Wie sich IT-Services messen lassen

07.04.2005 von Kai Schwarzer
Methoden zur Steuerung von Prozessen sind seit über 40 Jahren etabliert. Die IT-Outsourcer verweigern sich den gewonnenen Erkenntnissen - zum Schaden der Kunden.

Hier lesen Sie …

  • warum Outsourcing unerwartet teuer werden kann;

  • wie sich IT-Dienstleistungen bewerten und steuern lassen;

  • welche Einzelheiten in Verträgen geregelt werden sollten.

Services lassen sich in einzelne Komponenten und Funktionen gliedern. Die einzelnen Aspekte können dann beschrieben und bewertet werden. Quelle: Kai Schwarzer

Der Markt für großvolumiges IT-Outsourcing ist derzeit geprägt von zwei Aspekten: Einerseits versprechen die Anbieter ihren Kunden Vorteile wie Kosteneinsparungen im dreistelligen Millionenbereich, die sich aus Unternehmersicht nicht ignorieren lassen. Andererseits wächst das Misstrauen auf Anwenderseite: Fälle, in denen über geplatzte Deals, Rückabwicklungen, Austausch des Providers, Kostenzuwachs statt -reduktionen be-richtet wird, schrecken ab.

Wer unliebsame Überraschungen vermeiden möchte, sollte möglichst früh und in der Folge kontinuierlich für Transparenz sorgen: Werden die Leistungen in der zugesagten Qualität erbracht? Stimmt der Preis? Sind die Vereinbarungen aus Kundensicht verständlich, nachvollziehbar und beeinflussbar?

Die Kosten lassen sich errechnen, bei der Leistung geht dies jedoch nicht ohne weiteres. In aktuellen Outsourcing-Verträgen finden sich die unterschiedlichsten Definitionen: Da werden Verfügbarkeiten beziehungsweise zulässige Ausfallzeiten von Systemen genannt, Struktur und Aufbau von Produkten beschrie-ben, Itil-Prozesse aufgelistet (Itil = IT Infrastructure Library), Aufwandsmengen eingegrenzt, Projekte dargestellt - alles ist sehr technikorientiert und aus dem Kostenblickwinkel des Lieferanten formuliert.

Aus Kundensicht sind jedoch nur zwei Dinge entscheidend: Funktionieren die Systeme? Werden die für den Geschäftsbetrieb erforderlichen Dienstleistungen richtig erbracht? Sortiert man die typischerweise anfallenden IT-Kosten, dann wird schnell klar, welcher der beiden Bereiche der wichtigere ist. Der Unterhalt der Systeme verbraucht in Form von Anschaffungen, Abschreibungen und Wartung meistens etwa 20 Prozent des gesamten IT-Budgets. Die verbleibenden 80 Prozent geben Unternehmen für IT-Projekte und -Betrieb aus. Wollen Anwender also das Preis-Leistungs-Verhältnis in den Griff bekommen, sollte sie sich weniger dem Tuning der Systeme, sondern mehr den Dienstleistungen widmen.

Doch bei der Gütemessung stößt man auf Probleme, denn sämtliche Prüfverfahren, die seit Jahrzehnten bei materiellen Produkten zum Einsatz kommen, greifen bei Dienstleistungen nicht. Die Qualität einer Dienstleistung entsteht erst in dem Augenblick, in dem der Kunde sie in Anspruch nimmt. Daher lautet der einzig praktikable Bewertungsansatz, die Leistungen zu dokumentieren, möglichst ähnlich wie bei messbaren materiellen Eigenschaften.

Bewertungsmodelle gibt es

Einen klassischen Ansatz für die Dokumentation bildet die Wertanalyse, wonach sich der Wert einer Leistung aus dem Quotienten von Funktion zu Kosten errechnet. Damit prüft die Wertanalyse, die seit 1961 bekannt ist, ob ein erwarteter Nutzen zu vertretbaren Kosten erbracht wird. Die Wertanalyse erstreckt sich nicht nur auf Produkte und Erzeugnisse, sondern auch auf Verwaltungsfunktionen. Nur im Bereich der IT-Dienstleistungen findet sie bis heute selten Anwendung. Der Grund: Kosten von IT-Services lassen sich ermitteln, mit der Funktionsbeschreibung tun sich Abnehmer und Lieferanten in der Regel jedoch schwer.

Für die Aufgabe, den kompletten Leistungsumfang einer IT-Dienstleistung zu formulieren, bieten sich vorhandene Konzepte aus der Fertigungsindustrie an, denn auch Services lassen sich in folgende Komponenten zerlegen: das möglichst einfach, aber sehr genau definierte Ziel, den Auslöser beziehungsweise Anlass einer Dienstleistung, die Eingaben (Inputs), die Ausgaben (Outputs) sowie das Ergebnis samt Dokumentation. Ältere IT-Experten kennen diese Beschreibung noch unter der Bezeichnung "Eingabe-Verarbeitung-Ausgabe" (EVA). Jüngeren dürfte eine vergleichbare Methode unter dem Namen "Supplier-Input-Process-Output-Customer" (Sipoc) bekannt sein.

SLAs werden falsch formuliert

EVA und Sipoc können nur das Grundgerüst für die Beschreibung von IT-Dienstleistungen abgeben. Weitere wichtige Vereinbarungen betreffen die Schnittstellen zu anderen Fachabteilungen, das maximale Volumen der Services inklusive Mittelwert und Standardabweichung pro Zeit sowie bei Bedarf besondere Fähigkeiten und Werkzeuge, etwa zur Betreuung und Weiterentwicklung von Individuallösungen.

Bewertungs- und damit Steuerungsinstrumente sind demnach vorhanden, doch Anbieter und Abnehmer von IT-Dienstleistungen haben sie bislang nicht genutzt. Selten werden in heutigen Service-Level-Agreements Ergebnisse vereinbart, so wie es die funktionsorientierten Konzepte vorsehen. Die Partner definieren heute beispielsweise zumeist eine Reaktionszeit, die im Grunde nur bedeutet, wie viel Zeit verstreichen darf, bis der IT-Dienstleister aktiv wird und sich redlich bemüht, ein Problem zu beheben. Ein passender Service-Level wäre aber, innerhalb welcher Zeit eine Leistung namens "Arbeitsfähigkeit wiederherstellen" beendet ist.

IT-Dienstleister erbringen ihr Leistungen heute im Normalfall unter hohem Kostendruck. Sind in kritischen Situationen die einzelnen Aspekte einer Serviceleistung nicht vollständig definiert, kann ihn das teuer zu stehen kommen. Die Liste der Grausamkeiten ist lang:

Weniges genau definieren

Unterm Strich leidet die gesamte Dienstleistung, der Nutzen geht aus Kundensicht zurück ein. Weil mangels Dokumentation diese Qualitätsmängel nur subjektiv empfunden werden, streiten die Partner über die unerwarteten Schwierigkeiten. Das Zerwürfnis kostet weiteres Geld für Konflikt-Management und Ursachenbeseitigung. Der Traum von den anfangs versprochenen Einsparungen von mehreren Millionen Euro ist damit schnell zerplatzt.

Das Gebot lautet daher, wenige, aber dafür alle vom Kunden wahrnehmbaren Leistungen zu definieren. Bei diesen tut man gut daran, die einzelnen Funktionsaspekte genau zu beschreiben. Wie diese "funktionale Eingrenzung" gemacht wird, muss nicht erforscht werden, denn alle größeren Anbieter haben diese Arbeit irgendwann schon einmal erledigt. Sie benötigen ab und zu nur etwas Anschubhilfe vom Kunden, damit sie diese Schätze heben können. (jha)