IBM MobileFirst for iOS

Wie IBM und Apple mit B-to-E-Apps Mehrwert schaffen wollen

10.02.2015 von Manfred Bremmer
Mit den aus der Partnerschaft der beiden IT-Schwergewichte entstandenen (und geplanten) iOS-Apps wollen Apple und IBM neuen Schwung in den Bereich Enterprise Mobility bringen. Wir hatten die Möglichkeit, zwei dieser MobileFirst Apps näher anzusehen.
Die iPad-App Passenger+ soll dem Bordpersonal zu besserem Kundenservice verhelfen.
Foto: IBM/Apple

Das Szenario dürfte vielen bekannt sein: Nach langem Warten hebt das Flugzeug endlich ab, dennoch kommt während des Flugs keine rechte Entspannung auf. Falls der Anschlussflug nicht mehr erreicht wird, steht nach der Landung nämlich jede Menge Stress und Ärger an. Hinzu kommt die Ungewissheit, ob nach der Landung überhaupt noch einen Ersatzflug verfügbar ist, das Worst Case Szenario gewissermaßen.

Bislang konnte das Bordpersonal in solch einem Fall keine wirkliche Unterstützung bieten, sondern bestenfalls Trost und einen Extra-Drink spenden. Mit der neuen iPad-App Passenger+, so IBM, könnte sich das Blatt wandeln. Die Anwendung ist über IBMs MobileFirst-Plattform mit den Backend-Systemen der Fluggesellschaft verbunden und stellt den Flugbegleitern so eine ganze Reihe wichtiger Informationen zur Verfügung. Anhand der Buchungsdaten sehen sie so etwa auf einen Blick auf dem Tablet, welche Sonderwünsche bestimmte Passagiere angemeldet haben, wo die VIP-Gäste sitzen, ob alle Gepäckstücke an Bord sind - oder welche Passagiere ihren Anschlussflug verpassen werden.

Mit diesem Wissen sind sie in der Lage, proaktiv auf die Fluggäste zuzugehen und ihnen spezielle Angebote, Gepäckinformationen und Umbuchungen anzubieten. Im beschriebenen Fall kann das Bordpersonal also über die App für den verspäteten Passagier bereits in der Luft alternative Flugverbindungen heraussuchen, den gewünschten Flug direkt buchen und das E-Ticket via Bluetooth auf sein mobiles Endgerät übertragen. Optional ist es auch möglich, das Ticket an Bord via Apple Airprint auszudrucken.

Wie Urs Schollenberger, Business Leader Mobile Enterprise DACH bei IBM, im CW-Gespräch erklärt, sei die Airline dadurch mit relativ wenig Aufwand in der Lage, einen besseren Kundenservice zu bieten und erhalte einen möglichen Wettbewerbsvorteil. Gleichzeitig werde durch die bessere Auslastung der Flugbegleiter auch das Bodenpersonal am Ankunftsort unterstützt.

Fieldservice-App für TK-Anbieter

Expert Tech liefert dem Servicetechniker wichtige Echtzeitinformationen - etwa über die Fahrtzeit bis zum nächsten Kunden.
Foto: IBM/Apple

Etwas schwieriger ist es, die Alleinstellungsmerkmale von Expert Tech, einer App für Servicetechniker von TK-Unternehmen, herauszufinden. Anders als bei Passenger+ gibt es im Bereich Fieldservice bereits etliche mobile Lösungen - von kleineren Anbietern, aber auch von Schwergewichten wie Oracle oder SAP. Dennoch versucht auch diese MobileFirst-App Akzente zu setzen, etwa durch das schicke User Interface, die Einbindung von nativen iOS-Features wie Facetime und GPS, IBMs Analysefunktionen sowie einen Hauch von Gamification.

So bekommt der Techniker vor Beginn seiner Tour die Route sowie die Historie zu den anstehenden Reparaturaufträgen einsehen und bekommt wie in einem Computerspiel die zu seiner Auftragsliste passenden Fahrzeuge, Werkzeuge und Ersatzteile angezeigt. Durch virtuellen Tastendruck kann er dann sein Wunschequipment zusammenstellen. Beim Kunden angekommen, hat der Servicetechniker direkt im Auftrag Zugriff auf die passende Reparaturanleitung, kann ein dazugehöriges Kurzvideo ansehen oder per Facetime, SMS oder Mail einen Experten auf dem Gebiet zu Rate ziehen. Ist das Problem gelöst, kann der Kunde die Reparaturbestätigung direkt auf dem iPad unterschreiben und Feedback zum Service geben.

Mehr als 100 Branchenanwendungen geplant

Passenger+ und Expert Tech gehören zur ersten Tranche von Mobile-Enterprise-Apps, die IBM gemeinsam mit Apple für bestimmte Branchen entwickelt und im Dezember 2014 vorgestellt hat. Insgesamt sind über hundert Apps für bestimmte Branchen geplant, die nächste Charge, mit der sechs weitere Industrien bedient werden sollen, wird - bei Freigabe durch Apple -eventuell noch im Februar vorgestellt.

Schutz vor Friendly Fire & Co.: Mit der iPhone-App Incident Aware wissen Polizisten u.a., wenn sich andere Kollegen in Nähe eines Tatorts befinden.
Foto: IBM/Apple

Die Gemeinsamkeit dieser MobileFirst-Apps: Es handelt sich um Business-to-Employee-Anwendungen, die in der neuen Apple-Programmiersprache Swift geschrieben wurden und ausschließlich für iOS zur Verfügung stehen. Die Apps sind nicht öffentlich über den iTunes App Store aufrufbar, sondern werden den Mitarbeitern direkt von den Unternehmen zur Verfügung gestellt. Dies ist auch unumgänglich: Da die Apps IBMs Big-Data- und Analytics-Fähigkeiten mit der von Apples iPhone- und iPad-Welt gewohnten Usability verbinden sollen, sind sie als wichtige Komponente der Gesamtlösung an IBMs MobileFirst-Plattform (ehemals IBM Worklight) angewiesen, die - in der Cloud oder on premise - via Open Platform an die verschiedene Backendsysteme andockt.

Exklusive Partnerschaft im B-to-E-Bereich

Auch bei den Anwendungen selbst ist nicht alles in Stein gemeißelt - laut IBM-Mann Schollenberger werden die Apps zu 70 Prozent komplett übernommen, zu 30 Prozent noch individualisiert. Eine Portierung auf Android oder ein anderes mobiles Betriebssystem sei dem Mobility-Experten zufolge allerdings nicht möglich, da IBM für Lösungen im B-to-E-Bereich eine exklusive Partnerschaft mit Apple und iOS habe.

Als Konsequenz müssen Unternehmen in bestimmten Szenarien ihr iPad oder iPhone mit einer Schutzhülle gegen Sturz, Staub, Kratzer, Wasser oder Vibrationen schützen und können nicht auf ein robusteres Ruggedized-Device ausweichen. Das Hauptproblem dürfte in diesem Zusammenhang vermutlich die Temperaturempfindlichkeit der iOS-Geräte sein - Apple sieht für iPhone, iPad und iPhone Touch nur die Nutzung in einem Temperaturbereich zwischen 0 und 35 Grad vor. Auch die zulässigen Werte für die Aufbewahrung (-20 bis 45 Grad Celsius) können schnell überschritten werden, etwa wenn man das Device an einem heißen Tag im Auto vergisst. Zum Vergleich: Spezielle Industriegeräte, wie es sie für Android und Windows gibt, können in der Regel bei Temperaturen zwischen -20 und +60 Grad bedient werden.

Die exklusive Bindung an iOS gilt allerdings nur für B-to-E-Apps, wie Schollenberger hinweist: B-to-C-Anwendungen laufen auch auf der MobileFirst-Plattform und können im Kundenauftrag für verschiedene Plattformen bereitgestellt werden. Grundsätzlich sind die MobileFirst-Apps nur Teil eines möglichen Gesamtpakets aus Technologie, Services und Beratung, das Big Blue über seine Dienstleistungstochter IBM Global Business Services bereitstellt. Zu dem Portfolio zählt eine generelle Beratung zur Mobilisierung von Geschäftsprozessen, App-Entwicklung und Nutzungsanalyse, aber auch so grundlegende Dinge wie Beschaffung und Lifecyle-Management sowie AppleCare für Unternehmen.