Storage-Dienste aus der Cloud gehören zu den Wachstumssegmenten der IT-Branche. Allein das Datenvolumen von Amazons S3-Service beispielsweise verdreifachte sich 2011 im Vergleich zum Vorjahr. Gerade erst hat der Anbieter ein Gateway vorgestellt, mit dem Kunden der Amazon-Webservices eine Arbeitsteilung zwischen Primär-Storage im eigenen Haus und Snapshots in der Cloud realisieren können.
Die Daten werden dazu asynchron in die Amazon-Cloud geladen und dort auf dem Blockstorage-Angebot des Dienstleisters, Amazon EBS, gelagert. "Damit wollen wir den Kunden noch mehr technische Möglichkeiten bieten", erläutert Stephanie Cuthbertson, Senior Manager im AWS Storage Product Management. Anwendungsfelder für das Gateway sieht Amazon vor allem im Bereich Disaster Recovery.
Nicht nur Amazon bringt ständig neue Cloud-Storage-Dienste etwa für Backup und Datenspeicherung im Allgemeinen auf den Markt. Häufig benennen Provider auch alte Angebote einfach um, was nicht gerade für mehr Übersicht sorgt. Symantecs Backup-Lösung für die E-Mail-Archivierung Symantec.cloud beispielsweise heißt nun Enterprise Vault.cloud und soll Kunden die Erfüllung der umfangreichen Archivierungspflichten erleichtern, an denen gerade kleine Firmen häufig scheitern.
Mittlerweile gibt es auf dem deutschen Markt einige Dutzend Anbieter mit ernstzunehmenden Cloud-Storage-Angeboten für professionelle Anwender. Doch Storage ist nicht gleich Storage: Ein Primärspeicher im Unternehmen stellt andere Anforderungen als ein Backup oder ein E-Mail-Archiv, Testdaten müssen anders behandelt werden als betriebswichtige Daten aus dem SAP-System. Welche Angebote eignen sich also für welche Einsatzszenarien?
Großunternehmen: Auf dem Weg in die Cloud oft am weitesten
Am einfachsten haben es hier zwei Gruppen von Unternehmen: die ganz großen und die ganz kleinen. Erstere haben in der Regel ihre IT inzwischen mehr oder weniger umfassend virtualisiert und meistens auch bereits Erfahrungen mit komplexen Outsourcing-Modellen für Teile des IT-Betriebs gesammelt. Teilweise betreiben sie sogar eine komplette Private Cloud, zu der dann eben auch ein Storage-Pool gehört. Der Schritt, ein konventionelles Outsourcing-Abkommen oder eine Private Cloud in ein anderes Cloud-Modell umzuwandeln, ist dann oft nicht groß.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist auf diesem Weg schon ein gutes Stück vorangekommen. "Wir hatten schon lange eine Private Cloud in den Räumen eines Dienstleisters", berichtet DLR-CIO Joachim Popp. "Inzwischen haben wir auch die Infrastruktur an den Dienstleister verkauft." Das gehe nur mit entsprechendem Vertrauen in den Partner und ausgefeilten Regeln, wie man die Daten am Ende zurückbekomme: "Geht der Dienstleister pleite, fällt die Infrastruktur an uns zurück", sagt Popp.
Das DLR erfüllt damit die "idealen Voraussetzungen" für den Einsatz von Cloud-Storage, wie sie Infrastruktur-Experte Wolfgang Schwab vom Beratungsunternehmen Experton Group fordert: "Am besten ist die Infrastruktur von Unternehmen, die externes Cloud-Storage einsetzen wollen, komplett durchvirtualisiert", sagt er. Denn nur dann passten externe und interne Infrastruktur nahtlos zueinander.
Die Projektdaten des DLR sind in einem Bereich zusammengefasst, auf den nur der Kunde selbst Zugriff hat. E-Mail-Postfächer und andere weniger kritische Daten lagern auf einem geteilten Speicherbereich. Geteilt wird allerdings nicht mit irgendjemandem, sondern nur mit ausgewählten Akteuren aus der Forschungslandschaft, darunter die Helmholtz-Gesellschaft oder der Dachverband der Großforschungseinrichtungen. Das zu bewältigende Datenvolumen des DLR wächst jährlich um acht bis zehn Petabyte. "Was davon in der Cloud gespeichert wird, entscheiden bei uns Gremien wie der IT-Lenkungsausschuss", erklärt Popp.
Startups: Cloud-Storage ist der Normalfall
Für sehr kleine Unternehmen und vor allem auch für Startups liegt der Vorteil der Speicherung in der Cloud oft auf der Hand: Sie haben meist weder finanzielle Mittel noch große Umsätze, um eine aufwändige IT-Infrastruktur im eigenen Haus aufzubauen. Viele junge Firmen arbeiten zudem geografisch verteilt, müssen also permanent Daten und Informationen austauschen. Aufgaben, die stark regelgebunden erledigt werden müssen, wie etwa die E-Mail-Archivierung, überfordern solche Firmen schlicht organisatorisch.
Hier dürfte die Zukunft von Cloud-Diensten wie dem der Datev oder auch de-Mail gehören: Sie bieten den Kleinen einen Rundum-Service zu überschaubaren Kosten und sind allgemein anerkannt, meist auch in irgendeiner Weise zertifiziert.
Eine junge Firma, die bislang keine eigene Storage-Infrastruktur betreibt, ist der Wagnisfinanzierer HackFwd. Er beschäftigt zwar nur eine Handvoll Mitarbeiter, diese aber in immerhin fünf Ländern. Deshalb muss das Unternehmen Daten, auf die alle zugreifen sollen, ortsunabhängig und gleichzeitig sicher bereithalten. Dafür nutzt HackFwd den Service des deutschen Cloud-Storage-Dienstleisters CloudSafe aus Frankfurt, dessen Speicherressourcen seit rund anderthalb Jahren online sind.
Foto: CloudSafe
Roberto Valerio, Geschäftsführer von Cloudsafe, betreibt seine Cloud-Storage-Infrastruktur "im Terabyte-Bereich" in einem Frankfurter Rechenzentrum, und nur dort. Seine Kunden müssen daher nicht fürchten, dass ihre Daten irgendwann von amerikanischen Agenten durchforstet werden oder die Verantwortlichen in den Kundenfirmen juristische Probleme bekommen, weil ihre Datenhaltung nicht den europäischen Vorschriften entspricht. Außerdem werden alle Daten "im Cloudsafe" mit einem Public/Private-Key-Verfahren verschlüsselt.
"Wir haben uns von Anfang an auf Geschäftskunden konzentriert", sagt Valerio. Dabei gehe es vor allem um die Datenbereitstellung für mobile Nutzer und Backup-Lösungen für kleine Unternehmen. Außerdem offeriere man anspruchsvollen Privatkunden eine Alternative zu Lösungen wie Dropbox. Seine Kunden findet Cloudsafe derzeit vor allem unter kleineren Firmen in den Branchen IT, Technik und Finanzen. Aber auch Großunternehmen seien interessiert; derzeit realisiere man eine Storage-Lösung mit 300.000 Arbeitsplätzen für ein Mobilfunkunternehmen, das diese dann seinen Kunden anbieten will.
Social Games in der Cloud
Foto: Wooga
Wie selbstverständlich Cloud-Storage sein kann, wenn man dem Web vertraut oder es gar zur Geschäftsgrundlage macht, beweist das Berliner Unternehmen Wooga, das Social Games entwickelt. Die Spiele werden geografisch verteilt auf Facebook oder anderen Online-Plattformen gespielt, ohne das Internet läuft also nichts. Wooga wurde 2009 gegründet und beschäftigt bereits 150 Mitarbeiter aus 28 Nationen.
Angesichts der konsequenten Internet-Orientierung ist es nachvollziehbar, dass die Firma auch die IT vollständig ins Web verlagert hat. Genutzt werden sowohl SaaS-, und PaaS- als auch IaaS-Storage-Dienste. Die Quellcodes der Spiele werden beim Web-Hoster GitHub gespeichert. Mit einem Monitoring-Tool kann Wooga direkt die Abrufzahlen überwachen oder Spiele aus der Cloud abrufen. Die Arbeitsdaten aus den Büroprogrammen lagern in Google Apps. Amazon Web Services und der Dienstleister Hetzner Online stellen die Infrastruktur, um einige Spiele, Spieldaten und Datenbanken zu speichern. Server oder größere Storage-Systeme gibt es in den Wooga-Büros nicht.
"Wir nutzen die Cloud wegen der schnellen Skalierung und der enormen Ressourcen, die dort immer und von überall her verfügbar sind", sagt Sina Kamala Kaufmann, Head of Communications and Partnerships bei Wooga. "Außerdem wollen wir uns auf das Entwickeln von Social Games fokussieren, nicht auf die Administration eines Rechenzentrums. Wenn wir Autos bauen würden, würden wir uns auch nur um unser Produkt kümmern."
Foto: Wooga
Folgerichtig gibt es im Unternehmen auch keinen CIO, sondern einen CTO, der sich auch um das Kerngeschäft kümmert. Negative Erfahrungen mit Cloud-Anbietern hat Wooga noch nicht gesammelt. Insofern eröffnet die junge Firma aus Berlin vielleicht einen Blick in die informationstechnische Zukunft vieler Unternehmen. Analysten halten das nicht für unwahrscheinlich. "Cloud Storage wird sich auf mittlere Sicht im breiten Markt durchsetzen", erwartet Karsten Leclerque vom Marktanalyse- und Beratungshaus PAC (Pierre Audoin Consultants) in München.
Der Mittelstand und das Kreuz mit der Cloud
Mittelständler sitzen dagegen in Sachen Cloud-Storage häufig zwischen den Stühlen. Sie haben die Phase ohne eigene IT längst hinter sich gelassen, besitzen aber nicht die Einkaufsmacht der ganz Großen. Deshalb agieren sie vorsichtiger als Großunternehmen; denn in einem langwierigen und kostspieligen Rechtsstreit, etwa um das Verschwinden oder die unsachgemäße Handhabung von Daten, könnten sie sich im Zweifel gegen einen großen Kontrahenten mit "langem Atem" kaum durchsetzen.
Folglich dominieren in diesem Kundensegment Hybridlösungen: Viele Daten werden intern gehalten, manche Funktionen wie das Backup werden an externe Dienstleister in der Cloud ausgelagert, weil zum Beispiel die Abwicklung im eigenen Haus zu aufwändig wäre.
Ein Beispiel dafür ist Albany Door Systems, ein Spezialhersteller für Hochgeschwindigkeits-Rolltore. Das Unternehmen beschäftigt in Deutschland insgesamt 370 und weltweit 680 Mitarbeiter. Niederlassungen befinden sich in allen europäischen Ländern, ferner in den USA, China und Neuseeland.
Albany verlässt sich auf zwei Cloud-Dienste: den Backup-Service Mozy von EMC und demnächst auch Amazon S3 für eine Web-Applikation. "Wir nutzen schon seit drei Jahren Mozy für das Backup, und zwar in Niederlassungen ohne spezialisierte IT-Mitarbeiter", erklärt Markus Böckeler, Projektleiter IT/IS. Es habe sich als unsicher herausgestellt, diese Aufgabe nebenbei erledigen zu lassen. So sei es einmal aufgrund einer Fehlbedienung durch einen ungenügend eingewiesenen Mitarbeiter, der den für das Backup zuständigen Mitarbeiter kurzfristig vertreten musste, zur Zerstörung eines ganzen Servers gekommen. "Das war für uns die Initialzündung", betont Böckeler.
Backup über Nacht
Das Backup der Niederlassungen erledigt Mozy nun automatisch und inkrementell jede Nacht. Auf den Servern des Kunden ist dafür ein Client installiert. Gesichert werden derzeit rund 1,2 TByte. In Deutschland sei das dabei verwendete Verfahren durch den externen, ebenfalls als Dienstleister arbeitenden Datenschutzbeauftragten abgesegnet worden, berichtet Böckeler. Allerdings vertraut er Mozy nicht ganz: Alle Daten werden zusätzlich - ebenfalls über den Mozy-Client - auf einer externen Festplatte direkt vor Ort gesichert. Das mag absurd erscheinen, verdoppelt sich dadurch doch die für die Sicherung verbrauchte Speicherkapazität.
Foto: Saugatuck
Andererseits verhält sich Albany Door Systems damit durchaus mittelstandstypisch, kommentiert Frank Sempert vom auf Cloud Computing spezialisierten Beratungsunternehmen Saugatuck Technology. "Der Mittelstand fährt häufig eine solche Doppelinfrastruktur, obwohl die wahrscheinlich meistens überzogen ist"; beobachtet er. "Die Firmen kaufen Storage beim Provider und speichern die Daten aus Sicherheitsgründen trotzdem nochmal zu Hause." Im Übrigen sei Cloud-Storage häufig trotz aller kolportierten Zwischenfälle sicherer als die Datenhaltung im eigenen Unternehmen. "Von Datenverlusten habe ich noch nichts gehört", sagt Sempert. Allenfalls sei einmal eine Infrastruktur zeitweise nicht verfügbar gewesen.
IT-Manager Böckeler sagt, er habe so immerhin drei Wege, im Notfall schnell wieder an seine Daten zu kommen: Kleinere Mengen kritischer Daten ließen sich über das Webportal von Mozy schnell wieder hereinholen. Man könne zudem auch die Backup-Schnittstelle des Clients nutzen, was länger dauere, oder aber Sekundärdatenträger bei Mozy bestellen. Darüber hinaus gebe es die Möglichkeit, auf das zweite Backup direkt am Server zurückzugreifen. Das gehe bei einem Totalausfall der Festplatte auf jeden Fall schneller als andere Methoden. Andererseits könne nun in den Niederlassungen auch alles abbrennen, ohne dass deswegen die Daten futsch wären, denn die liegen ja nochmals beim Dienstleister
Bandbreite als Flaschenhals für Cloud-Storage
Foto: ATMOS
Ein Hindernis für die primäre Speicherung wichtiger Anwendungen übers Web ist noch immer die Bandbreite. Zwar betont Reimund Willig, Senior Technical Consultant bei EMC: "Cloud Storage wird immer schneller werden, so dass man immer mehr Anwendungen dorthin legen kann." Doch was nutzt das, wenn die Leitung zuckelt? Darauf weist Experton-Berater Wolfgang Schwab hin: "Eine Mindestbandbreite von 10 MBit/s sollte man für Dienste wie Cloud-Backup schon haben.
"Genau das ist aber in Deutschland mit seinem verqueren Breitband-Begriff von 1 MBit/s nicht überall gegeben. Deshalb bleibt so manchem innovativen Startup auf dem Land, das vielleicht gerne die Segnungen der Cloud-Welt nutzen würde, nur, eine eigene Storage-Infrastruktur vorzuhalten oder gleich in die Stadt umzuziehen.
Das bestätigt auch Khaled Chaar, Director Business Strategy bei Pironet. Der Anbieter bewegt sich zwischen Cloud und klassischem Outsourcing. "Die Bandbreiten zum Kunden sind manchmal sehr knapp", so der Manager. Deshalb nutzen Pironet-Kunden, die meist komplette Anwendungen aus den Rechenzentren des Anbieters beziehen, häufig spezielle Virtual-Desktop-Technologie und die damit verbundenen Transportprotokolle, wie sie etwa Citrix und VMware anbieten. Kahlet: "Dann reichen auch 100 KBit/s." (wh)