Toom Baumarkt

Wie Innovationen in digitalen Workshops entstehen

26.02.2021 von Alexandra Mesmer
Toom Baumarkt und der Dienstleister Adesso machen vor, wie sich Innovationen mit verteilten Teams im virtuellen Raum entwickeln lassen.
Stephan Hartje, Head of Operations bei Toom Baumarkt, initiierte einen Innovationsworkshop, um herauszufinden, wie das Unternehmen den Kundenservice besser aufstellen könnte, etwa durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz.
Foto: Stephan Hartje/privat

Stephan Hartje verantwortet als Head of Operations bei toom Baumarkt unter anderem die Vertriebskanäle im E-Commerce im operativen Tagesgeschäft sowie den Kundenservice: "Dieser kam im Corona-Jahr durch den Ansturm an Anfragen per Telefon und Mail mitunter an seine Grenzen." Anlass für Hartje und ein interdisziplinäres Team von 30 Mitarbeitern, mit den Beratern von Adesso in einem Innovationsworkshop zu ergründen, wie sich der Kundenservice zukunftsträchtiger aufstellen lässt. Adesso hat dafür in Dortmund einen Interactionroom eingerichtet, in dem Teilnehmer ihre Ideen auf Wände (Canvas-Boards) schreiben oder diese mit Klebezettel bewerten können.

Die Mitarbeiter im Service von toom Baumarkt sahen sich im Corona-Jahr einem Ansturm an Kundenanfragen per Telefon und Mail gegenüber.
Foto: toom Baumarkt

Dokumentation durch Graphic Recording

Doch Corona-bedingt musste der reale Raum ins Virtuelle verlagert werden. Michael Kemper, Principal Consultant bei adesso im Geschäftsbereich Digitalisierung, war skeptisch: "Ich hatte angenommen: Aller digitaler Anfang geht nur analog." Zwar waren im August 2020 Workshop-Teilnehmer in einigen Baumärkten unterwegs, aber die Workshops selbst fanden dann remote statt. Kemper revidierte seine Einschätzung: "Die kollektive Intelligenz der Teilnehmer kann auch virtuell entstehen."

Erfolgsfaktoren der virtuellen Zusammenarbeit waren laut Kemper die Visualisierung, das Storytelling, die Navigation, der Perspektivenwechsel sowie die Dokumentation: "Zahlen und Analysen stellten wir auf unserem großen Kollaborationsboard grafisch dar, zum Teil auch als Big Picture, auf das wir gemeinsam schauten. Unsere Digital Designer dokumentierten mit der Methode des Graphic Recordings die Ergebnisse zeichnerisch."

Michael Kemper, Adesso: "Die kollektive Intelligenz der Workshopteilnehmer kann nicht nur beim persönlichen Treffen in einem Raum entstehen, sondern auch virtuell."
Foto: Michael Kemper/privat

Aufwändige Vorbereitung zahlt sich aus

Der Schlüssel zum Erfolg des virtuellen Workshops war für Toom-Manager Stephan Hartje der Einsatz eines Collaboration-Tools: "Hier konnten wir mit virtuellen Klebezettel arbeiten, binnen Sekunden abstimmen, auf einen Klick das ganze Team zusammenholen oder auch Templates oder Grafiken einfügen." Die Ergebnisse waren genauso gut, mitunter sogar besser als in Präsenzveranstaltungen.

Damit Ideenfindung auch wirklich remote und ohne persönliche Begegnung klappt, ist eine saubere Planung nötig. Kemper beziffert den Zeitaufwand für die Vorbereitung eines digitalen Workshops als vierfach höher im Vergleich zur Präsenzveranstaltung: "Man muss auf die Gruppendynamik achten. Es empfiehlt sich, auch in den Breakout-Sessions mit Co-Moderatoren zu arbeiten. Pausen sind ganz wichtig. Anfangs trauten wir uns mehr zu als wir leisten konnten, und dann waren wir platt. Nun planen wir alle zwei Stunden mit zehn Minuten Pause."

Digitale Workshops: Auf Pausen und Timeboxing achten

Hartje ergänzt: "Man macht leicht den Fehler, ein Präsenzformat einfach ins Digitale zu kopieren. Das funktioniert nicht. Im Digitalen müssen die Inhalte noch genauer geplant sein, die Sessions dürfen nicht zu lange dauern, es sollte auch nicht überzogen werden. Timeboxing ist hier das richtige Schlagwort." Die Teilnehmer sollten über eine gewisse Medienkompetenz verfügen und vor Beginn in die Collaboration-Tools eingeführt werden.

Ideenfindung remote. Die Teilnehmer sind per Videokonferenz zugeschaltet, die Canvas-Boards sind digital, können mit virtuellen Zetteln beklebt werden. Auch die Visualisierung der Ergebnisse durch Graphic Recording spielt eine wichtige Rolle.
Foto: adesso

Auch Thomas Gasber, Bereichsleiter Digitalisierung bei adesso, zieht wichtige Erkenntnisse aus dem virtuellen Innovationsworkshop. "Dinge können remote ausgezeichnet funktionieren, von denen zu oft angenommen wurde, dass sie nur im Präsenzformat klappen, etwa der Kickoff zu einem Projekt." Reine remote Projekte hätten es anfangs vielleicht etwas schwerer als vergleichbare Präsenzprojekte.

Dieser Rückstand lässt sich laut Gasber durch die richtige Methodik und Zeitplanung aufholen. Neben häufigeren Pausen ist es auch sinnvoll, eine dicht gepackte Tagesveranstaltung auf mehrere Tage zu verteilen: "Für die Post-Corona-Zeit überlegen wir genau, wann wir wie in Projekten mit dem Kunden zusammen interagieren. Remote-Elemente werden wir sicher weiter nutzen, aber auch hybride Formate, die Präsenz und remote sinnvoll verbinden."

Thomas Gasber, Adesso: "Für die Post-Corona-Zeit überlegen wir genau, wann wir wie in Projekten mit dem Kunden zusammen interagieren. Remote-Elemente werden wir sicher weiter nutzen."
Foto: adesso

Und welches inhaltliche Fazit zieht Toom-Vertriebschef Stephan Hartje aus dem Workshop? "Wir stecken noch mittendrin in unserem Innovationsprozess, haben aber einige überraschende und interessanterweise nicht-technische Erkenntnisse gewonnen." Etwa, dass Servicemitarbeiter die Informationssysteme zum Lagerbestand in den Märkten nicht nutzen, sondern lieber im Baumarkt vor Ort anrufen, um sich noch einmal abzusichern.

"Wir müssen uns der Herausforderung stellen, warum das Vertrauen in die Datenbanken stellenweise noch nicht so groß ist und gleichzeitig die Frage beantworten, ob wir solche Vorgänge nicht auch durch einen Chatbot im Kundenservice automatisiert beantworten oder durch technische Innovation im Hintergrund noch stärker unterstützen können", sagt Stephan Hartje.