HP-Chef Volker Smid im CW-Interview

"Wir haben Marktanteile gewonnen"

19.07.2012 von Jan-Bernd Meyer
Im Juni gab Hewlett-Packard-Chefin Meg Whitman unbefriedigende Quartalszahlen und die Entlassung von weltweit 27.000 Mitarbeitern bekannt. Deutschlands HP-Chef Volker Smid stellte sich den Fragen der COMPUTERWOCHE.

CW: Hewlett-Packard will im Zuge von Restrukturierungsmaßnahmen 27.000 Mitarbeiter entlassen. Was haben Sie denn Ihrer Belegschaft dazu gesagt?

„Die Dimension ist hart. Sie betrifft acht Prozent unserer Mitarbeiter.“ Volker Smid, HP-Deutschland-Chef
Foto: IDG Business Media GmbH

SMID: Diese Dimension ist hart, keine Frage. Sie betrifft acht Prozent unserer Mitarbeiter weltweit, 27.000 Menschen. Aber unsere Branche ist an Veränderungen gewöhnt. Die Maßnahme ist notwendig in einem Geschäft, das sich so schnell verändert. Im ersten Geschäftshalbjahr 2012 ist unser Umsatz zurückgegangen, unsere Kosten aber sind größer geworden. Ich halte es da für richtig, aus einer Position der Stärke heraus Veränderungen zu beschließen. Wir sagen ja auch, dass wir einen großen Teil der so gewonnenen Einsparungen in das Unternehmen reinvestieren wollen. Diese Dinge waren auch das Thema im Gespräch mit der Belegschaft: zu sagen, wo wir investieren müssen.


CW: HP hat sich in den vergangenen Jahren bei Investitionen zurückgehalten, insbesondere bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E). Das wurde dem Unternehmen immer wieder vorgeworfen. Gegenwärtig beträgt der Anteil der F&E-Ausgaben rund 2,7 Prozent – nicht gerade viel.

SMID: Es ist richtig, keine Frage, wir müssen unsere Innovationskraft stärken. Sowohl für die Produkte als auch für die Labs. Sicher müssen wir auch in die Modernisierung unserer Internet-Auftritte und der damit verbundenen Prozesswelten weiter investieren. Aber nach einer langen Phase der Akquisitionen kommt nun automatisch die der Aufräumarbeiten, also der Integration, der Konsolidierung. Und hier gilt eben: Die angesprochenen Einsparungen von drei bis 3,5 Milliarden Dollar durch die Personalreduzierungen werden ebenso in unsere Labs investiert wie auch in F&E in unseren Business-Units.

CW: Die Arbeitsgerichtsbarkeit in Deutschland und Frankreich gilt als besonders rigide. Bedeutet das, dass die Entlassungen in diesen beiden Ländern glimpflicher ausfallen werden als in anderen?

SMID: Nein. Es wäre falsch, so zu denken. Es geht ja nicht darum, einfach eine Maßnahme zu ergreifen. Vielmehr muss diese so sinnvoll wie möglich sein. Die Sinnhaftigkeit solch eines Vorgehens darf sich nicht von der arbeitsrechtlichen Situation in den einzelnen Ländern beeinflussen lassen. Übrigens gibt es – einmal abgesehen von dem Stellenabbau, der natürlich schmerzhaft ist – in diesem Zusammenhang auch positive Nachrichten. So fallen Berichtslinien wieder in die Länder zurück.

CW: Was bedeutet das übersetzt?

SMID: Das bedeutet, dass wir schneller lokale Entscheidungen treffen können als früher.

CW: Heißt das, Sie können mehr selbst entscheiden, oder kommen die Vorgaben aus dem US-Headquarter nun schneller bei Ihnen an?

„Es geht ja nicht darum, einfach eine Maßnahme zu ergreifen.“ Volker Smid, HP-Deutschland-Chef
Foto: IDG Business Media GmbH

SMID: Es ist völlig normal, dass wir uns in zentralen Angelegenheiten an zentrale Richtlinien halten. Zu diesen Richtlinien gehört, dass wir die lokalen Märkte und die Anforderungen unserer Kunden vor Ort kennen. Unternehmen wollen nicht mehr einfach nur Hardware, also Server, PCs, Storage. Unternehmen transformieren ihr Geschäft ja fast genauso schnell wie IT-Anbieter. Unsere Kunden sagen, wir haben ein bestimmtes Ziel, das wir erreichen müssen. Um hier als HP agieren zu können, brauchen wir im Land die Entscheidungsbefugnis, welche Experten wir ziehen und wie wir das zusammen managen. Um das zu können, muss man nicht erst auf übergeordnete Ebenen gehen, das können wir im Land machen. Das ist eine positive Veränderung. Weil wir dadurch schneller werden, im Interesse unserer Kunden.

CW: Sie sagten, dass jetzt die Phase der Integration und Konsolidierung beginnt. Wenn man sich die HP-Geschäftszahlen ansieht, dann zeigt sich in fast allen Produktbereichen: weniger Umsatz, weniger Profit. Ausnahme der Softwarebereich. Hier allerdings haben vor allem Akquisitionen wie etwa von Autonomy die Ergebnisse in ein freundlicheres Licht gerückt. Ähnliche Effekte stellt man im Enterprise-Geschäftsbereich mit den Akquisitionen von 3Com oder 3Par fest: Es sind meist Zukäufe, die Umsatz und Gewinn noch geschönt haben. Schafft es HP nicht mehr, aus seiner eigenen Substanz heraus zu wachsen? Rächen sich hier die geringen F&E-Ausgaben?

SMID: Die Frage ist schwer zu beantworten. Tatsache ist: Wir leben in einem sich konsolidierenden Markt. Ja, das Zugeständnis muss man machen: Es gab eine Phase bei HP, wo wir zu wenig in Innovation investiert haben. Wir haben in dieser Phase Innovation über Akquisitionen eingekauft.

CW: Wobei die Akquisitionen an sich ja gar nicht kritisiert wurden – mal abgesehen von Palm.

SMID: Unter den Akquisitionen waren einige wirklich gute und strategisch wichtige. Nehmen Sie nur als Beispiele 3Par und das Thema Storage oder 3Com im Netzwerk-Business. Mit deren Data-Center-Technik haben wir uns im Rechenzentrum durchgängig positioniert.

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Produktportfolio, Servicegeschäft und Strategien

CW: Wenn man sich die nackten Zahlen von HP ansieht und das Abschneiden der einzelnen fünf Produktkategorien, so weisen diese – Ausnahme Software – alle rückläufige Zahlen auf.

„Unter den Akquisitionen waren einige wirklich gute und strategisch wichtige.“ Volker Smid, HP-Deutschland-Chef
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SMID: Zunächst gilt es zu sagen, dass unser breites Produktportfolio ja die Stärke von HP ist. Was die einzelnen Business Units betrifft: Im Printing-Geschäft kann man einen sogenannten Secular Change feststellen. Das drückt sich in den Zahlen aus. Das liegt möglicherweise auch daran, dass sich das Druckverhalten verändert. Zudem müssen wir auch in einigen Printing-Produktbereichen in Innovationen investieren. Wobei wir in Deutschland in einem rückläufigen Markt weiter Anteile gewinnen. Und im PC-Geschäft haben wir uns sehr gut behauptet.

CW: Weltweit ist der PC-Markt im ersten Quartal nach Gartner um 1,9 Prozent gewachsen, in Europe, Middle East and Africa (Emea) sogar um 6,7 Prozent. Nur in den USA ist er um 3,5 Prozent geschrumpft.

SMID: Aber wir haben Marktanteile gewonnen. Das finde ich positiv – auch wenn daraus noch keine Wachstumsstory wird. Wir sind mit einem Umsatz von fast 40 Milliarden Dollar im PC-Segment klar Marktführer. Und das zeigt auch, dass sich mit PCs Geld verdienen lässt. Andere holen da auf, das aber auf Kosten der Marge.

CW: Das Dienstleistungsgeschäft gehört auch zu den Bereichen, mit denen Sie nicht zufrieden sein können. Im ersten Halbjahr 2012 praktisch keine Bewegung, im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahr sogar eine Verschlechterung.

SMID: Das Servicegeschäft stagniert. Die Aufgabe besteht darin, eine höhere Effizienz zu bekommen. Aber das ist ein Segment, das sich bei den Kunden über zurückgehende Preiskurven definiert. Hier muss man ständig mit Effizienzsteigerungen gegensteuern. Im Markt sind wir gut positioniert. Speziell in Deutschland und im Outsourcing-Geschäft führt kein Weg an HP vorbei. Da sind wir sehr zufrieden.

CW: Aber noch einmal: Sie sagen, HP sei so gut aufgestellt auf breiter Front wie kein anderes Unternehmen. Die Zahlen lassen aber vermuten, dass der Markt, die Kunden, Ihnen das nicht honorieren. Die ersten sechs Monate des laufenden Geschäftsjahres zeigen beim Umsatz in den wesentlichen Produktbereichen nach unten, beim Vorsteuerergebnis sieht es eher noch schlechter aus.

„Von HP kann man zuverlässige Techniken, Services und Innovationen erwarten.“ Volker Smid, HP-Deutschland-Chef
Foto: Hewlett-Packard

SMID: Wenn wir uns die einzelnen Geschäftsbereiche ansehen, dann ist etwa Software im zweiten Quartal um 22 Prozent gewachsen. Im Printing-Geschäft haben wir unzweifelhaft eine Aufgabe. Wenn sich der Umsatz im Druckergeschäft um zehn Prozent reduziert, muss man reagieren. Allerdings muss man da auch auf die allgemeine Marktentwicklung schauen. Im Server-Geschäft haben wir uns sehr gut positioniert. Und das in einem auch für Analysten überraschend rückläufigen Markt. Wir konnten da im ersten Quartal nach Stückzahlen in einem schrumpfenden Markt sogar noch Marktanteile hinzugewinnen und haben nun weit mehr als 40 Prozent Marktanteil.

CW: Laut Gartner hat HP weltweit und in Emea im ersten Quartal teils heftige Rückgänge bei Umsatz und Stückzahlen hinnehmen müssen, wie übrigens die meisten Konkurrenten auch.

SMID: Wenn ich mir Deutschland ansehe, komme ich zu anderen Beobachtungen.

CW: Auch der Umsatz im Enterprise-Geschäft, in dem die Server-Division integriert ist, hat in den ersten sechs Monaten gegenüber dem Vorjahr um gut fünf Prozent nachgelassen.

SMID: Nun, die Harddisk-Shortage hat alle getroffen (wegen der Flutkatastrophe in Thailand, Anm.d.Red.). Aber nehmen Sie den Industrie-Standard-Server-Bereich: Der hat weltweit variierend zwischen 45 und 50 Prozent Anteil am gesamten Server-Markt. Bei Blade-Servern sind das weit über 50 Prozent. Und hier ist zu sagen, dass die Transformation etwa von Unix-Maschinen auf Standard-Server zu 45 bis 55 Prozent auf HP-Maschinen stattfindet.

CW: In Anbetracht der anstehenden strukturellen Veränderungen und der Entlassungen: Was ist von HP in den kommenden Wochen und Monaten zu erwarten?

SMID: Was man von HP immer erwarten kann: zuverlässige Technologie und Services. Und Innovationen – davon bin ich überzeugt. Es gibt keinen Hinweis, dass der Stellenabbau sich auf unsere Segmente oder auf ganze Business-Units auswirken wird. Der Abbau wird in der Breite der Organisation punktuell greifen. Sie werden sich ja an die HP-Aussage von vergangenem Jahr erinnern, wonach wir uns vom PC-Geschäft trennen wollten. Das ist alles vom Tisch. Wir geben eine Bestandssicherung. Wir sind eine Infrastruktur-Company, und das mit ganzem Herzen. Wir können diese Infrastrukturen managen, wir können sie betreiben für Kunden – und daran wird sich nichts ändern. Gleichzeitig werden wir Komplexität reduzieren und verstärkt in Innovation investieren.

CW: Wenn man die letzten Jahre Revue passieren lässt, muss man sagen, dass die strategischen Entscheidungen bei HP nicht gerade nachvollziehbar waren. Nur ein Beispiel: Schon Carleton Fiorina entschied, die PC- und die Druckersparte zusammenzulegen. Ihr Nachfolger Mark Hurd revidierte diese Entscheidung wieder. Jetzt unter Meg Whitman werden beide Bereiche wieder zusammengelegt. Ein anderes Beispiel ist die Akquisition von Palm und das Engagement von HP im Tablet-Segment: erst groß angekündigt, dann fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel. Was ist denn jetzt die Strategie Ihres Unternehmens?

SMID: Wenn man sich einmal von den handelnden Personen löst und von deren Aussagen und etwa bei 2002 beginnend zurückblickt, so gibt es da bei HP eine bemerkenswerte und beständige Richtung, die auch nicht verlassen wurde. Zunächst einmal die Fokussierung auf das IT-Geschäft, die sich durch den Zukauf von Compaq – und damit von Digital Equipment und Tandem – materialisiert hat. Dann hat HP das Softwaregeschäft gezielt gestärkt durch eine Reihe von Akquisitionen.

Dann wurden im Zuge von Cloud Computing wichtige Zukäufe getätigt mit 3Par und 3Com beziehungsweise den Huawei-Komponenten von 3Com, die für das Data Center wichtig sind. Dann haben wir die Richtung unserer Infrastruktur von vertikal auf horizontal ausgerichtet. Die Akquisition von EDS unterstützt uns bei dem Paradigmenwechsel, bei dem IT nicht mehr von den Unternehmen selbst, sondern von Dritten, von Dienstleistern, erledigt wird. In Summe kann man sagen, dass innerhalb von zehn Jahren der weltweit größte Infrastrukturanbieter entstanden ist.