CW: Ihre Firma gehört nicht zu den 100 beliebtesten Arbeitgebern der deutschen Informatikstudenten, so die aktuelle Trendence-Umfrage. Dafür sind Sie zum besten IT-Chef im Mittelstand gekürt worden. Ein gutes Argument, bei Ihnen als Computerfachmann zu beginnen?
BERNHARD: Sehr schade, dass wir bei der Umfrage nicht dabei waren. Wir bieten den Absolventen ein attraktives Arbeitsumfeld - vor allem in der Softwareentwicklung. Die Bewerber, die einmal bei uns reingeschnuppert haben, sind meist begeistert von der Atmosphäre und der Möglichkeit, früh Verantwortung zu übernehmen. Sie können zum Beispiel in einem von elf Produktteams arbeiten, die für 18 Länder verantwortlich sind. Gegenwärtig arbeiten 70 Entwickler, 24 Produkt-Manager und rund 180 weitere Mitarbeiter im Umfeld des Produkt-Managements und der Softwareentwicklung. Das hilft uns dabei, mittlerweile 300 Releases im Jahr umzusetzen.
CW: Das hört sich gut an. Warum sind Sie nicht längt ein Magnet für IT-Profis?
BERNHARD: Bei uns hapert es einen Schritt vorher: Absolventen denken nicht an die Chancen und Freiheitsgrade, die ihnen ein mittelständisches Internet-Portal wie Autoscout24 bietet. Sie wählen dann lieber den bekannten Großkonzern.
CW: Ein guter Chef in einer erfolgreichen IT-Abteilung - das müsste doch ein Garant für spannende Jobs sein...
BERNHARD: Ganz so einfach ist es leider nicht. Zu einem interessanten Job gehören für mich spannende, herausfordernde Aufgaben, ein forderndes und förderndes Arbeitsklima sowie Kollegen und Vorgesetzte, die für den Erfolg brennen. Alles zusammen macht die langfristige Attraktivität aus. Es handelt sich dabei um eine Teamaufgabe und ist nicht nur an einer Person festzumachen.
CW: Sie setzen sehr stark auf agile Methoden. Reicht das als Argument, um IT-Absolventen zu überzeugen?
BERNHARD: Zu der Agilität kommen bei uns auch eine starke Teamorientierung mit Eigenverantwortung und ganzheitlicher Sichtweise hinzu. Wir haben in unseren Teams eine Schiffsglocke hängen. Jeder kann die läuten, wenn ein Problem auftritt. Dann beheben alle Mitarbeiter, die die Glocke gehört haben, das Problem - egal, ob es ihr Job ist oder nicht. Wir brauchen da keine Abteilungsschranken in den Köpfen. Das schafft auf der einen Seite eine gewisse ganzheitliche Verantwortung und damit auch viel Zufriedenheit. Auf der anderen Seite ist ein agiles und ganzheitliches Vorgehen auch nicht für jedermann das ideale Arbeitsumfeld. Die Mitarbeiter, denen das gefällt, sind meist nach kurzem Schnuppern bei uns recht begeistert. Wenn etwas bei uns nicht richtig funktioniert, dann lernen wir daraus und versuchen, besser zu werden. Perfekt sind wir auch nicht.
CW: Wo haben Sie als Mittelständler Vorteile gegenüber Konzernstrukturen?
BERNHARD: Wir arbeiten daran, im Internet-Umfeld neue Märkte zu erobern. Dabei machen wir zwangsläufig Dinge, die noch nicht so viele Leute vor uns probiert haben. Wer das mitgestalten will, ist bei uns genau richtig. Wir haben gerade im recht kontroversen Segment Werkstättenmarkt einen Online-Leistungsvergleich gestartet, der die großen Unterschiede bei Auto-Inspektionen transparent macht. Und wir arbeiten an weiteren Ideen. Zwangsläufig sind unsere Mitarbeiter ganz nah dran am Markt und der Entwicklung. Die Aufgabe ist mit Sicherheit breiter als im Konzern und der persönliche Einfluss auf das Ergebnis auch. Und gerade das erlebe ich als unglaublich motivierend.
CW: Wo sehen Sie als mittelständischer CIO Möglichkeiten, auf Ihr Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber aufmerksam zu machen? Wie wollen Sie den Wettbewerb um die IT-Profis gegen die Konzerne gewinnen, zumal nicht wenige von ihnen überdurchschnittlich hohe Einstiegsgehälter zahlen?
BERNHARD: Wir können nicht warten, dass sich gleich der perfekte Bewerber bei uns meldet und anfangen möchte. Wir müssen früher ansetzen - schon während des Studiums durch Praktika, Diplomarbeiten, Werkstudenten-Tätigkeiten oder Traineeships. Das ist ein wichtiger Hebel, den wir nutzen und zukünftig noch stärker anbieten möchten. Sicher müssen wir im Bewerbermarkt bekannter werden.
Was Bewerber können müssen
CW: Was ist Ihnen als IT-Chef wichtig, wenn es um die Qualifikation der Bewerber geht? Was sollen sie in erster Linie mitbringen?
BERNHARD: Eigentlich sind drei Dinge nötig: erstens ein solides technisches Fundament, und das in einer gewissen Breite. Da helfen besonders Erfahrungen im Internet-Umfeld. Es gibt nicht viele Internet-Portale, die eine so hohe Last fahren wie wir. Das erfordert ein besonderes Gespür und technische Leidenschaft. Zweitens, die Bereitschaft, aktiv etwas mitzugestalten; das fördern und fordern wir. Und drittens muss es auch menschlich passen. Schließlich verbringen wir eine ganze Menge Zeit zusammen im Team.
CW: Wo sehen Sie am ehesten Defizite bei den Kandidaten? Wer sollte lieber nicht im Mittelstand beginnen?
BERNHARD: Am schwierigsten ist es für uns, die richtige Mischung aus Professionalität und Startup-Geist zu finden. Oft gibt es Bewerber, die hochspezialisiert in großen Umfeldern gearbeitet haben, und sich dann bei uns schwertun. Da hapert es am Mindset. Oder andersherum gibt es superagile und engagierte Mitarbeiter aus kleinen Unternehmen, die noch nie Software im größeren Team entwickelt haben. Da hapert es dann am technischen Handwerkszeug. Letzteres ist aber behebbar. Da müssen wir dann einfach noch etwas Zeit und Arbeit in die Weiterbildung investieren. Aber das ist gut angelegtes Geld.
Die erfolgreiche Schwester
Immobilienscout24 gehört mit über 550 Mitarbeitern zu den größten Arbeitgebern der Online-Branche in Berlin und gilt als Tochter der Deutschen Telekom eher als "Dinosaurier der New Economy". Im Wettbewerb "Great Place to Work" belegte das Unternehmen in der Kategorie 500 bis 2000 Mitarbeiter Platz acht, unter den OnlineUnternehmen sind die Berliner sogar die Besten.
Trotzdem muss sich Personalleiter Lars Schmidt anstrengen, um genug Leute zu bekommen. Dabei erfüllt sein Unternehmen viele Kriterien: Es ist eine coole Internet-Firma mit Duz-Kultur, hat kurze Entscheidungswege, setzt Projekte schnell um, ist offen gegenüber Neuem und ermöglicht Einsteigern relativ schnell die Übernahme von Verantwortung.
Umgekehrt hat Schmidt klare Erwartungen an seine Mitarbeiter: "Für mich zählen die Kompetenz, neue Problemräume strukturieren und Lösungen erarbeiten zu können, und Out-of-the-Box-Thinking." Vor allem Kommunikation sei wichtig, wenn in flachen Hierarchien mit kurzen Entscheidungswegen "eigenen Ideen Räume geschaffen und Mitstreiter für sie gewonnen werden müssen". Ohne überzeugende kommunikative Qualitäten sei dies nur schwer möglich, wenn man "wirklich Dinge bewegen will". Wer in dem Online-Unternehmen anheuern möchte, braucht laut Schmidt Eigenschaften wie Neugier, Offenheit, den Blick über den Tellerrand, Experimentierfreude sowie Spaß an der Arbeit mit dem Online-Medium.