Kleiner ist feiner

Wie gut sind ERP-Dienstleister?

22.10.2004 von Karsten Sontow
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem ERP-Einführungspartner? Diese Frage beantworteten mehr als 1500 Unternehmen im Rahmen der „ERP-Zufriedenheitsstudie Deutschland 2004“.

DIE ZUFRIEDENHEITSSTUDIE hat es ans Licht gebracht: Kleine und mittlere ERP-Anwender sind generell zufriedener mit ihrem Implementierungspartner als größere Kunden. Das heißt: Die Hersteller Mesonic (WINLine), Mitan (Mitan), Nissen & Velten (SQL-Business), Abas (abas) oder Mega Software (Mega- Plus) und ihre Implementierungspartner bekommen tendenziell die besten Noten. Gleiches gilt für Branchenspezialisten wie Schrempp EDV (SIVAS), Bäurer (b2wincarat), ABS GmbH (ABS) und ihre Partner. Immerhin noch überdurchschnittlich zufrieden sind mittelgroße ERP-Anwender von SoftM, Psipenta und Oxaion mit der Leistung ihres ERPDienstleisters. Die Dienstleister größerer Anwender, von Systemen wie SAP R/3, IFS, Movex oder XPPS, konnten hingegen kein glattes „Gut“ erreichen.

Diese Beurteilung korreliert mit der Bewertung der Systeme selbst, über die COMPUTERWOCHE fokus Mittelstand im letzten Heft ausführlich berichtete (www.cw-mittelstand.de/go85784). Ganz offensichtlich profitieren auch die Dienstleister von der geringeren Komplexität der ERP-Projekte bei kleineren Unternehmen. Risiken im Bereich der Systemtechnik (Schnittstellen oder Funktionsanpassungen), der Projektsteuerung und des Betriebs (etwa Release-Wechsel) besitzen bei kleinen Installationen weniger Brisanz als in Großprojekten.

Außerdem gilt: Passt die ERP-Lösung zum Kunden, hat es der Implementierungspartner bei der Einführung und beim Betriebs-Support leichter - passt sie nicht oder nur „mit Schmerzen“, steht er oft auf verlorenem Posten. Dieser Zusammenhang lässt vor allem die Branchenspezialisten in einem besseren Licht erscheinen, da ihre ERP-Lösungen in der Regel recht gut auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten sind. Allerdings schwankt die Bewertung der Zufriedenheit je nach Implementierungspartner auf der Skale von 1 (mangelhaft) bis 5 (sehr gut) zwischen 3 und 5. Gleichzeitig variieren die Bewertungen der einzelnen Implementierungspartner von Projekt zu Projekt deutlich stärker als beim System.

Engagement und Kompetenz gut

Diese Schwankungen haben vielfältige Ursachen - eine Korrelationsanalyse weist folgende Einflussgrößen aus:

- Projekt-Management des Implementierungspartners
- Engagement des Implementierungspartners während der ERP-Einführung
- Technische Kompetenz
- Branchenkompetenz
- Wirksamkeit der Mitarbeiterschulung
- Ergebnis des Einführungsprojektes inklusive des Erreichens der ursprünglichen Projektziele

Von diesen Aspekten werden das Engagement des Implementierungspartners sowie die jeweilige technische Kompetenz in der Regel mit „Gut“ bewertet - und das relativ stabil. Abzüge gibt es dagegen bei den übrigen Aspekten, allen voran beim „Projekt-Management“ sowie damit verbundenen Kenngrößen wie „Personalaufwand“ und „Einhaltung von Budget und Terminplanung“. Die letztgenannten Aspekte weisen zudem eine sehr hohe Varianz auf, sie werden von Anbieter zu Anbieter und von Projekt zu Projekt unterschiedlich bewertet.

ERP-Projekte sind „People Business“

Eine nähere Betrachtung der genannten Einflussgrößen auf die Anwenderzufriedenheit zeigt, dass hier die Faktoren „Mensch“ und „Organisation“ auf der Anbieterseite eine sehr große Rolle spielen. So hängt es beispielsweise sehr stark von der Motivation und der Branchen-, Fach- sowie Sozialkompetenz des Projektleiters oder Implementierungsberaters ab, ob ein Kunde sich gut betreut fühlt. Vor besonderen Herausforderungen steht dabei in der Regel der Projektleiter des Implementierungspartners, der immer wieder für einen Interessenausgleich zwischen den Beteiligten auf der Kundenseite - etwa bei widersprüchlichen Anforderungen an die Lösung - sowie zwischen Kunde und Anbieter sorgen muss. Dies fällt umso leichter, je klarer die Aufgabenstellung und die Projektorganisation sind.

In diesem Zusammenhang zeigt eine Analyse der Anwenderzufriedenheit, dass die Unternehmensgröße des Anwenders sowie die Projektgröße selbst (gemessen an der Anzahl der ERP-Arbeitsplätze) einen sehr großen Einfluss auf die Zufriedenheit mit dem Projekt- Management haben. Demnach gilt: Je größer das Anwenderunternehmen und je umfangreicher - und komplexer - das ERP-Projekt, umso schlechter fällt die Bewertung des Projektmanagements aus.

Dies gilt insbesondere für den gehobenen Mittelstand. Denn der hat im ERP-Bereich bereits eine erhebliche Projektkomplexität zu bewältigen. Im Gegensatz zu großen Unternehmen mangelt es jedoch oft an Strukturen, Kapazität und Kompetenzen, die nötig wären, um ein komplexes ERP-Projekt planmäßig abwickeln zu können. Dabei sieht dann meist auch der Implementierungspartner nicht mehr so gut aus. Da ein ERP-Projekt eine enge Zusammenarbeit zwischen Anwender und Dienstleister erfordert, beeinflussen nicht zuletzt die Unternehmensstrukturen des Dienstleisters selbst die Anwenderzufriedenheit. Dabei gilt für fast alle Qualitätsaspekte offensichtlich: „Je größer der ERP-Dienstleister, desto schlechter ist es um die Zufriedenheit des ERP-Anwenders bestellt.“ Dieser Punkt ist umso auffälliger, als häufig Größe und daraus resultierende wirtschaftliche Stabilität von Softwareanbietern und Dienstleistern als wichtiges Entscheidungkriterium genannt werden.

In der Implementierungsphase fällt es größeren Dienstleistern offenbar nicht leicht, die für die Projektabwicklung erforderlichen Mitarbeiter zu koordinieren. Möglicherweise ist dies auf eine stärkere Arbeitsteilung auf Anbieterseite zurückzuführen - bei Anbietern mit mehr als 250 Mitarbeitern sind die Kompetenzen in der Regel weiträumiger verteilt. Daraus ergeben sich naturgemäß sehr viel höhere Anforderungen an den Informationsfluss zwischen den Beteiligten, also an die Terminkoordination. Ein ähnliches Bild ergibt sich für die Betreuung während des ERP-Betriebes: Mit zunehmender Größe des ERPDienstleisters nimmt die Zufriedenheit mit dem Account Manager und der Hotline deutlich ab. In beiden Fällen leiden offensichtlich sowohl die Erreichbarkeit als auch die Fähigkeit, dem Kunden bei einem Problem sofort eine Lösung zu bieten. Mit derartigen Problemen müssen sich die kleineren und mittleren Softwareanbieter weniger herumschlagen. Hier ist der Account Manager oft identisch mit dem Projektleiter, der die ERP-Einführung verantwortet hat. Und nicht selten ist er gleichzeitig auch der Geschäftsführer oder Inhaber des Unternehmens und als solcher mit entsprechenden Einflussmöglichkeiten ausgestattet. Die Hotline besteht in diesen Fällen oft aus der Mobiltelefonnummer des Account Managers. Er kann aufgrund seiner umfassenden Kenntnisse über die Aufgabenstellung beim Kunden und des engen Informationsaustauschs auf der Anbieterseite meist sehr schnell und kompetent Hilfestellung leisten. Da ERP-Anwendungen zumeist geschäftskritische Infrastrukturen darstellen, wissen gerade mittelständische Anwender derartige Qualitäten zu schätzen - Qualitäten, die bei größeren Dienstleistern vermisst werden. So klagt der EDV-Leiter eines mittleren Unternehmens: „Mit dem starken Wachstum unseres ERP-Lieferanten hat sich in den letzten Jahren die Betreuung deutlich verschlechtert.“ Nicht umsonst legen Mittelständler bei der Auswahl ihres ERP-Dienstleisters großen Wert darauf, dass sie sich mit dem ERPLieferanten „auf Augenhöhe“ bewegen. Auf diese Weise möchten sie sicherstellen, dass ihre Belange ernst genommen und sie nicht auf den Status einer „anonymen Kundenummer“ reduziert werden.

Dieses Phänomen machen sich auch die Branchenspezialisten unter den ERP-Anbietern zunutze. Da sie sich in der Regel in einer Marktnische bewegen, zählen sie meist zu den kleineren Anbietern. Gleichzeitig verfügen sie aufgrund relativ homogener Kundenanforderungen über ein Softwarepaket, das ohne allzu große Anpassungen auf die Belange des einzelnen Kunden zugeschnitten werden kann. Und schließlich kennen die Mitarbeiter des Anbieters aus einer Vielzahl von Projekten die Besonderheiten der jeweiligen Branche und sprechen deren Sprache. Im Rahmen der Zufriedenheitsstudie lobt denn auch der EDV-Leiter eines mittelständischen Maschinenbauers seine ERP-Lösung mit den Worten: „Vom Maschinenbauer für den Maschinenbau“. Diese Ergebnisse der Zufriedenheitsstudie legen den Schluss nahe, dass große ERP-Anbieter im Mittelstand grundsätzlich schlechte Karten haben. Sie verfügen zwar über die erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen, um ihre Software auf dem neuesten Stand zu halten und ihre Kunden auch auf der internationalen Ebene zu unterstützen. Aber scheinbar schaffen sie es nicht in gleichem Maße, den Anforderungen des Mittelstandes sowie den Besonderheiten einzelner Branchen gerecht zu werden.

SAP: Partner besser

Da nun aber der Mittelstand als der Wachstumsbereich im ERP-Markt schlechthin gilt, versuchen große ERP-Anbieter, ihre Stärken mit mehr Kundennähe zu kombinieren. Das entsprechende Zauberwort heißt „Partnernetzwerk“. Ob SAP, Microsoft oder Semiramis, derzeit findet ein Wettrennen um leistungsstarke und etablierte Vertriebspartner statt, die nachweislich über einen guten Marktzugang verfügen. Und das Konzept scheint insgesamt aufzugehen: So schneiden SAP-Partner wie die All for One AG, die Itelligence AG oder die SAP-Tochter Steeb GmbH bei der Zufriedenheitsanalyse insgesamt deutlich besser ab als das Stammhaus des Softwarekonzerns - das ohnehin nur den gehobenen Mittelstand direkt bedient. Als klassischer Lösungsanbieter für den Mittelstand verfolgt Microsoft diese Strategie noch konsequenter und verzichtet ganz darauf, selbst Projekte zu betreuen.

Große Qualitätsunterschiede

Die Zufriedenheitsanalyse offenbart eine zusätzliche Herausforderung für die großen ERP-Hersteller: die Qualitätssicherung in der Partnerorganisation. Das zeigen die relativ großen Unterschiede in der Zufriedenheit mit unterschiedlichen Partnern desselben Anbieters. Offenbar haben die Hersteller Probleme, ein umfassendes Partnernetzwerk angesichts der schnellen technologischen Entwicklung immer up to date zu halten. Außerdem bestehen einige grundsätzliche Interessenskonflikte zwischen dem ERP-Hersteller und seinen Vertriebspartnern: Während der Vertriebspartner bestrebt sein muss, die Anforderungen seiner jeweiligen Klientel möglichst tief in der Softwareplattform zu verankern, ist dem ERP-Hersteller aus wirtschaftlichen Gründen an einer möglichst weitgehenden Standardisierung der Software gelegen. Ähnliches gilt für die Release-Politik: Während ein Vertriebspartner geneigt ist, sich bei Updates und Release-Wechseln vorrangig an den Interessen seiner Kunden zu orientieren, muss der ERPHersteller eine relativ stringente Vorgehensweise wählen.

Für Anwender heißt das: Je größer der Anpassungsbedarf bei einer ins Auge gefassten Lösung, umso wichtiger sind die Möglichkeiten zur Einflussnahme auf den Partner. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass der Dienstleister nicht zaubern kann - funktionale und technische Defizite einer Softwarelösung lassen sich mit noch so viel Engagement und Fachwissen nur zum Teil ausgleichen.

Erst das System prüfen

Und auch die Einflussmöglichkeiten eines kleinen Partners auf die Release-Politik eines großen Herstellers sind naturgemäß begrenzt. Bei einer Investitionsentscheidung sollten daher zunächst die in Frage kommenden Softwarepakete im Sinne des „Best Fit“ geprüft werden, bevor das Augenmerk verstärkt auf die „Best Practice“ des potenziellen Implementierungspartners gerichtet wird.