Vorteile bringen, etwa um in Echtzeit einen Überblick über den Warenbestand zu erhalten oder den Transport von Frachtcontainern zu steuern. Mittlerweile hält IoT auch im Gesundheits- und Pflegebereich Einzug. So laufen Feldversuche, mithilfe von Internet-fähigen Diagnose- und Tracking-Systemen eine Fernbetreuung von Patienten mit chronischen Erkrankungen und älteren Mitbürgern durchzuführen.

Deutsche Unternhmen wollen mit Hilfe IoT-Lösungen sowohl die Effizienz steigern als auch neue Umsatzfelder erschliessen
Foto: SAP IDC Studie zu IoT

Mittelstand in Deutschland noch zögerlich

Kurzum: Den Einsatzmöglichkeiten von IoT sind fast keine Grenzen gesetzt. Gerade für innovative und agile kleinere Unternehmen tun sich Optionen auf, Nischen zu besetzen und Lösungen für spezielle Branchen und Einsatzfelder zu entwickeln.

Dennoch zeigte eine Untersuchung von IDC zur Akzeptanz von IoT in deutschen Unternehmen, dass vor allem kleinere Firmen bisher noch eine zögerliche Haltung gegenüber dem Internet der Dinge an den Tag legen. So haben 2016 nur 15 Prozent dieser Unternehmen ein entsprechendes Projekt aufgesetzt. Insgesamt, so die Studie von IDC, ist das in 37 Prozent der Firmen der Fall. Allerdings gingen in diese Zahl auch Pilotversuche und "Projekte mit begrenzter Umsetzung" im IoT-Bereich mit ein.

Ein Grund für die zögerliche Haltung ist die technische Herausforderung der Einführung von IoT-Lösungen. So gilt es eine Vielzahl von Komponenten mit unterschiedlichen Schnittstellen und Kommunikationsprotokollen miteinander zu kombinieren. Die Palette reicht von Sensoren, Aktoren und Steuerungen bis hin zu IT-Systemen und ERP-Lösungen. Die Heterogenität erschwert den Austausch von Informationen zwischen diesen Systemen, und bisher sind nationale und internationale Standards Mangelware. Allerdings besteht genau darin der eigentliche Nutzen von IoT-Lösungen: Daten zu erfassen, in einen neuen Kontext zu stellen und daraus geschäftsrelevante Informationen zu gewinnen.

Den Datenschatz heben

Doch auch Unternehmen, die IoT-Lösungen erfolgreich implementiert haben, stehen häufig noch vor dem Problem, die anfallende Datenmenge zu nutzen. Dabei sind solche Informationen wichtig, damit ein Anwender überhaupt einschätzen kann, ob und in welcher Beziehung sich der Einsatz von IoT für ihn lohnt. Eine Studie der Beratungshauses PAC zeigte, dass nur etwa ein Drittel der Unternehmen in Europa, die IoT einsetzen, die anfallenden Informationen erfasst und analysiert.

Das heißt, ein Großteil der IoT-Nutzer verzichtet darauf, den "Datenschatz" zu heben, den das Internet der Dinge für sie bereithält, etwa

Allerdings wäre es falsch, nur die potenziellen Nutzer der IoT-Lösungen in die Pflicht zu nehmen. Auch die Anbieter von entsprechenden Plattformen müssen ihre Hausaufgaben machen. So macht die Studie des eco-Verbandes deutlich, dass IoT-Plattformen noch erklärungsbedürftig sind. 48 Prozent der Befragten gaben an, dass für sie die Vor- und Nachteile sowie Besonderheiten der einzelnen Ansätze unklar sind. Die Anbieter haben offenkundig in diesem Punkt noch Aufklärungsarbeit zu leisten.

Laut einer Studie von PAC analysiert nur ein Drittel der Unternehmen in Europa, die IoT einsetzen, die dabei anfallenden Daten
Foto: PAC

Die gute Nachricht: Hilfe durch den richtigen Partner

Trotz aller Herausforderungen bleibt dennoch eines festzuhalten: Es ist für kleine und mittelständische Unternehmen kein Hexenwerk, mit überschaubarem Aufwand eine IoT-Lösung zu entwickeln, beziehungsweise zu erproben. Anbieter von IoT-Lösungen können dabei mit speziell zugeschnittenen Schnellstartprogrammen Unterstützung leisten. Dabei geben sie Mittelständlern die Mittel an die Hand, um diese Geschäftsmodelle zu entwickeln und Pilotprojekte aufzusetzen.

Hilfreich ist, wenn ein solcher Partner über eine IoT-Plattform verfügt, die Lösungen für diverse Anwendungsfälle bereitstellt, etwa die Anbindung von Fertigungssystemen, Fahrzeugen und Lagerhaltungssystemen. Zudem sollten Anwender darauf achten, dass ein Anbieter von IoT-Lösungen zumindest in der Anfangsphase für seine Services und Lösungen fixe Preise anbietet. Das macht es deutlich einfacher, die finanziellen Aufwendungen abzuschätzen.

Setzen Unternehmen bereits ERP- oder CRM-Lösungen ein, bietet es sich gegebenenfalls an, auch die IoT-Komponenten über denselben Anbieter zu beziehen. So kann die Anwendung nahtlos in das bestehende System integriert werden.

Tipps für das erste Projekt

Zum Abschluss noch einige Tipps für kleine und mittlere Firmen, die IoT auf der Agenda haben. Zunächst sollte ein Unternehmen ohne "Schere im Kopf" prüfen, in welchen Bereichen sich Vorteile durch IoT ergeben können oder welche neuen Angebote mithilfe des Internets der Dinge erarbeitet werden können. Dieser mutige Ansatz ist wichtig, damit nicht vorschnell Optionen ausgeschlossen werden und althergebrachte Muster greifen wie "Das haben wir noch nie gemacht". Vielmehr sollten gerade kleinere Unternehmen, Startups und Mittelständler das Internet der Dinge als große Chance begreifen, neue Ideen umzusetzen.

Im zweiten Schritt kann ein Unternehmen in begrenztem Maß einen Projektbetrieb starten. Erweist sich das IoT-Projekt als Erfolg, ist es anschließend unkompliziert, einen Rollout in größerem Maßstab durchzuführen. Speziell für kleine und mittelständische Unternehmen bieten Cloud-gestützte IoT-Plattformen die Möglichkeit, Ideen im Bereich IoT mit überschaubarem Aufwand und Risiko zu testen. Außerdem erleichtern Cloud-Plattformen ein schnelles "Hochfahren", wenn der Nutzungsumfang zunimmt und weitere IoT-Komponenten verwaltet werden.

In der Praxis hat sich zudem gezeigt, dass der Ansatz des "Minimum Viable Product" eine gute Ausgangsbasis ist. Dabei werden bei Beginn des Projekts nur die zwingend notwendigen Funktionen und Anwendungsfälle abgedeckt. Erst dann, wenn sich der Betrieb einer IoT-Anwendung und das Zusammenspiel mit der Plattform eingespielt haben, können Erweiterungen und Nachjustieren vorgenommen werden. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass die Zahl potenzieller Fehlerquellen reduziert wird. So können sich Unternehmen schrittweise mit dem IoT vertraut machen und Know-How aufbauen.

Vorteile für Pioniere

Trotz fehlender allgemeingültiger Industrie-Standards und noch wenig IoT-Know-How im Mittelstand lohnt sich schon jetzt in das Thema IoT einzusteigen. Denn der gewonnene Zeitvorsprung bei der Einführung Sensoren-gestützter Prozesse im Unternehmen ist ein immenser Wettbewerbsvorteil, den es zu nutzen gilt. Damit eng verknüpft ist der richtige Einsatz von IoT-Consultingservices für die eigene Firma. Ihre Expertise zusammen mit einem Mittelstand, der nach neuen Geschäftsfeldern strebt, sorgt dafür, dass alle ihre Vorteile voll ausnutzen können. (mb)