Veränderungsmanagement

Wie Emotionen Change-Prozesse beeinflussen

Kommentar  von Claudia Schmidt  IDG ExpertenNetzwerk
Führungskräfte unterschätzen die Emotionen der Mitarbeiter in Veränderungsprojekten. Warum sie den Gefühlen Beachtung schenken sollten, erfahren Sie hier.
Wenn Führungskräfte bei Veränderungsprojekten die Emotionen der Mitarbeiter ernst nehmen, folgt nach anfänglich emotionaler Ablehnung meist Akzeptanz und rationale Einsicht.
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Change-Untersuchungen zeigen, dass knapp die Hälfte der Unternehmen derzeit 15 bis 60 Veränderungsprojekte parallel stemmen. Doch nur ein Bruchteil davon ist erfolgreich. Change Management ist also eine äußert wichtige und zugleich schwierige Kernaufgabe für alle Organisationen unserer Zeit, weil dabei viele Parameter stimmen müssen: Analyse, Vision, Strategie, Architektur, Kommunikation - doch am wichtigsten, aber auch am schwersten ist es, die Menschen mit Herz und Hand für Veränderungen zu begeistern. Das ist nicht einfach, denn Change-Prozesse besitzen enorme soziale Komplexität. Sie bedeuten für alle Betroffenen eine Abkehr von routinierten Abläufen sowie ein Ausbrechen aus der eigenen Komfortzone. Das erzeugt Skepsis und bringt unweigerlich Emotionen ins Spiel. Denn wenn es gilt, sich von Vertrautem, Liebgewordenem und Erfolgreichem zu trennen, ist das schmerzlich.

Emotionen treten automatisch oder reflexartig auf und sind oftmals ein sozialisiertes oder erlerntes Verhaltensmuster. Sie lassen sich schwer kontrollieren. Emotionen und starke Gefühle irritieren, im beruflichen Umfeld meist noch eindrucksvoller als im Privaten. Daher begegnen ihnen viele Organisationen gerne mit betonter Sachlichkeit. Sie werden vom Management ignoriert oder gar als dysfunktionale Störung empfunden. Denken und handeln kann nie frei von Emotionen sein. Es gibt keinen emotionsfreien, neutralen Zustand. Schon gar nicht in einer Veränderungssituation. Menschen empfinden immer: Freude, Neugier, Enthusiasmus, Ärger, Abwehr, Frustration, Wut, Trauer, Schreck, Schock oder Sorge - natürliche emotionale Reaktionen, die rational schlecht zu steuern oder zu erklären sind. Organisationen müssen daher insbesondere in Veränderungsprozessen die Relevanz von Emotionen nicht nur akzeptieren, sondern auch lernen, professioneller mit ihnen umzugehen.

Emotion treibt Veränderungsprozesse

Positiv betrachtet sind Emotionen im Change-Prozess ein gutes Zeichen, denn sie signalisieren, dass Menschen sich aktiv mit der Veränderung auseinandersetzten. Emotionen sind sogar eine wichtige Voraussetzung für jeglichen organisatorischen Wandel. In der Psychologie geht man von drei Faktoren aus, die das menschliche Verhalten steuern: Emotion, Motivation und Einstellung.

Doch noch immer setzen Führungskräfte lieber auf Macht- und Kontrollmechanismen und wundern sich dann, warum Projekte keinen nachhaltigen Erfolg haben. Dieser tritt nämlich mit deutlich größerer Wahrscheinlichkeit ein, wenn Manager neben den nüchternen Fakten und klaren Zielen auch die Emotionslage im Team wahrnehmen. Ein konstruktiver Umgang mit Emotionen verhindert eine schlechte Stimmungslage und negative Entwicklung. Das erfordert neben der richtigen Haltung und Empathie der Führungskräfte auch eine Wissensgrundlage über den Prozess, den eine emotionale Reaktion in Gang setzt. So folgt im Idealfall einer anfänglichen emotionalen Ablehnung Akzeptanz und rationale Einsicht. Diesen Prozess können und sollten Führungskräfte zu steuern versuchen. Denn erst im Moment der rationalen Einsicht wird die Veränderung erklärbar und verstanden. Nur wenn die Mitarbeiter Verständnis für die Veränderung haben, können sie mit der richtigen Einstellung motiviert ein Veränderungsvorhaben zum Erfolg tragen.

Wie Sie Mitarbeiter glücklich machen
So steigern Sie die Mitarbeiterzufriedenheit
Unternehmen sollten das Glück ihrer Mitarbeiter wie jeden anderen Produktionsfaktor optimieren. Um die Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern, reichen oft schon kleine Veränderungen. Welche, verrät Dr. Anne-Katrin Sträßer, Dozentin an der FH Kufstein und Leiterin des Happiness Management Instituts in München.
Messbare Kriterien finden
Wie jeder Bereich, den Unternehmen optimieren wollen, sollte auch das weite Feld des „Glücks“ zunächst mit Blick auf messbare Faktoren betrachtet werden. Hier kommen Happiness Scorecards ins Spiel. Sie basieren auf dem Oxford-Glücksfragebogen, einem von Peter Hills und Michael Argyle erarbeiteten Fragenkatalog, mit dem Glück messbar ist.
Gezielt auf Stärken der Mitarbeiter setzen
Laut einer Umfrage des Gallup-Instituts sind Menschen in ihrer Arbeit sechs Mal engagierter, wenn sie sich jeden Tag auf ihre Stärken fokussieren können. Es lohnt sich also für Unternehmen, die Talente von Mitarbeitern zu fördern und abzurufen.
Auf einen wertschätzenden Führungsstil achten
Ein wertschätzender Führungsstil wird in der Regel eine positive Entwicklung in Gang setzen. Der Grund: Das, worauf Personen ihre Aufmerksamkeit richten, wird verstärkt. Wer also zum Beispiel nach Fehlern sucht, wird Fehler finden und sogar provozieren. Die Suche nach positiven Aspekten im Verhalten fördert hingegen ein solches.
Gestaltungsfreiräume schaffen
Die Kontingenztheorie für situatives Führen unterscheidet den Reifegrad eines Mitarbeiters. Er umfasst zwei Aspekte: einen sachlichen und einen psychologischen. In sachlicher Hinsicht wollen „reife“ Mitarbeiter Verantwortung. Sie entwickeln ihre Fähigkeiten und ihr Fachwissen selbständig. In psychologischer Hinsicht möchten „reife“ Mitarbeiter etwas erreichen. Sie sind motiviert und engagiert. Erhalten sie zu wenig Autonomie und Handlungsspielraum in ihren Tätigkeiten, wirkt sich das negativ auf ihr Glücksempfinden und schließlich auch auf ihre Motivation aus. Zu viel Kontrolle durch den Vorgesetzten wäre also kontraproduktiv.
Auf die Beziehungsebene achten
Die sogenannte „hohe Sachorientierung“ der deutschen Arbeitswelt schafft viele Probleme. Das heißt, das Ergebnis einer Aufgabe ist oft wichtiger als die Gestaltung der Beziehung mit jenen Menschen, mit denen die Aufgabe ausgeführt wird. In Deutschland ist es wichtig, schnell ein gutes Ergebnis zu erzielen, auch wenn dafür manchmal „klare Worte“ gesprochen oder direkte Konfrontationen in Kauf genommen werden müssen. Immerhin hat in vielen modernen und international geprägten Unternehmen mittlerweile eine informellere und sozial betontere Kultur Einzug gehalten.
Positive Grundstimmung erzeugen
Emotionen übertragen sich immer auch auf die Interaktionspartner. In Vertriebsschulungen wird Verkäufern deshalb aus gutem Grund nahegebracht, dem Kunden gegenüber gute Laune zu signalisieren. Ein solches Verhalten überträgt sich und steigert die Kaufbereitschaft. Auch Humor und Selbstironie tragen zum Wohlempfinden bei. Glückliche Menschen nehmen sich selbst nicht so ernst und sehen die freudvolle und lustige Seite jeder Situation. Diese Freude ist ansteckend und wirkt sich auf die direkte Umgebung aus. Auch Spontanität und Authentizität wirken sich positiv aus.

Führungskräften möchte ich in Bezug auf auftretende Emotionen im Change-Prozess folgende Tipps ans Herz legen:

1. Achtsamkeit und Offenheit: Egal, welche Veränderung ansteht, hilft es den Mitarbeitern, wenn ihnen Gefühle zugestanden werden, denn so fühlen sie sich ernst genommen. Das funktioniert immer dann am besten, wenn der Vorgesetzte zunächst seinen eigenen, persönlichen Gefühlen intensive Beachtung schenkt und diese im Dialog mit den Mitarbeitern kommuniziert. Emotionen entstehen meist aufgrund vorhergegangener Erfahrungen in ähnlichen Situationen.

Der Mensch verfügt über ein Emotionsgedächtnis, das viele Informationen speichert und die spontane, emotionale Reaktion beeinflusst. Hat eine Person zum Beispiel in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit Veränderungssituationen gemacht, so wird sie einer neuen, vergleichbaren Situation automatisch mit Vorbehalten begegnen. Haben die Menschen jedoch bereits gute Erfahrungen mit Veränderungsprozessen gesammelt, stehen sie einer kommenden weiteren Veränderung positiver gegenüber. Es kann sich für Führungskräfte also durchaus lohnen, sich Zeit zu nehmen, um das Emotionsgedächtnis der betroffenen Person kennenzulernen und zu verstehen.

2. Geduld und Zeit: Führungskräfte haben in der Regel zeitlich einen deutlichen Vorsprung gegenüber ihren Mitarbeitern. Sie haben die Notwendigkeit der Veränderung meist schon viel länger im Hintergrund diskutiert und geplant, erwarten jedoch zum Zeitpunkt der Erstinformation der Mitarbeiter eine direkte Akzeptanz.

Führungskräfte sind gut beraten, den betroffenen Mitarbeitern mit Geduld und Zeit zu begegnen, um mit der bevorstehenden Veränderung vertraut zu werden. Diese Zeit können sie nutzen, um mit Mitarbeitern zu sprechen und sie zu beobachten. Wie reagieren sie? Wo benötigen sie Hilfestellung? Sind weitere Informationen erforderlich? Gibt es die Möglichkeit, offene Fragen im direkten Dialog zu klären?

3. Fehler konstruktiv nutzen: Die Wirksamkeit im Change hängt wesentlich von der inneren Haltung und den handwerklichen Fähigkeiten derjenigen ab, die eine Veränderungen gestalten und umsetzen. Das sind in erster Linie die Mitarbeiter. Mut, Wille und Fähigkeit, ein Veränderungsprojekt beherzt anzugehen, auch wenn der Ausgang zunächst unsicher ist, prägt die innere Haltung zur anstehenden Veränderung mit. Dabei spielt die Fehlerkultur, sprich der Umgang mit Fehlern, die dabei nun mal passieren, eine wichtige Rolle. Denn jedes noch so couragierte Vorangehen in die Unsicherheiten einer Veränderungssituationen wird durch den falschen Umgang mit Fehlern im Keim erstickt.

In der Folge trauen sich diejenigen, die in der Umsetzung der Veränderung die Hauptrolle spielen, nichts mehr zu und fallen in alte Gewohnheiten zurück. Fehlt es dann noch an der notwendigen Wertschätzung, die für jede Verhaltensänderungen ein Treiber sein kann, ist ein Scheitern vorprogrammiert. Führungskräfte müssen sich der besonderen Situation und dem angemessenen Umgang mit Fehlern und Wertschätzung bewusst werden und situationsgerecht im Sinne der Erreichung des Veränderungszieles handeln, wenn der Change ein Erfolg werden soll.

11 Tipps für besseres Change Management
Klar definieren, wer jetzt was zu tun hat
Mit dem Change geraten Zuständigkeiten und Rollen ins Fließen. Von Tag Eins an muss jeder Mitarbeiter wissen, was er jetzt im Moment zu tun hat. Bis sich das ändert und eine neue Ansage kommt.
Die Aufgaben nur skizzieren
Wer seine Mitarbeiter mitgestalten lässt, erreicht mehr. Deshalb ist es ratsam, eine grobe Skizze des Veränderungsprojektes zu zeichnen und das Team Vorschläge zur Ausarbeitung machen zu lassen, als einen schon komplett ausgereiften Plan zu präsentieren.
Die Team-Perspektive einnehmen
Wie betrifft der Change die Team-Mitglieder, was bedeutet die Initiative aus ihrer Sicht – wer diese Perspektive einnimmt, hat die Mitarbeiter auf seiner Seite.
Erfahrungen teilen
Erfahrungen teilen: Soweit möglich, sollten Mitarbeiter an konkreten Aktivitäten wie etwa Besuchen beim Kunden teilnehmen. Je näher sie den Change miterleben, umso besser.
Fragen zulassen
Fragen, die aus dem Team kommen, dürfen nie als Widerstand gelten. Ganz im Gegenteil. Ein Chef, der Fragen zulässt und sie beantwortet, kann schneller Teilverantwortungen an die Mitarbeiter übertragen.
Die Wirtschaftlichkeit darstellen
Neben viel Kommunikation mit dem Team geht es auch darum, Metriken und Kennzahlen für das Veränderungsprojekt zu entwickeln und diese deutlich zu machen.
Wissen, wo der Fokus ist
Innerhalb eines Changes ist viel Kleinteiliges zu klären und zu organisieren. Der Fokus darf darüber nicht vergessen werden. Regelmäßige Treffen müssen sich immer wieder auf diesen Fokus beziehen, eindeutige Metriken müssen deutlich machen, wo das Team gerade steht.
Teilziele updaten
Nicht jeder Meilenstein wird so zu erreichen sein wie ursprünglich geplant. Es ist daher wichtig, gemeinsam mit dem Team Teilziele regelmäßig auf den aktuellen Stand zu bringen.
Sich abstimmen
Gemeinsame Kalender für das Veränderungsprojekt und gemeinsam entwickelte Guidelines, die die Prioritäten festlegen: Das sind gute Wege, um die Arbeit der einzelnen Team-Mitglieder immer wieder aufeinander abzustimmen.
Commitment organisieren
Wer übernimmt die Verantwortung wofür und wie regelt das Team, dass diese Verantwortlichkeiten auch konkret ausgeführt werden? Solche Fragen sind gemeinsam zu klären. Die einzelnen Mitarbeiter müssen wissen, welchen Teil sie übernehmen, und sie müssen konkret formulieren können, was sie dafür von ihrem Chef brauchen.
Den Change in seine Geschichte einbinden
Das Team muss wissen, an welche früheren Punkte im Unternehmen der jetzige Change anknüpft und welche zukünftige Richtung sich damit abzeichnet.

Buchtipp: Claudia Schmidt hat in einer Autorengemeinschaft mit Martina Oldhafer, Elisabeth Beil, Felix Nolte und Stephan Schneider das Buch "Change Management in Gesundheitsunternehmen - Die geheime Macht der Emotionen in Veränderungsprozessen" veröffentlicht.