CRM

Wie zufrieden sind die Kunden?

19.05.2008 von Daniela Hoffmann
Beim Wissenserwerb über eigene Kunden und Interessenten haben Unternehmen längst noch nicht alle Register gezogen. Die Möglichkeiten automatisierter, IT-gestützter Online-Befragungen etablieren sich derzeit in den Köpfen - standardisierte Tools im Rahmen von CRM-Lösungen sind allerdings noch rar. Immer im Fokus bei der hausgemachten Marktforschung ist der Respekt für die Grenzen des Kundenerforschens.

Die Idee der Kundenbefragung ist nicht neu - automatisierte, Ressourcen-schonende Prozesse, um nah am Kunden zu sein und nach Befindlichkeiten zu fragen, hingegen schon. Telefonische Umfragen oder die gute alte Papiervariante haben gemeinsam, dass sie aufwändig, fehleranfällig und teuer sind. Erst durch die IT-Unterstützung werden fundierte und aufschlussreiche Kundenbefragungen mit vertretbarem Aufwand auch für kleinere und mittelständische Unternehmen möglich. Online-Erhebungs-Tools sind auch deshalb günstig, weil sie auf vorhandene Daten in bestehenden Systemen zugreifen und sich die erhobenen Informationen über Schnittstellen direkt ins CRM-System einspeisen lassen. "Die Nachfrage nach strukturierten und kontinuierlichen Kundenbefragungen wächst mit den technischen Möglichkeiten und einer zunehmenden Fokussierung auf den Kunden", konstatiert Zacharias de Groote, Group Marketing Manager beim Anbieter Globalpark.

CRM-Anbieter halten sich noch bedeckt

Die CRM-Hersteller, bei denen das Thema automatisierte Kundenzufriedenheitsprozesse vielleicht am ehesten zu verorten wäre, halten sich hier jedoch bedeckt. "Von der Breite des CRM-Markts, der ja aus rund 150 Anbietern besteht, lässt sich sagen, dass automatisierte Kundenbefragungsprozesse hier noch kein Thema sind und überwiegend noch keinen Eingang in die Basisfunktionalität gefunden haben", sagt Wolfgang Schwetz, CRM-Berater aus Karlsruhe und Mitglied im CRM-Expertenrat. Zwar haben einige CRM-Anbieter wie SAP oder Oracle (Siebel) Methoden für Surveys im Programm, im Bedarfsfall müssen sich Unternehmen heute aber meist bei spezialisierten Nischenanbietern umschauen. Das liegt auch daran, dass nicht alle Unternehmen über ausreichende Ressourcen für marktforscherische Aktivitäten verfügen. Hilfe bei Befragungen gibt es beispielsweise bei Web-Anbietern wie dem Online-Umfrage-Portal www.2ask.de von amundis communications. Das hat jedoch mit de Grootes Verständnis von Automatisierung wenig zu tun. "Automatisierte Prozesse werden Transaktions- oder Event-bezogen im System ausgelöst. Bei einem Autovermieter wäre das beispielsweise eine SMS nach Rückgabe des Fahrzeugs, die den Kunden zu einer mobilen Nachbefragung einlädt. In einer kurzen Online-Erhebung über den Handy-Browser wird der Kunde dann zu seiner Zufriedenheit mit dem Service befragt. Diese Art von Prozessen lebt davon, dass der Kunde möglichst zeitnah Feedback zu seinen Erfahrungen gibt", erklärt de Groote.

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Die Gretchenfrage: Wer geht als Nächster?

"Bei Kundenbefragungen geht es heute verstärkt um Abwanderungsanalysen. Wir nennen das Defection-Management", sagt Olaf Wenzel, Senior Research Manager beim Marktforschungsinstitut Skopos und Vorsitzender der deutschen Gesellschaft für Online-Forschung. In Ergänzung zu den klassischen Churn-Management-Analysen des Data Mining berufen sich die Marktforscher auch auf realitätsnahe Daten aus Befragungen tatsächlich abgewanderter Kunden. In einer Abwanderungsanalyse steckt viel Zeit und analytischer Aufwand, hier stoßen Automatisierungsansätze an Grenzen, warnt Wenzel. Aufgaben wie das Werbe-Tracking - also wie beispielsweise eine Kampagne wahrgenommen wird - ließen sich dagegen gut automatisieren, indem abgefragt wird, wer sich an die Kampagne erinnert. Die Ergebnisse könnten dann in das Reporting einfließen. Auch Prozesse, bei denen die Kunden im Nachgang zu einem Anruf im Call-Center automatisch befragt werden, ob ihnen zufrieden stellend bei der Lösung ihres Problems geholfen wurde, gehören zu den Anwendungsfeldern. Hier sind Kopplungen zwischen der Provision des Call-Center-Mitarbeiters und seinem Ranking in den Kundenbefragungen denkbar.

Firmen müssen die Einflussfaktoren von Kundenlebenszyklen kennen, meint Zacharias de Groote, Group Marketing Manager bei Globalpark.
Foto: Zacharias

"Die beeinflussenden Faktoren von Kundenlebenszyklen zu kennen ist für jedes Unternehmen von großer Wichtigkeit. Für Firmen mit größerer Kundenbasis sind automatisierte Online-Befragungsprozesse eine effiziente Möglichkeit, umfassende Informationen zur Zufriedenheit ihrer Kunden zu gewinnen. Ihren Führungskräften können die Unternehmen damit auf kontinuierlicher Basis wichtige Erkenntnisse als Handlungsgrundlage zur Verfügung stellen", empfiehlt de Groote. Das ist zum Beispiel beim Globalpark-Anwender Daimler AG der Fall.

Praxisbeispiel: Vorhandenes Wissen anzapfen

Die Web-basierende Befragungssoftware "EFS Panel" wird vom Autobauer zur Evaluierung der Zufriedenheit interner Kunden mit Fahrzeugen der eigenen Modellpalette genutzt. Fast als erste "Kunden" sind die Mitarbeiter des Automobilbauers nach der Markteinführung in den neuesten Karossen unterwegs. Maximal zweieinhalb Monate nach der Fahrzeugübernahme werden die Mitarbeiter in Form eines Online-Fragebogens eingeladen, über Erfahrungen mit ihrem Wagen zu berichten und Verbesserungsvorschläge zu machen. Im Hintergrund werden Daten aus dem Daimler-ERP-System und Informationen zum genutzten Fahrzeug als Befragungsbasis miteinander kombiniert. Die Software sorgt auf der Basis von Web-Services für die automatisierte Anbindung an bestehende IT-Systeme, und dient zugleich dazu, Befragungen zu erstellen sowie Ergebnisdaten zu erheben und zu präsentieren. Im EFS Panel werden aktuell verfügbare Baureihen, Motoren und Getriebe erkannt. "Kontinuierliches Qualitäts-Management hat bei Daimler einen hohen Stellenwert. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Weiterentwicklung unserer Produkte ein. Das Web-basierendes Qualitäts-Management trägt damit zur Zufriedenheit unserer Kunden und zum weiteren Ausbau unserer Marktposition bei", erklärt Tobias Birkholz, Team Fahrzeugqualität, Fahrzeugdiagnose und -einsatz im Mercedes-Benz-Werk Untertürkheim. Immerhin schlummert bei den eigenen Mitarbeitern häufig profundes Know-how. Sie haben meist eine hohe Affinität zu Automobilen und können die Qualität von Fahrzeugen qualifiziert und realistisch bewerten. Das zeitnahe Feedback fließt ein in die kontinuierliche Verbesserung der Produktqualität.

Gefühle einfangen

Beim österreichischen Motoradhersteller KTM, der jährlich rund 90.000 Motorräder ausliefert, spielen Kundenbefragungen und Marktforschung eine tragende Rolle. Das beginnt mit einem engen Kontakt zum Motorradkunden sowohl offroad als auch auf der Straße und reicht über segmentspezifische Markt- und Wettbewerbs- bis hin zu Kundenzufriedenheitsanalysen. Für interaktive Kundenbefragungen im Web und auf Messen setzt das Unternehmen aus Mattighofen die Befragungslösung "Dimensions" von SPSS ein. "Durch die Automatisierung sind die Ergebnisse verlässlicher geworden, und wir benötigen für die Befragungen deutlich weniger Manpower", sagt Simone Hermandinger, Leiterin des Teams Sales Planning & Market Research.

Produkttests und Probefahrten geben weitere Gelegenheit, nach Meinungen zu fragen. Bei Online-Umfragen wird auf ein zentrales Data Warehouse zugegriffen, in dem sich Daten aus anderen Systemen wie dem ERP, dem individualentwickelten CRM und dem Händlernetz, aber auch aus Auslieferungsurkunden befinden. Hier erhalten alle Kunden und Interessenten eine feste ID, die sie über den gesamten Lebenszyklus im KTM-System begleitet. Die wichtigste Kommunikationsplattform sind für KTM jedoch Zweirad-Messen wie die EICMA (Mailand), wo Emotionen und Eindrücke von Kunden und Interessenten direkt aufgenommen und Adressen für die Marketing-Arbeit gewonnen werden. "Früher haben wir eine Terminal-Lösung genutzt, die allerdings bei Befragungen nicht effizient war und auch keine Innovation widergespiegelt hat. Zudem war es immer nötig, die Technik personell zu begleiten", erinnert sich Hermandinger. Weil der Aufwand zu groß und die Gewinnung der Informationen zu fehleranfällig war, wurde nach einer neuen Lösung gesucht. Heute setzen die Mattighofener Tablet-PCs von Motion Computing in Verbindung mit der SPSS-Lösung ein, weil "das Beantworten der Fragen auch Spaß machen soll".

Die Kunst des Fragens

Bei Kundenbefragungen geht es heute verstärkt um Abwanderungsanalysen, so Olaf Wenzel, Senior Research Manager beim Marktforschungsinstitut Skopos und Vorsitzender der deutschen Gesellschaft für Online-Forschung.
Foto: Olaf Wenzel

Von der Qualität der Fragen hängt in der Marktforschung bekanntlich nicht nur vieles, sondern fast alles ab. "Wir haben uns entschieden, die Fragebögen selbst zu entwickeln, statt einen externen Dienstleister hinzuzuziehen", erläutert Simone Hermandinger. "Die richtigen Fragen zu formulieren ist ein riesiger Aufwand", sagt die Marketing-Spezialistin. Eine profunde Auseinandersetzung mit den Fragebögen, basierend auf einer klaren Zielsetzung, sei jedoch auch nötig, um die Ergebnisse später richtig zu interpretieren. Beispielsweise fließen hier auch Fragen der Bereiche Forschung und Entwicklung oder aus dem Händlernetz ein. Die erhobenen Daten werden online synchronisiert und gleich interpretiert. Zeichnet sich ein Fehler ab, wenn Fragen zum Beispiel trotz vorausgehender Tests im Feld nicht klar verständlich sind, kann die Befragung online nachjustiert und verändert werden - ein wichtiges Feature, das laut Hermandinger nicht als selbstverständlich gilt. Damit lassen sich auch landesspezifische Unterschiede abfangen, wenn zum Beispiel in Spanien eine im deutschsprachigen Raum gut funktionierende Frage auf Unverständnis stößt. Die aus den Befragungen entstehenden Erkenntnisse fließen dann in Form von Modellen (ähnlich wie im Data Mining) wiederum in das zentrale Data Warehouse ein. Da das Kampagnen-Management-System auf die gleichen Daten zugreift, werden die Befragungsergebnisse direkt für die Ansprache des Kunden verwendet. Auch die Tradition, einem Kunden nach Kauf eines Motorrads einen Welcome-Newsletter mit Link und Log-in für den Fragebogen zu senden, in dem er um sein Feedback gebeten wird, soll künftig ebenso automatisiert ablaufen wie ein jährliches Nachfragen zur Servicezufriedenheit.

Wo die Grenze verläuft

Die Demarkationslinie zwischen Marktforschung und Marketing ist eindeutig, wird aber nichtsdestotrotz häufig überschritten. Juristisch betrachtet darf eine Person zu Marketing-Zwecken nur mit ihrer eindeutigen Erlaubnis kontaktiert werden - als solche gilt auch das nicht entfernte Kreuzchen bei der obligatorischen Formulierung "Ich bin einverstanden, weiteres Informationsmaterial zu erhalten". Die Marktforscher hingegen unterliegen dieser Einschränkung nicht, unter anderem, weil sie die Anonymität der Befragten gegenüber den Auftraggebern strikt gewährleisten. "Unternehmen, die den Datenschutz ignorieren und unaufgefordert agieren, spielen mit dem Feuer", meint Wenzel. Zum einen wachse die Unlust der Befragten, zum anderen sei damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber eines Tages generell einen Riegel vorschiebe. Wird reine Marktforschung betrieben, geht es um Neutralität - und das Berufsethos der Forscher, die personalisierte Daten nicht weitergeben. Andere beklagen da natürlich gerade den Verlust der personalisierten Information. "Auch Marktforschungsergebnisse lassen sich sauber ins CRM einbeziehen, indem Scoring-Modelle auf Basis der Daten entwickelt und angewendet werden, um für jeden Kunden Schätzwerte zu ermitteln", meint jedoch Wenzel.

Auch in automatisierten Prozessen bleibt Marketing wohl immer eine Gratwanderung zwischen Service und Ärgernis. (fn)