Bei Green IT handelt es sich primär um ein ökonomisches Thema, berichtet das Beratungshaus Experton Group in einer aktuellen Studie. Richtig ungesetzt könnten Unternehmen damit sowohl IT-Betriebskosten senken als auch positive Impulse für die Umwelt geben. Die COMPUTERWOCHE erläutert die wichtigsten Maßnahmen in zwei Artikeln. Im ersten Teil geht es um ein Vorgehensmodell sowie um konkrete Maßnahmen im Rechenzentrum und der IT-Infrastruktur. Der zweite Teil beleuchtet die Client-Seite und die von der IT unterstützen Geschäftsprozesse.
Was Unternehmen sparen können
-
Mit Hilfe von Green-IT-Projekten sind massive und nachhaltige Einsparungen möglich, argumentiert die Experton Group. Allein im Rechenzentrum könnten Unternehmen die Energiekosten um zehn bis 35 Prozent drücken. Einsparen ließen sich zudem fünf bis 25 Prozent der Hardware-Administrationskosten.
-
Ähnliches gilt für die Energiekosten der Office-IT. Hier liegt das Sparpotenzial den Consultants zufolge zwischen 20 und 50 Prozent. Berücksichtige man auch VDI-Lösungen (Virtual Desktop Infrastructure) könnten IT-Verantwortliche darüber hinaus die Administrationskosten der Office-IT um 30 Prozent reduzieren.
-
Last, but not least ermöglichten sogenannte Carbon Killer Solutions weitere Einsparungen von zwei bis zehn Prozent der Energiekosten eines Unternehmens.
IT-Budgets 2009 sinken weiter
Die Experton Group hat bereits Ende 2008 den Forecast für den deutschen IT-Markt deutlich reduziert und geht von einem Rückgang von 3,7 Prozent für das laufende Jahr aus. Im Hardwarebereich rechnen die Experten sogar mit einem Rückgang von zehn Prozent. Auch CIOs und IT-Verantwortliche, die bisher mit ihrem IT-Budget noch glimpflich davon gekommen sind, könnten nicht erwarten, dass sich dieser Zustand das komplette Jahr 2009 fortsetze, so die Berater.
Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise seien noch längst nicht in vollem Maße in allen Branchen und Unternehmen angekommen. "Es ist zu erwarten, dass bislang noch nicht betroffene Branchen im Frühjahr und Sommer erfahren werden, ob und wie stark die Krise auf sie durchschlägt", prognostiziert Wolfgang Schwab, Senior Advisor bei der Experton Group. Er geht davon aus, dass viele IT-Budgets bis spätestens Sommer 2009 noch einmal nachjustiert werden müssen. CIOs und andere IT-Verantwortliche müssten dementsprechend einen deutlichen Beitrag zur Kostensenkung leisten.
Green IT trotz knapper Budgets
Die Notwendigkeit, noch mehr Kosten zu sparen, könnte sich demnach spätestens im Laufe des Jahres in den meisten Branchen manifestieren. Daher dürften die meisten CIOs gezwungen sein, zumindest einzelne Projekte zu stoppen, den IT-Betrieb deutlich zu verschlanken und - damit verbunden - Rechenzentren zu konsolidieren und zu virtualisieren, was wiederum zu einer deutlichen Reduktion der Stromkosten beitrüge. Green-IT-Überlegungen helfen IT-Verantwortlichen dabei, gewisse Restrukturierungen nicht ausschließlich aus dem "eigenen" Budget finanzieren zu müssen, sondern zumindest in größeren Unternehmen auf Budgets und Sonderfonds für Sustainability und Public Relations zugreifen zu können.
Green IT - ein Vorgehensmodell
Green IT ist ein Schlagwort, das viele Facetten umfasst. Um alle Potenziale auszuschöpfen, ist es wichtig, sämtliche Bereiche zu betrachten. Die Grafik zeigt das Experton-Group-Vorgehensmodell. Die drei Säulen "Rechenzentrum", " Office" und "Carbon Killer Solutions" sollten Verantwortliche laut den Beratern parallel angehen, dabei aber auch Vernetzungen und Abhängigkeiten beachten, bevor sie Investitionen tätigen.
Das Vorgehensmodell sei speziell auf die momentane Wirtschaftslage und die Notwendigkeit, Betriebskosten zu senken, zugeschnitten. "Selbstverständlich gibt es noch weitere Green-IT-Maßnahmen, die aus ökologischen Gesichtspunkten sinnvoll sind, beispielsweise Abwärmenutzung im Rechenzentrum", erläutert Schwab. "Jedoch wird es derzeit nur wenige Unternehmen geben, die derartige Investitionen in Betracht ziehen."
Maßnahmen im Rechenzentrum
Wenn von Green IT die Rede ist, wird damit meist implizit das Rechenzentrum verbunden, insbesondere die dort vorhandene IT-Infrastruktur. Betrachtet man den Energieverbrauch wird indes schnell klar, dass neben der IT-Infrastruktur auch die Bereiche Klimatisierung und USV-Anlagen zu berücksichtigen sind. Insbesondere im Bereich Klimatechnik gibt es einfache Ansätze, mit deren Hilfe Unternehmen praktisch ohne Investitionen deutlich Energie einsparen können.
Im Rechenzentrumsumfeld stellt sich für viele CIOs allerdings die Frage, wo sie mit Ihren Green-IT-Überlegungen beginnen sollen. Eine Möglichkeit der Priorisierung ist die Betrachtung des Energiebedarfs im Rechenzentrum (siehe Grafik).
Hier zeigen sich drei große Verbrauchergruppen:
-
Klimatechnik mit einem Anteil von zusammen 45 Prozent des gesamten Energiebedarfs des Rechenzentrums,
-
IT-Ausrüstung, das heißt Server, Storage und Netzwerk, mit einem Anteil von "nur" 30 Prozent
-
und die USV-Anlagen mit einem Anteil von immerhin 18 Prozent.
Die übrigen Bereiche spielen eine untergeordnete Rolle. Entsprechend empfiehlt Experton-Berater Schwab, zunächst die drei wichtigsten 3 Themenkomplexe zu adressieren.
Bevor jedoch einzelne Rechenzentren optimiert werden, sollte die Anzahl der betriebenen Rechenzentren auf ein notwendiges Maß reduziert werden. Die in den 90er Jahren propagierte Dezentralisierung von Rechenzentren, die damals aufgrund der hohen TK-Kosten und der nur eingeschränkt verfügbaren Bandbreite richtig war, ist heute überholt und führt zu unnötig hohen Kosten in den Bereichen Facilities, IT-Betrieb und Energie. Andererseits ist der einfache Umzug von IT-Equipment in ein zentrales Data Center meist nicht ohne weiteres möglich. Hierzu muss das zentrale Rechenzentrum zunächst vorbereitet und optimiert und zusätzlich der IT-Betrieb angepasst werden.
Klimatechnik
Die Klimatechnik sollten CIOs, RZ-Leiter und Facility-Manager als erstes betrachten. Hier lassen sich oft mit sehr einfachen Maßnahmen deutliche Verbesserungen erzielen. Zu den einfachen Sofortmaßnahmen zählen:
-
Richtiges Aufstellen der Racks, das heißt Einführung eines Warm- und Kaltgangkonzeptes,
-
Abdichten von doppelten Böden an Kabeldurchlässen und zu den Racks.
In einem zweiten Schritt sollten die Verantwortlichen Verbesserungen angehen, die zwar gewisse Investitionen erfordern, in ihrer Größe aber marginal im Vergleich zu den Betriebskosteneinsparungen sind:
-
Befreien der Doppelböden von Daten- oder Stromleitungen, um einen gleichmäßigen Luftstrom und Druck im Doppelboden zu erreichen,
-
Kaltgangeinhausungen vornehmen, um eine Vermischung von kalter und warmer Luft zu verhindern,
-
Warmluft an besonders kritischen Racks (Blade-Server, Netzwerkkomponenten und einige Storage-Einheiten) direkt abführen.
Erst im dritten Schritt geht es um das Prüfen von Maßnahmen, die nicht unerhebliche Investitionen erfordern, in der Regel aber auch deutliche Betriebskosteneinsparungen ermöglichen. Dabei sind Wirtschaftlichkeitsanalysen im Vorfeld dringend geraten:
-
Freie Kühlung: Insbesondere in der kühlen Jahreszeit lässt sich auf diese Weise ein Großteil der Energie für die Klimatechnik einsparen. Bei einer geplanten Rechenzentrumskonsolidierung sollten die durchschnittlichen Außentemperaturen bei Standortüberlegungen mit einbezogen werden.
-
Nutzen von kaltem Grundwasser, kalten Gewässern, etc.
-
Direkte Gerätekühlung: Kälte wird direkt zu den Geräten geleitet und die erwärmte Luft wieder abgesaugt. Das Rechenzentrum an sich wird nicht klimatisiert. Das ist insbesondere für Rechenzentren sinnvoll, die in eher ungünstigen Räumen untergebracht sind, beispielsweise Räume mit Fenstern und direkter Sonneneinstrahlung.
-
Wasser statt Luft zur Kühlung: Wasser transportiert wesentlich höhere Energiemengen pro Volumeneinheit und lässt sich wesentlich gezielter steuern. Es birgt aber auch grundlegende Risiken.
IT-Ausrüstung - der zweite Schritt
Die IT-Ausrüstung sollten CIOs und RZ-Leiter als zweites betrachten. Einfache Sofortmaßnahmen sind in diesem Bereich eher schwierig zu identifizieren, da praktisch alle Eingriffe gewisse Investitionen erfordern, einer aufwändigen internen Abstimmung bedürfen und auch einen gewissen Einfluss auf die Überlegungen im Bereich der Klimatechnik haben können. Trotzdem sollten IT-Manager die folgenden Bereiche untersuchen:
-
Virtualisierung von Server und Storage-Systemen mit dem Ziel, die eingesetzten Hardware-Ressourcen optimal zu nutzen. Intern sind derartige Projekte schwer zu stemmen, so dass häufig externe Hilfe durch Dienstleister notwendig ist. Andererseits wird damit Platz geschaffen, um in einem bestehenden Rechenzentrum andere Data Center konsolidieren zu können. Gleichzeitig reduzieren virtuelle Umgebungen den Administrationsaufwand oft deutlich, so dass in vielen Fällen deutlich weniger Ressourcen für reine Admin-Aufgaben benötigt werden.
-
Bei Ersatzinvestitionen sollte der reale Energieverbrauch ein wesentliches Entscheidungskriterium darstellen. Da es nach wie vor an vergleichbaren Herstellerangaben zum Energieverbrauch mangelt, helfen nur konkrete Messungen an Testgeräten weiter.
-
Abschalten von Altsystemen, die nicht oder nur minimal genutzt werden. Problematisch ist hier die interne Abstimmung und letztlich die finale Entscheidung, welche Systeme ausgemustert werden.
USV - Unterbrechungsfreie Stromversorgung
Die USV-Geräte sollten CIOs, RZ-Leiter und gegebenenfalls auch Facility Manager als dritten Themenkomplex untersuchen. In diesem Bereich gibt es primär zwei Technologien:
-
Batterie- beziehungsweise Akkumulatoren-Puffer, die das Rechenzentrum für zehn bis 30 Minuten mit Strom versorgen. Diese Zeiten reichen in jedem Fall, um Spannungsstörungen (Drops) zu überbrücken und bei einem tatsächlichem Ausfall der externen Stromversorgung entsprechende Notstromaggregate zu starten und langsam anzufahren.
-
Rotationslösungen, in denen genügend Rotationsenergie gespeichert ist, um das Rechenzentrum 10 bis 30 Sekunden mit Strom zu versorgen und die Notstromaggregate zu starten. Aufgrund der geringen Überbrückungszeiten ergibt sich hier ein gewisses Risiko, das weitere Maßnahmen erfordert. Beispielsweise werden zusätzliche Akku-Puffer und eine Vorheizung der Notstromaggregate (Diesel oder Gasmotoren) eingesetzt, damit diese sofort anspringen und schnell "rundlaufen".
Für Rotationslösungen spricht der deutlich höhere Wirkungsgrad, da praktisch nur die Reibungsverluste in den Kugellagern eine Rolle spielen. Andererseits müssen die Notstromaggregate ständig auf Temperatur gehalten werden; die Rotationsmassen sind extrem schwer und drehen relativ schnell, entsprechend massiv müssen die Fundamente sein.
Für Batterien spricht die relative lange Überbrückungszeit, die es ermöglicht, die Notstromaggregate langsam anzufahren. Andererseits ist der Wirkungsgrad schlechter als bei Rotationsmassen und die Herstellung und Entsorgung der Batterien (Lebensdauer selten über fünf Jahre) ist aus Umweltgesichtspunkten eher problematisch.
"Rotationslösungen sind insbesondere dann vorteilhaft, wenn die Wärmeenergie zum Vorheizen der Notstromaggregate durch Abwärme (aus der IT oder der Produktion) bereitgestellt werden kann", empfiehlt Experton-Berater Schwab. (wh)
Green IT in der Krise - Teil 2: "Clients und Geschäftsprozesse" lesen Sie nächste Woche auf www.computerwoche.de