Broadcom-DACH-Chef im Interview

"Wir wollen durch Innovation überzeugen"

16.07.2024 von Manfred Bremmer
Bei vielen VMware-Kunden kamen die Veränderungen nach der Übernahme durch Broadcom nicht gut an. Armin Müller, früherer CEMEA-Chef von VMware, stellt sich im CW-Gespräch der Kritik.
Aus Sicht von Armin Müller, VP DACH bei Broadcom, sehen viele Kunden die Veränderungen bei VMware nach dem Merger positiv.
Foto: VMware/Broadcom

Seit Broadcom im Oktober 2023 die finale Genehmigung zur Übernahme von VMware erhielt, ist einiges passiert. Maßnahmen wie der Abkündigung beliebter Lösungen, Preiserhöhungen, der beschleunigten Umstellung auf Abonnement-Modelle und der Neustrukturierung von Verträgen stießen dabei bei vielen Kunden des Virtualisierungsspezialisten auf wenig Gegenliebe. Armin Müller, Ex-VMware-CEMEA-Chef und neuer VP DACH bei Broadcom, stand der COMPUTERWOCHE - unterstützt von Principal Technologist Björn Brundert - Rede und Antwort.

"Wir folgen mit Subscription nur dem Markttrend"

Herr Müller, Nach Ankündigungen wie dem Umstieg auf ein Abomodell gab es ja einige negative Reaktionen von Anwendern, Kunden und Partnern. Ist die Resonanz wirklich so schlecht oder wurde das stark aufgebauscht?

Armin Müller: Ich kann nur widerspiegeln, was wir im tagtäglichen Umfeld mit unseren Kunden und Partnern erleben. Natürlich führt so eine Veränderung, eine Übernahme durch ein Unternehmen, immer zu wilden Spekulationen, gegebenenfalls zu Friktionen. Aber das ist die übliche Unruhe, die herrscht, wenn zwei Unternehmen sich zusammenschließen und Prozesse vereinheitlicht werden.

In Summe aber ist das Geschäft und die Gespräche, die wir aktuell mit den Kunden führen, sehr erfreulich. Wir hatten auch kürzlich die VMUG UserCon 2024 in Frankfurt mit einer absoluten Rekord-Teilnehmerzahl. Das alles zeigt, dass die Kunden im Wesentlichen unsere Sicht teilen, und wir bekommen auch Signale aus dem Markt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Aber es gibt ja schon einschneidende Veränderungen, ich denke da an Meldungen von Unternehmen, deren Lizenzgebühren auf das Zwölffache gestiegen sind und Ähnliches.

Müller: Natürlich kann man immer irgendwelche Dinge miteinander vergleichen und entsprechende Preissteigerungen konstruieren. Was wir tatsächlich getan haben - wir haben das Pricing für unser Premiumprodukt VMware Cloud Foundation (VCF) sogar halbiert, das vergessen die Leute gern.

Und natürlich ist die Umstellung von Perpetual Licencing zu Subscription nicht bei jedem Unternehmen einfach und führt manchmal auch zu Diskussionen. Aber wir folgen da im Grunde nur dem Markttrend. Subskription bietet eben auch viele Vorteile, weil man als Kunde immer die neuesten Updates erhält, quasi immer am Ball bleibt in Sachen Innovation. Es war uns einfach wichtig, hier auf den Industriestandard zu setzen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist ja diese Bündelung von Lizenzen in zwei Pakete, eben die erwähnte VMware Cloud Foundation und die VMware VSphere Foundation. Für Großunternehmen mag das ja schön und gut sein, wenn man aber nur Teile davon braucht, dann ist es ja schon ein Nachteil. Wird das reklamiert?

Müller: Schön, dass Sie sagen, dass die großen Unternehmen das gut finden - genau dieses positive Feedback bekommen wir auch. Wir haben das getan, eben um zu simplifizieren, um Dinge einfacher zu machen. Die Idee von VCF ist im Grunde genommen so eine Art Self Service Private Cloud, um den Kunden eine echte Alternative zu den Hyperscalern an die Hand zu geben. Natürlich positionieren wir das im Bereich der großen Unternehmen und dort wird es uns wirklich auch aus den Händen gerissen.

Daneben haben wir dann auch noch die VVF, das ist im Grunde bereits eine deutlich abgespeckte Version, aber wir bieten nach wie vor für kleine und Kleinstkunden auch im Commercial Bereich vSphere Standard an. Es ist also nicht so - das ist auch eines der Gerüchte im Markt - dass wir die Kunden zwingen würden, ausschließlich auf VCF zu gehen oder dass es nur dieses Produkt gäbe. Wir haben für jede Unternehmensgröße nach wie vor ein Angebot.

Wie ist das mit dem kostenlosen vSphere Hypervisor ESXi? Ist es strategisch klug, so ein Produkt einzustellen, weil man diese Kunden nicht braucht? Auch als künftige Kunden nicht?

Björn Brundert: Die lizenzfreie ESXi ist ja wirklich nur so ein Nischen-Use-Case für ein Homelab, um damit Technologie kennenzulernen. Viel ist nicht dran, denn mehr als eine VM auszuführen, ist damit nicht möglich. Es gibt weder die Management-Fähigkeiten vom vCenter, noch APIs. Es war also von den Einschränkungen nie ein Produkt oder ein Tool im Baukasten, um sich riesig weiterzubilden.

Björn Brundert, Principal Technologist VMware CEMEA
Foto: VMware/Broadcom

Wer so etwas vorhat, für den bietet etwa die VMUG ein eigenes Programm namens VMUG Advantage, wo man als Mitglied tatsächlich ein Portfolio von 20 VMware-Produkten für eine Jahresgebühr von um die 200 Euro bekommt, inklusive Rabattcode für Trainings und Zertifizierung.

"Analysten sagen ja immer viel"

Analysten sagen ja, dass Broadcom gerne für eine höhere Marge auch niedrigere Umsätze in Kauf nimmt. Was ist dran an dieser Aussage?

Müller: Analysten sagen ja immer viel und es muss ja nicht immer unbedingt stimmen. Die Zielsetzung von uns ist einfach die, das Produkt weiterzuentwickeln und zu simplifizieren. Deshalb auch diese VCF- und VVF-Thematik, die Sie vorhin schon angesprochen haben, um dem Kunden Value zu bringen. Dass wir damit auch unsere Ziele erreichen und wachsen wollen, ist ja selbstverständlich. Nur wenn Sie profitabel sind, haben Sie das Geld, um weiter Innovationen zu fahren. Da sind wir keine karitative Einrichtung - es ist natürlich unser Ziel, profitabel zu wachsen und das auch dem Kunden zurückzugeben.

Apropos Firmenpolitik: Broadcom war ja lange auf Tauchstation, was jetzt die Kommunikation anging - abgesehen davon, dass CEO Hock Tan hin und wieder einen Blogeintrag machte, um die Wogen etwas zu glätten. Wird die Kommunikation jetzt wieder intensiver aufgenommen?

Müller: Ja, ein Beispiel ist quasi schon das Interview, das wir hier führen. Zweitens führen wir natürlich intensive Gespräche mit unseren Kunden und Partnern. Man kann über unsere Art zu kommunizieren, diskutieren. Aber wir sind sehr nah an unseren Kunden, wir sind sehr nah an unseren Partnern, wir sind sehr nah an der Industrie und das wird auch weiter so bleiben.

Es gibt ja im August wieder eine VMware Explore in Las Vegas und dann im November auch wieder eine Hausmesse in Barcelona. Wie glauben Sie, werden sich die Messen verändern?

Müller: Bereits letztes Jahr im Herbst fand ja die Explore im Grunde schon mit dem Thema statt, die Übernahme durch Broadcom war zu dem Zeitpunkt absehbar. Wir haben bereits unheimlich viel positives Feedback von Kunden und Interesse an einer Teilnahme. Ich gehe also davon aus, dass die Messe in ähnlich erfolgreicher Art und Weise ablaufen wird, wie in der Vergangenheit.

VMware steht ja auch etwas unter Druck zu beweisen, dass es unter Broadcom neben Einsparungen auch weiter Innovation gibt…

Brundert: Sorry, wenn ich da jetzt reinspringe, aber was die Technologie-Innovation angeht, gab es ja mit VCF 5.2 bereits die erste Ankündigung unter dem neuen Besitzer. In dem Release stecken auch wirklich große Änderungen, gerade was den Fokus Simplifizierung im Betrieb angeht. Dieser Mehrwert von VCF als Private Cloud Plattform - das ist es, was die Nutzer am Ende des Tages interessiert. Das war auch der Grund, warum bei der UserCon in Frankfurt so viel los war.

Der Fokus auf die Technologie, die Weiterentwicklung - das ist ja das, was auf der VMware Explore als Innovationskonferenz auch immer wieder vorgestellt wurde und dafür kommen die Leute dahin und ich glaube, an dem Thema ändert sich ja nichts.

"Wir sehen das Thema Lock-in nicht"

Für viele Kunden war ja die Übernahme durch Broadcom eine Warnung, dass man nicht nur auf einen Vendoren setzen sollte. Merken Sie das im Markt und gibt es Tendenzen seitens VMware, da den Kunden durch mehr Offenheit etwas die Angst zu nehmen?

Müller: Unsere Zielsetzung, das hab ich ja vorhin schon gesagt, ist das Thema Simplifizierung - Dinge einfacher zu machen, schneller zu machen. Das ist auch eine der Kompetenzen von Broadcom und eine der Stärken, und zwar sowohl im Produktbereich als auch im Go to Market. Das führt natürlich dazu, dass manche mit der einen oder anderen Entwicklung nicht ganz glücklich sind.

Unser Ziel ist, eine echte Alternative zu den Hyperscalern zu bieten. Wir sehen von da her das Thema Lock-in nicht, sondern wollen dem Kunden eine Wahlmöglichkeit geben: Die Option, eine Self Service Private Cloud aufzubauen, und dann auch die Möglichkeit, die Software zu portieren, also die Software auch im Hyperscaler-Bereich zu nutzen, sehr einfach von A nach B zu gehen und ihm damit eben auch Choice zu geben und Flexibilität.

Und ganz wichtig ist dabei wieder Simplifizierung: Es muss ganz einfach und ganz schnell gehen, es muss voll integriert sein. Das ist unsere Zielsetzung, da investieren wir jetzt. Und auch das Go to Market muss einfach sein: Wir hatten in der Vergangenheit eine ganze Reihe von Channel- Konflikten, die immer wieder zu Unruhe geführt haben. Das ist jetzt alles bereinigt worden, aber so etwas führt natürlich immer zu Bewegung im Markt und dazu, dass Leute sich beschweren, weil Dinge sich ändern. Aber so wie ich das aktuell wahrnehme und als Feedback von Kunden bekomme, ändert sich alles zum Guten. Auch, weil es einfach klarer ist: Wer ist für was zuständig? Was ist die Produktstrategie? Wo wird wirklich investiert? Wir sehen jetzt auch schon in der Roadmap für VCF, dass da unheimlich viel passieren wird - ohne Ihnen Details geben zu können.

Okay, VCF als eine Alternative zu den Hyperscalern - es gibt aber natürlich auch noch eine andere Art der Technologieoffenheit.

Brundert: Die Frage ist ja: Was baue ich und was brauche ich? Was uns die Kunden über die letzten Jahre gesagt haben, ist, dass sie als IT-Anbieter innerhalb eines größeren Konzerns den Fokus selbst setzen müssen. Nämlich auf das, was sie in ihrer eigenen Firma differenziert. Voraussetzung dafür ist, die Zeit, die Ressourcen, das Fachwissen zu haben und sich mit den unternehmensspezifischen Herausforderungen so auseinanderzusetzen, dass die IT das unterstützt. Das ist das, was wir mit VCF beschleunigen, das heißt, wir liefern ein Produkt, das diese Fähigkeiten zusammenbringt.

Gleichzeitig ist aber jetzt VCF nicht irgendein ominöses, verschlüsseltes Ding, ganz im Gegenteil: VCF bringt die Fähigkeit, Workloads auszuführen und wenn ich die Workloads einmal in Kubernetes gebaut habe, kann ich die natürlich auch woanders ausführen.

Wir stellen diese Plattform zur Verfügung, aber es gibt Tools, um die Kontrolle von A nach B zu deployen. Es gibt auch immer diese Möglichkeit, die virtuellen Maschinen zu konvertieren und woanders auszuführen.

Es ist also nicht so, dass der Lock-in bedeutet, dass ich da nicht mehr rauskomme - das ist was anderes, als sich auf irgendein hochspezialisiertes Framework einzulassen, das keine Portabilität erlaubt. Aber das ist ja eine Sache, wo sich Kunden auch fragen: Wie sieht meine Cloud-Strategie heute eigentlich aus und wie kriege ich diese Flexibilität hin?

Der andere Trend neben den Hyperscalern und neben dem ganzen KI-Thema, ist ja auch, dass Cloud- Fähigkeiten an mehr Orten gebraucht werden und die riesigen Datenmengen, die ich vielleicht für KI in meinem eigenen Kontext nutzen möchte, auch verarbeitet werden müssen. Das geht auf eigener oder selbst gemanagter Infrastruktur teilweise günstiger als zum Beispiel an einem zentralen Ort. Gleichzeitig glauben wir, dass die Offenheit für weitere KI-Modelle, die da noch entstehen, in den nächsten Jahren genauso wichtig ist. Den Kunden diese Offenheit zu lassen, ist Teil unserer Strategie.

Müller: Sie sehen ja an unserem Subskriptionsmodell, dass wir dem Kunden ein hohes Maß an Flexibilität geben. Wir wollen ihn nicht mit Tricks zu irgendeinem Lock-In verführen oder ihn in irgendeiner Form einsperren, sondern wir wollen durch Innovation überzeugen und jeden Tag neu am Markt beweisen, dass wir die richtige Alternative sind.