EMC-COO Gelsinger im CW-Interview

"Wir beseitigen Defizite der Private Cloud"

14.09.2010 von Ariane Rüdiger
Mit Übernahmen und Partnerschaften will EMC ein führender Anbieter von Infrastruktur für Cloud Computing werden. Im CW-Interview erläutert COO Pat Gelsinger die ehrgeizige Strategie des IT-Konzerns.

CW: EMC kauft ständig neue Unternehmen aus unterschiedlichsten Bereichen zu. Wie soll die Integration dieser Firmen gelingen?

Pat Gelsinger, President und COO, EMC Information Infrastructure Products, sieht sein Unternehmen als führenden Cloud-Infrastrukturlieferanten, nicht als Serviceprovider.

Gelsinger: Das ist eine Frage des Ziels. Und das heißt: Wir wollen zusammen mit unseren VCE (Virtual Computing Environment)-Allianzpartnern Cisco und VMware führend bei der Delivery von Private Clouds und virtualisierten Infrastrukturen werden. Natürlich haben wir immer noch vor allem Storage. Aber wir brauchen mehr für die virtuelle Infrastruktur, wie zum Beispiel Managementsoftware (Ionix) oder die Sicherheitslösungen von RSA. Alles zusammen macht uns bei virtueller Infrastruktur immer besser, und das erleichtert auch die Integration.

CW: Cloud-Weltmeister wollen alle werden: Google, Amazon, IBM und HP, um nur die Wichtigsten zu nennen. Warum sollen die Kunden ausgerechnet zu Ihnen kommen, wo sie eine komplette Lösung aus drei Händen statt aus einer bekommen?

Die vorkonfigurierten vBlocks sind die Hardwarebasis des Private-Cloud-Angebots von EMC, Cisco und VMware (Bild: EMC)

Gelsinger: Eben deshalb. Wir sind konsequent offen und setzen auf Standards. Google und Amazon bezeichne ich als Über-Cloud. Sie wissen nie, ob Sie das, was sie an Daten oder Anwendungen in deren Wolke schicken, auch wieder herausbekommen. HP und IBM sehen wir als Vertikalisierer, nicht als Virtualisierer. Sie wollen den Anwender durch alle Infrastrukturschichten hindurch an sich binden. Die einzig wirklich virtualisierte Private-Cloud-Lösung bieten wir, und deshalb kooperiert zum Beispiel EMC auch noch mit anderen Virtualisierungsanbietern, etwa mit Microsoft. Was den Service angeht: Den erhält der Kunde, der sich für eine vBlock-Infrastruktur entscheidet, aus einer Hand, nicht aus dreien, und zwar egal, wo er seine vBlock-Cloud kauft.

CW: Dem Anwender, speziell dem deutschen, scheint der Cloud-Gedanke trotzdem noch nicht so recht einzuleuchten, auch wenn es Interesse gibt. Schließlich muss er das Ganze ja noch mit seinen Anwendungen integrieren.

Gelsinger: Tatsächlich gibt es derzeit Integrationsdefizite, aber daran arbeiten wir. Ein Beispiel dafür ist die Kooperation mit Fluid Operations. Sie soll die SAP-Integration erheblich verbessern. Mit Fluid Ops` eCloud Manager können sich Mittelständler, die keine Unsummen für IT-Beratung ausgeben können, ihre Private-Cloud-Umgebung für SAP am Bildschirm individuell selbst zusammenbauen, ganz den individuellen Bedürfnissen entsprechend.

CW: Bei einer so engen Integration zwischen den vBlock-Komponenten und SAP – läuft das nicht auch auf eine Lösung hinaus, die Sie als vertikal bezeichnen würden?

Gelsinger: Das kann man vielleicht so sehen, aber es vereinfacht die Situation zu sehr. Denn in den meisten Industrien brauchen Sie ganz andere Lösungen zusätzlich zum ERP-System, und durch die kommen dann auch andere Player in die Umgebung.

Der Anwender interessiert sich nicht für Schlagworte wie Cloud Computing

CW: Interessieren den Anwender Schlagworte wie Cloud Computing überhaupt?

Gelsinger: Nicht als solches, aber in ihren Auswirkungen. Wenn Cloud Unternehmen wirklich flexibler macht, und davon sind wir überzeugt, hat der CIO die Chance, aus der Ecke des Kostenmachers endgültig herauszukommen. Dann wäre seine Rolle erheblich attraktiver.

CW: Gerade angesichts Ihrer auf Private Clouds ausgerichteten Strategie scheint manche Akquisition nicht zu passen: Zum Beispiel Iomega, ein Anbieter eher für SMB- und Private Storage.

Gelsinger: Wir sind nach wie vor ein Storage-Anbieter, seit Neuestem mit einem Fokus auf die Private Cloud. Und Iomega stellt solche Storage-Produkte her. Das am stärksten wachsende Kundensegment bei Iomega sind übrigens kleine und mittlere Unternehmen. Auch die werden wir auf Dauer in die Cloud bringen. Ein Beispiel für zukunftsweisende Storage-Produkte aus diesem Bereich ist vClone, eine Lösung, die soeben auf der CES (Consumer Electronics Show) einen Preis bekommen hat. Sie stecken diesen USB-Stick in den PC, ziehen ein Bild von Daten und Anwendungen und können dann auf jedem anderen Rechner mit USB-Port komplett in ihrer eigenen Umgebung arbeiten.

CW: Da wäre noch das Segment Datenmanagement-Services. Zunächst haben Sie den objektorientierten Datenspeicherungsdienst als Service angeboten, jetzt nicht mehr. Für Mozy, einen Backup-Dienst für Privat- und Kleinunternehmen, agieren Sie noch heute als Serviceprovider. Wollen Sie nun Cloud-Serviceprovider werden oder nicht?

Gelsinger: Zunächst bieten wir unseren professionellen Kunden schon lange Dienste wie Support an. Damit machen wir etwa 15 Prozent unserer Umsätze. Atmos gab es eine Zeit lang als Serviceangebot, das ist richtig. Jetzt aber nicht mehr. Der Dienst wird nun nur noch von Serviceprovidern angeboten, die unsere Partner sind. Und Mozy sehen wir in erster Linie als Chance, kleine Unternehmen für die Cloud zu gewinnen. Ansonsten werden wir nicht in das Geschäft mit Service Provisioning einsteigen. Dafür haben wir unsere Partner.

Serviceprovider zu werden, ist nicht das Ziel

CW: Die Hard- und auch die Softwaremargen sinken. Geld lässt sich vor allem mit Services und mit Beratungsleistung verdienen, und auch das wird nicht leichter. Ihr Argument brachte HP auf die Idee, ebenfalls ins Servicegeschäft einzusteigen, bis man schließlich EDS kaufte. Wie lange dauert es, bis Sie umfallen?

Gelsinger: Es wäre für uns absolut nicht sinnvoll, einen großen Berater einzukaufen oder selbst als Serviceprovider aktiv zu werden. Denn die Industrie ist doch dabei, sich umzustrukturieren: Viele der großen Beratungshäuser wurden bereits einem der großen Player einverleibt, wo man als Anwender nun alles aus einer Hand bekommt und es quasi kein Entrinnen mehr gibt.

CW: Und wenn die Anwender das wollen?

Gelsinger: Das erleben wir anders. HP und IBM geraten nämlich gerade in Wettbewerb mit ihrer gesamten Integratoren- und Partnerlandschaft draußen. Der Anwender soll alles bei ihnen analysieren lassen und dann kaufen statt mit dem Integrator vor Ort zusammen zu arbeiten, den er vielleicht seit Jahrzehnten kennt. Achtzig Prozent der Integratoren und Berater sind unabhängig von den Großen, und für die sind wir dank unserer Offenheit und gerade weil wir kein eigenes Serviceprovisioning und umfassendes Beratungsgeschäft im Cloud-Bereich haben, der Partner der Wahl.

CW: Wie passt die Übernahme von Greenplum in Ihre Strategie?

Gelsinger: Greenplum ist eine noch sehr neue Akquisition im Bereich Datenanalyse, an deren Integration wir arbeiten. Das Produkt bringt aber fantastische Leistungen. Beispielsweise hat T-Mobile damit die Daten in seinem Data Warehouse analysiert, das von internen und externen Datenquellen gespeist wird. Ziel war es, herauszubekommen, warum Kunden den Mobilprovider wechseln, damit man anschließend gegensteuern kann. T-Mobile konnte zum ersten Mal feststellen, was der wichtigste Faktor ist, der Kunden zum Wechsel bewegt, nämlich soziale Beziehungen. Wechseln Freund oder Freundin, geht ein Teil des Umfelds mit. So etwas kriegen Sie nur mit einem neuartigen System hin, das unterschiedlichste Datenformate und -quellen analytisch unter einen Hut bringt. Wir sehen hier großes Potential.