Alexander Kubsch, TechConsult

Wo der Mittelstand IT-Potenzial verschenkt

11.06.2008 von Peter Gruber
Alexander Kubsch, Analyst bei Techconsult, erklärt im Interview mit Computerwoche.de welche Rolle der Mittelstand für den deutschen ITK-Markt spielt und wo in mittelständischen Unternehmen häufig noch IT-Defizite liegen.

CW: Welche Rolle spielt der Mittelstand für den deutschen ITK-Markt?

KUBSCH: Definiert man den Mittelstand als die Gruppe der Unternehmen, die zwischen zehn und 500 Mitarbeiter beschäftigen, dann entfallen auf den gesamten deutschen ITK-Markt, das heißt das Geschäft mit Hardware, Software, ITK-Services und Verbindungsentgelten ein Anteil von 36 Prozent. Das entspricht einer Summe von 33,2 Milliarden Euro, die der Mittelstand im Jahr 2007 für Informationstechnik und Telekommunikation ausgegeben hat.

CW: Welche IT-Bereiche sind für den Mittelstand von besonderer Relevanz und welche Motive stehen bei Investitionen im Vordergrund?

Kubsch: Nur 42 Prozent der mittelständischen Unternehmen planen ihre Investitionen in die IT.
Foto: Alexander Kubsch

KUBSCH: Man muss berücksichtigen, dass der Mittelstand kein homogenes Gebilde ist, sondern eine Ansammlung von Spezialisten in ihren jeweiligen Branchensegmenten. So unterschiedlich die Branchen sind, so unterschiedlich sind auch die Anforderungen an die IT und die Motive, die verschiedenen IT-Lösungen zu betreiben. Ein mittelständischer Automobilzulieferer muss zum Beispiel eine IT betreiben, die ihm eine möglichst nahtlose Kommunikation beziehungsweise Integration mit den großen Herstellern erlaubt. Für ein Handelshaus, das sich im Online-Geschäft engagiert, stellen sich ganz andere Anforderungen.

Trotz dieser Verschiedenheiten gibt es jedoch Themen, die den gesamten Mittelstand betreffen und für die TechConsult eine überdurchschnittliche Entwicklung festgestellt hat. Nach dem Marktwachstum beurteilt, steht Voice over IP (VoIP) ganz oben auf der Liste. Hiermit verbinden die Unternehmen hohe Kostensenkungspotenziale in Verbindung mit einer flexibleren und leistungsfähigeren Sprachkommunikation. Aufgeschreckt durch die vielfältigen Bedrohungsszenarien stehen IT-Security-Lösungen an zweiter Stelle. Das permanent und stark wachsende Datenaufkommen in Verbindung mit den sinkenden Preisen treibt zudem die Nachfrage nach Speicherlösungen stark an. Fast untrennbar damit verbunden ist das Interesse an Software, die eine Nutzbarmachung der Daten verspricht. Dazu zählen Enterprise-Content-Management-Systeme (ECM) oder Business-Intelligence-Werkzeuge (BI). In aller Regel steht der Wunsch, Transparenz über die im Unternehmen vorhandenen Daten zu erlangen und das damit verbundene Wissen zu erschließen, hinter diesem Interesse.

CW: Welche Geschäftsfelder können durch den Einsatz von IT besser erschlossen oder gänzlich neu besetzt werden?

KUBSCH: IT kann vorwiegend helfen, das eigene Kerngeschäft besser zu betreiben. Dazu zählen vor allem die Erschließung neuer Märkte, die schnellere Entwicklung neuer Produkte und die Erhöhung der Qualität.

CW: Wie kann man mittelständische Unternehmen von den Vorteilen des Einsatzes effizienter IT überzeugen?

"In vielen Unternehmen hat ein Generationswechsel stattgefunden"

KUBSCH: Die Frage, inwieweit IT effizient ist, lässt sich aus verschiedenen Blickwinkeln unterschiedlich beantworten. In jedem Unternehmen muss sich das Management regelmäßig die Frage stellen, welchen Beitrag die Unterstützungsfunktionen, zu denen die IT in aller Regel gehört, zum Firmenerfolg beisteuern und wie dieser verbessert werden kann. Diese Frage wird Diskussionen zwischen IT-Nutzern in Fachabteilungen und der IT-Abteilung selbst forcieren, wodurch - eine gute Moderation vorausgesetzt - sich die Chancen und Probleme einer effizienten IT herauskristallisieren.

CW: Hat sich der Stellenwert von IT in Unternehmen in den letzten Jahren gewandelt?

KUBSCH: Aus verschiedenen Gründen eindeutig "ja": In vielen Unternehmen hat ein Generationswechsel stattgefunden und Mitarbeiter in Führungspositionen gebracht, die mit IT aufgewachsen sind und die Chancen und Möglichkeiten von IT besser einschätzen können. IT ist für Mittelständler bezahlbar und greifbarer geworden. Nicht zuletzt auch dadurch, dass die Anwendungsfälle vielfältiger werden und der Druck zunimmt, sich mit anderen Unternehmen zu integrieren - angefangen vom einfachen E-Mail-Austausch bis hin zur voll integrierten Lieferkette etc.

CW: Wer entscheidet in mittelständischen Firmen über IT-Investitionsplanungen?

KUBSCH: Unsere Studie "IT im Mittelstand" hat gezeigt, dass in der Gruppe der Unternehmen mit 20 bis 499 Mitarbeitern gerade einmal bei 42 Prozent der Betriebe überhaupt eine IT-Investitionsplanung stattfindet. Vielfach verfügt die Geschäftsführung direkt über ein Großteil des Budgets - im Fall von innovativen "Projekten" muss sie sowieso das finale OK geben.

CW: In welchen IT-Bereichen weist der Mittelstand Ihrer Einschätzung nach Defizite auf, die beseitigt werden sollten?

KUBSCH: Aus verschiedenen Gründen ist IT in den letzten Jahren nicht einfacher geworden und sind die Anforderungen an die IT meist zusätzlich noch gestiegen. In diesem Spannungsfeld wird die mittelständische IT-Organisation sehr oft zerrieben, was demotivierte IT-Mitarbeiter zur Folge hat. Ohne die aktive Mitarbeit der IT-Fachkräfte lassen sich die Potenziale der IT jedoch nicht erschließen. Vor diesem Hintergrund sollten Mittelständler über ihre "Wir-machen-alles-selbst"-Mentalität nachdenken, und sich gegebenenfalls auch mit externer Hilfe neue Sichtweisen und Strategien erarbeiten. Es muss nicht immer gleich der große Outsourcing-Deal sein. Ein Workshop zur Bestandsaufnahme zeigt oft genug schon Potenziale auf und kann einen Weg der kleinen Schritte zur kontinuierlichen Verbesserung aufzeigen.