Grüne Kommunikation

Wie nachhaltig sind Briefe und E-Mails?

29.03.2023 von Burkhard Heihoff  IDG ExpertenNetzwerk
Wie passen der hohe CO2-Verbrauch digitaler Kommunikationskanäle, ein konstant hoher Stellenwert der Briefpost und eine nachhaltige Transformation zusammen? Vorhandenes Zahlenmaterial liefert dazu nicht die ganze Wahrheit.
Die Briefbeförderung per Brieftaube ist an Nachhaltigkeit seit Jahrhunderten wohl nicht zu übertreffen - für Alle, die Zeit haben.
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Die Welt ist in puncto Nachhaltigkeit noch nicht da, wo sie stehen sollte und der Ausbau erneuerbarer Energien ist eher eine nicht enden wollende Diskussion, denn ein Lösungsweg. Das schränkt auch Ambitionen zur nachhaltigen Transformation ein, die einen Mehrwert für die gesamte Gesellschaft bringen soll. Lassen Sie uns daher die heutigen Kommunikationsmittel von Unternehmen genauer ansehen, in wieweit sie zu einer nachhaltigen und digitalen Transformationsstrategie von Unternehmen beitragen.

Briefpost, E-Mails und nachhaltige Entwicklung

Wir nutzen heute für die private und geschäftliche Kommunikation viele digitale Kanäle. Trotzdem können wir uns noch immer nicht davon lösen, Laborbefunde oder Inkassoschreiben lieber in Brief- denn in digitaler Form zu versenden oder zu empfangen. Besonders nachhaltig ist das auf den ersten Blick nicht: Ein auf Papier geschriebener und per Post verschickter Brief verursacht im Schnitt 20 Gramm CO2, wird jedoch verhältnismäßig selten genutzt - und der Großteil der Emissionen fällt auf die Zustellung, die sogenannte letzte Meile.

Der digitale Nachfolger, die E-Mail, fällt mit durchschnittlich 10 Gramm CO2 erstmal positiv auf. Jedoch stoßen wir hier auf "versteckte" Emissionen, die in Form des Stromverbrauchs des Endgerätes und der Umgebung, in der die Mails abgerufen werden (heimisches WLAN vs. Mobilfunknetz), hinzukommen. Auch Mailanhänge sind hier noch nicht berücksichtigt, sodass sich die CO2-Emissionen bei etwa 30 bis 55 Mails am Tag plus Anhänge schnell summieren. Zwar stellt die Mail im Vergleich zum Brief eine Effizienzsteigerung dar, die hoch frequentierte Nutzung hebt die ursprünglichen Energieeinsparungen in vielen Fällen wieder auf. Selbst ungelesene und direkt gelöschte Spammails sind noch für 0,3 Gramm CO2 verantwortlich.

Auch andere Formen der digitalen Kommunikation, wie etwa die Nutzung von Kollaborations-Tools zur ortsübergreifenden Zusammenarbeit, haben besonders in den letzten Jahren stark zugenommen. Damit all diese Datenmengen verarbeitet werden können, gibt es Rechenzentren und ganze Server-Farmen, die für den Betrieb und die Kühlung der Server wiederum enorme Mengen an Strom und damit CO2 verbrauchen und ausstoßen. Perspektivisch sollte hierfür Strom aus erneuerbaren Energiequellen bezogen werden, um die globalen Nachhaltigkeitsziele nicht zu verpassen und den Klimawandel abzufedern.

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Das Paradoxon

Die Annahme, Digitalisierung sei gut für die Nachhaltigkeit, ist mittlerweile Status Quo und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Aktionsplans Natürlich.Digital.Nachhaltig mitgetragen. Der Tonus lautet: Digitale Technologien können die nachhaltige Entwicklung in vielen Bereichen unterstützen und beschleunigen, dürfen aber den Nutzen für die Gesellschaft nicht verfehlen.

Daraus lässt sich ableiten, dass der gewohnte Brief neben digitalen Pendants wie E-Mail oder Kollaborations-Tools weiterhin genutzt wird und werden darf - hinsichtlich des CO2-Fußabdrucks auf den ersten Blick erst einmal paradox. Vielmehr gilt es, die Briefpost bedarfsgerecht zu digitalisieren und nachhaltiger zu gestalten, denn: Hundertprozentig nachhaltig zu sein grenzt an Utopie. Sich ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen - ob als Unternehmen oder als Verbraucher - bewirkt hingegen schon viel.

Möglichkeiten, den papierbasierten Schriftverkehr mit digitaler Kommunikation in Einklang zu bringen, gibt es bereits auf dem Markt. Hybridpost macht es Unternehmen einfach, digital und analog zu mischen, indem sie mit wenigen Klicks den Briefversand komplett über einen Druckdienstleister abwickeln lassen, der dann druckt, faltet, freimacht und versendet. Oder Softwarelösungen, die Adressdaten aus unterschiedlichen Quellen bereinigen und damit bereits vor dem Versand fehlerhafte Zustellungsversuche und unnötig gedruckte Briefpost vermeiden.

Der Brief ist tot. Lang lebe der Brief

Hinsichtlich (digitalisierter) Kommunikation bewegen wir uns in einem Feld, in dem viele Faktoren und Themen zusammenkommen - weil sich die Gesellschaft und das gesamte Umfeld, insbesondere in den letzten Jahren, verändert haben. Neue Anforderungen und Herausforderungen sind in den Vordergrund gerückt. All das lässt sich vereinfacht in einer Matrix darstellen, die folgende Elemente enthält:

Sofort fällt auf, dass aus dieser Matrix multiple Zielkonflikte hervorgehen: Während die Generation Z mit digitalen Tools aufwuchs und in puncto Nachhaltigkeit das eigene Handeln und das großer Industrieunternehmen kritisch hinterfragt, sehen wir parallel dazu noch immer tradierte Unternehmen und Geschäftsführende, die einlaufende E-Mails ausdrucken und sich auf den Schreibtisch legen lassen. Wie also können wir dennoch alle Elemente der Matrix vereinen und einen Kommunikationsweg finden, mit dem wir so viele Menschen wie möglich erreichen? Das geht mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner: Dem Brief.

Die Herausforderung ist also, ein nicht-digitales Produkt wie den Brief in Transformationsprozesse der Unternehmen einzubinden und in die Digitalisierungsstrategien zu integrieren.

Bei solchen Themen spielt der Kostenfaktor eine Rolle. Was mitunter gar nicht umfassend bekannt ist, ist die Tatsache, dass Unternehmen in der Regel Portorabatte auf Postsendungen erhalten. Seit dem 01.01.2023 bietet die Deutsche Post den sogenannten Laufzeit-Rabatt an, der den Versandpreis um drei Prozent senkt. Laut Deutscher Post würde damit gleichzeitig die Zustellzeit etwas entzerrt, indem 50 Prozent der Sendungen am gleichen, die anderen 50 Prozent am nächsten Tag in die Zustellung gehen.
Das Zusammenspiel beider Komponenten soll laut Deutscher Post für ein besser ausgelastetes Briefnetz und eine nachhaltigere Zustellung sorgen. B2B-Versender haben damit eine Stellschraube, an der sie im Zuge eigener Transformationsbestrebungen drehen können. Wie intelligent werden entsprechende Unternehmen bereits unterstützt, um von solchen Rabatten zu profitieren und wo gibt es noch Spielraum?

Einfache Prozessanpassungen, große Wirkung

Wo es die DSGVO im Digitalen verlangt, Häkchen zu setzen, wenn Werbemails gewünscht sind, fehlt diese Transparenz für Dialogpost. Screening-Prozesse würden Postboten helfen, Transaktionspost von "klassischer" Post zu unterscheiden und damit ungewollte Werbung zu vermeiden. Optimal wäre auch ein Planungstool auf dem Diensthandy, in dem vermerkt ist, wie viele "Bitte keine Werbung-Schilder" pro Haus und kumuliert pro Bezirk an den Briefkästen angebracht sind. So ist vor Dienstbeginn klar, wie viel Werbepost eingepackt werden muss. In urbanen Räumen kann das dazu führen, dass anstelle des Postautos das (Lasten)-Fahrrad fürs Zustellen eingesetzt wird, so dass auf diesem Wege Ressourcen eingespart werden können.

Fakt ist, wir stehen mit der nachhaltigen Transformation nicht da, wo wir angesichts der Ziele der Agenda 2030 und des 1,5 Grad-Ziels stehen sollten. Aber die Gesellschaft und die Unternehmen sind in Bewegung - nicht zuletzt aufgrund von Regularien wie etwa der ab dem 01.01.2024 erweiterten CSR-Berichtspflicht, also der verpflichtenden Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts.

Wir sollten also nicht auf die perfekte Lösung warten, sondern Bestehendes aktiv in Transformationsprozesse einbinden und diese so zukunftsgerichtet wie möglich gestalten. (bw)