Steve Ballmer

"Windows 7 ist bereit"

09.10.2009 von Martin Bayer
Selten waren die Erwartungen an ein neues Windows-System höher. Nach dem Vista-Flop braucht Microsoft einen Erfolg mit Windows 7. Doch viele Firmen hängen an ihrem bewährten Windows XP.

Kurz vor dem Start von Microsofts jüngsten Hoffnungsträgern "Windows 7", "Windows Server 2008 R2" und "Exchange Server 2010" gibt sich Firmenchef Steve Ballmer vergleichsweise kleinlaut. Es herrsche nicht das wirtschaftliche Umfeld, von dem er vor eineinhalb Jahren ausgegangen sei, räumte er auf einer Kundenveranstaltung in San Francisco ein. Angesichts schrumpfender IT-Budgets sei es schwierig, die Unternehmen davon zu überzeugen, neue Software einzuführen.

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Das aktuelle Geschäftsklima erfordere eine neue Effizienz des IT-Einsatzes, sagte der Microsoft-Chef bei der Vorstellung des neuen Betriebssystems in München Anfang Oktober. Gerade deshalb sei er aber zuversichtlich, dass die neuen Produkte vom Markt gut angenommen würden. Anwender könnten damit die Produktivität ihrer Mitarbeiter zu erhöhen. Darüber hinaus ließen innovative Geschäftsmöglichkeiten realisieren sowie die IT-Komplexität reduzieren. "Windows 7 ist bereit für den Einsatz in Unternehmen."

Ob die Anwender anbeißen, bleibt indes fraglich. Schon beim Vorgänger Windows Vista hatte Microsoft mit ähnlichen Argumenten geworben - mit eher mäßigem Erfolg, wie die nach wie vor geringe Verbreitungsrate gerade im Firmenumfeld zeigt.

Vista hatte einen schlechten Start

Verena Bunk, Techconsult: "Windows 7 kommt exakt zum richtigen Zeitpunkt."

Verena Bunk, Analystin von Techconsult, glaubt dennoch an den Erfolg von Windows 7. Im Vergleich zu Vista sei von einer deutlich höheren Nachfrage auszugehen. Vor allem die mangelnde Performance und das schlechte Timing hätten dem Vorgänger den Start erschwert. Damals habe in den Firmen kein Hardwarewechsel auf der Agenda gestanden. Diese Situation habe sich durch die Wirtschaftskrise weiter verschärft, da viele IT-Investitionen aufgeschoben wurden. "Nun sind die Voraussetzungen für Windows 7 nahezu optimal", sagt Bunk, "es kommt nach unserer Meinung exakt zum richtigen Zeitpunkt."

Auch wenn das Timing glücklicher sein mag als mit Vista, wird es für das neue Windows-System nicht leicht. Der ärgste Konkurrent für kommt aus den eigenen Reihen. Nach Angaben von Forrester Research laufen derzeit noch rund 86 Prozent aller Business-PCs weltweit unter Windows XP. Das System biete in Sachen Kompatibilität, Sicherheit und Stabilität alles, was sich die IT-Verantwortlichen immer gewünscht hätten. Die Dominanz von XP hat auch wirtschaftliche Gründe. Viele Unternehmen haben wegen den schwierigen Zeiten die Laufdauer ihrer Firmenrechner verlängert. Desktops sind derzeit etwa fünf, Notebooks rund vier Jahre im Einsatz. Auch wer neue Rechner angeschafft hat, blieb in aller Regel bei XP. Zwar verbuchte Microsoft die Verkäufe der vergangenen Jahre unter dem Posten Vista, jedoch nutzten die Firmen meist ihr Downgrade-Recht und betrieben auch die neuen Maschinen mit Windows XP.

IDC: Windows 7 startet besser als XP

Lynn Thorenz, IDC: "Mittel- und langfristig führt kein Weg an Windows 7 vorbei."

Trotz des Erfolgs von XP rechnen auch die Marktforscher von IDC mit einem guten Windows-7-Start. In drei Jahren würden weltweit zirka 59 Prozent aller ausgelieferten Firmenrechner unter dem neuen Betriebssystem laufen. Das wäre doppelt so schnell als bei Windows XP. Unter dem Erfolg von Windows 7 wird IDC zufolge in erster Linie Vista leiden. "In vielen Firmen gibt es Bedarf umzusteigen", sagt IDC-Consulting-Direktorin Lynn Thorenz. Zwar werde die Plattformfrage nicht von heute auf morgen beantwortet, zumal die Migration und das Testen der Applikationslandschaft genau geplant sein wollten. "Mittel- und langfristig führt jedoch kein Weg an Windows 7 vorbei."

Die Marktforscher von Gartner sind etwas vorsichtiger. Unternehmen hätten keinen Grund, schnell auf das neue Windows-System umzusteigen, meint Analystin Annette Jump. Wegen der wirtschaftlichen Unsicherheit achteten die Verantwortlichen in den Unternehmen besonders stark auf die Kosten. Gerade wenn die IT-Budgets gekürzt würden, sei davon auszugehen, dass auch Projekte rund um den Umstieg auf Windows 7 erst einmal hintenangestellt würden. Da Firmen in aller Regel etwa zwölf bis 18 Monate für einen Windows-Umstieg benötigten, rechnet Jump frühestens im ersten Halbjahr 2011 mit einer nennenswerten Verbreitung des neuen Microsoft-Systems. Dazu komme, dass Windows XP mit Service Pack 2 sowie Service Pack 3, das Anfang Juli 2010 erwartet wird, von Microsoft im Rahmen des Extended Support noch bis zum 8. April 2014 unterstützt werde. Darüber hinaus räumt Microsoft auch im Zusammenhang mit Windows 7 Downgrade-Rechte ein. Bis 18 Monate nach dem Start von Windows 7 beziehungsweise bis zum Erscheinen des ersten Service Pack könnten PC-Hersteller ihre Rechner mit XP-Option ausliefern. Damit könnten bis zum 22. April 2011 PCs mit dieser Windows-Version zu haben sein. Die Unternehmen hätten daher noch Zeit, ihre Migration vorzubereiten, lautet das Fazit vieler Analysten.

Zu lange dürften sich die IT-Verantwortlichen indes nicht warten, warnen die Analysten von Forrester Research. Schließlich gehe es nicht nur um die Migration des Betriebssystems. Darüber hinaus müssten die IT-Verantwortlichen auch den Umbau ihrer Applikationslandschaft planen, und das sei nicht trivial. Zwar bemühten sich Applikationshersteller, ihre Upgrade-Zyklen mit denen Microsofts zu synchronisieren, doch dies gelinge längst nicht immer. Manche Anbieter kündigten frühzeitig den Support für ältere Betriebssystem-Varianten, andere hinkten mit der Unterstützung neuerer Versionen hinterher. Diese zeitlichen Verwerfungen machten, gerade wenn man viele unterschiedliche Anwendungen betreibe, eine exakte Planung nötig.

Hoffnungsträger Windows 7

Microsoft braucht den wirtschaftlichen Erfolg mit Windows 7. Zuletzt waren die Geschäfte massiv eingebrochen:

  • Im Abschlussquartal des Geschäftsjahres 2009 fiel der Umsatz im Vergleich zum Vorjahresquartal um 17 Prozent auf 13,1 Milliarden Dollar, der Gewinn brach um 30 Prozent auf 3,0 Milliarden Dollar ein.

  • Besonders schlimm erwischte es die Windows-Sparte. Hier rutschten die Einnahmen um 29 Prozent auf 3,1 Milliarden Dollar ab, der operative Gewinn ging um 33 Prozent auf knapp 2,2 Milliarden Dollar zurück.

Windows 7 - zu teuer für Netbooks?

Trotz aller Vorschusslorbeeren, die Microsoft für sein aktuelles Windows-Release geerntet hat, bleiben aus Sicht der Gartner-Analysten für den größten Softwarekonzern der Welt einige Risiken. Etliche Unternehmen würden derzeit mit alternativen Client-Computing-Architekturen experimentieren. Dazu zählen beispielsweise gehostete virtualisierte Desktop-Landschaften und Server-based Computing. Diese neuen Techniken könnten in den kommenden Jahren den Markt für Windows-Betriebssysteme gerade im Firmenumfeld ins Wanken bringen. Allerdings, so schränken die Analysten ein, sei Windows 7 von diesen Entwicklungen zunächst noch wenig betroffen. Mit einer weiteren Verbreitung von virtualisierten Desktop-Umgebungen sei frühestens in drei Jahren zu rechnen.

Wesentlich zügiger dürften die Reaktionen im Netbook-Markt ausfallen. Als 2007 die ersten Geräte unter Linux auf den Markt kamen und schnell absehbar war, dass die neue Geräteklasse ein großer Erfolg werden würde, reagierten die Microsoft-Verantwortlichen rasch. Da Vista wegen seiner hohen Leistungsanforderungen auf den Bonsai-Rechnern nicht lief, verlängerte der Softwarekonzern speziell für die neue Rechnerklasse die Vertriebsfristen von Windows XP. Mit Erfolg: Innerhalb weniger Monate drängte das Microsoft-System seinen Open-Source-Konkurrenten auf einen Anteil von etwa 15 bis 30 Prozent zurück. Ob sich dieser Erfolg mit Windows 7 fortsetzen lässt, ist aus Sicht Gartners indes unklar. Zwar laufen die Starter Edition und die Home-Premium-Version von Windows 7 auf den Netbooks. Probleme könnte jedoch der Preis bereiten. Mit rund 50 Dollar verdoppeln sich im Vergleich zu Windows XP die Kosten für das Betriebssystem. Der Anteil an den Gesamtkosten eines Netbooks steigt von 6,3 auf 12,8 Prozent. Auf dem ohnehin extrem preissensiblen Netbook-Markt haben die Hersteller jedoch wenig Spielraum, die Herstellungskosten zu drücken beziehungsweise die höheren Windows-Preise an die Verbraucher weiterzugeben. Diese Zwickmühle könnte Gartner zufolge Linux zu einer Renaissance im Netbook-Segment verhelfen.

Dass sich der PC-Markt durch das Erscheinen von Windows 7 auf einen neuen Austauschzyklus bei den Heimanwendern freuen darf, erscheint unwahrscheinlich. Laut den offiziellen Systemanforderungen seitens Microsofts kommt das System mit den gleichen CPU- und Arbeitsspeicherressourcen aus wie die Vorgängerversion Windows Vista. Darüber hinaus benötigt die neue Version sogar weniger Speicherplatz auf der Festplatte. Damit seien die Upgrade-Zyklen von Hardware und Windows-Betriebssystem zum ersten Mal in der langjährigen PC-Geschichte voneinander entkoppelt.

Laut Martin Gilliland, Analyst bei Frost & Sullivan, ist damit die Rüstungsspirale durchbrochen. Auch die zukünftigen Windows-Versionen würden kaum steigende Leistungsanforderungen an die Hardware stellen. Angesichts dieses Traditionsbruchs müssten sich die PC- und Prozessorhersteller etwas Neues einfallen lassen, wie sie ihre Kundschaft dazu bewegen könnten, frische Hardware anzuschaffen. Von der neuen Windows-Version werde in erster Linie Microsoft profitieren. Diese Entwicklung werde die Konsolidierung unter den PC-Anbietern beschleunigen, ist sich der Analyst sicher.

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