Cloud, Computertomografie, Netzwerkdesign

Woran IT-Überflieger an Unis forschen

02.07.2010 von Alexandra Mesmer
Junge Forscher schätzen das freie Arbeiten. Mit klaren Strukturen der Mathematik und Informatik wollen Christoph, Maria und Tim den Alltag verbessern.

Christoph und der Spaß am Komplizierten

Ruhiges Liegen hat bei Untersuchungen im Computertomographen höchste Priorität. Doch Patienten mögen sich noch so sehr bemühen, die Atmung geht weiter, das Herz schlägt. Ein normales Foto wäre einfach verwackelt; doch hier ist womöglich ein Tumor nicht sauber dargestellt - ein medizinisches Problem, das Christoph Brune mathematisch löst. Der 27-jährige Doktorand an der Uni Münster entwickelt Verfahren zur Bildrekonstruktion und -verarbeitung so weiter, dass jede Bewegung unmittelbar einberechnet wird. In nur einem Arbeitsschritt erhält ein Arzt dann eine klare Darstellung - die im Extremfall schnelle und lebensrettende Diagnosen ermöglicht.

Christoph Brune, Doktorand an der Uni Münster, forscht über die 4D-Bildrekonstruktion und Bildverarbeitung in der Tomographie.
Foto: Christoph Brune

Brune forscht am Institut für Numerische und Angewandte Mathematik der Universität Münster. Unterstützt wird er dabei von der Deutsche Telekom Stiftung, die speziell Doktoranden und Nachwuchslehrkräfte der MINT-Fächer fördert (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik).

Schon als Jugendlicher hat Brune in der Freizeit an Computern gebastelt. Nach dem Abitur im nordrhein-westfälischen Borken und dem Zivildienst begann er ein Informatikstudium: "Ich habe aber schnell gemerkt, dass Informatik und Mathematik kaum voneinander zu trennen sind. Und beides hat mir viel Spaß gemacht - das Programmieren wie die klaren Strukturen der Mathematik", sagt der Doktorand. Daher entschloss er sich, beide Fächer parallel zu studieren und so in der Zeit von einem abzuschließen.

Die Diplomarbeit zur mathematischen Bildverarbeitung bediente entsprechend beide Fächer und führte zur Doktorarbeit "4D-Bildrekonstruktion und Bildverarbeitung in der Tomographie und optischen Nanoskopie". Brune: "Es macht mir sehr viel Spaß, mich intensiv, detailliert und ausdauernd mit komplizierten Fragen zu beschäftigen." Ein Motor dieser Motivation sei die Chance, Dinge zu erforschen, die bislang niemand gefunden hat und die alltägliche Anwendungen zum Teil deutlich verbessern. Dabei spielt das freie Forschen eine zentrale Rolle, aber auch das interdisziplinäre Arbeiten zum Beispiel mit Medizinern und Biologen sowie der Austausch mit Wissenschaftlern weltweit: "Man erhält ganz neue Betrachtungsweisen und lernt viel von anderen Kulturen kennen." An der Mathematik und Informatik schätzt Brune die Eindeutigkeit: "Viele Dinge lassen sich einfach klären, indem man sie berechnet und am Computer überprüft.

Marias Liebe zur Mathematik

Klare Strukturen sind es auch, die Maria Kandyba-Chimani faszinieren. Mathematik sei so logisch und konsequent. Vor 13 Jahren kam sie mit ihren Eltern und dem Bruder aus St. Petersburg nach Deutschland. Die jüdische Familie nutzte ein Angebot der Bundesregierung, um sich hier eine Existenz mit besseren Chancen für die Kinder aufzubauen.

Maria Kandyba-Chimani, Doktorantin an der TU Dortmund, entwickelt Algorithmen, die Strom- oder Wassernetze verbessern.
Foto: Anna Chimani

Schon in Russland hatte Maria Kandyba-Chimani Deutsch gelernt - und sich sehr für Mathematik interessiert. "Ich habe mich in dem Fach einfach sehr wohl gefühlt", sagt die Forscherin. Auf das Abitur (1,7) am Gymnasium in Bochum folgten das Mathematik- und Informatikstudium in Köln sowie die Doktorarbeit am Informatik-Lehrstuhl von Professor Petra Mutzel an der TU Dortmund, wo sie auch durch ein Stipendium der Deutsche Telekom Stiftung unterstützt wird. Maria Kandyba-Chimani: "In meinem Spezialgebiet der Optimierung fasziniert es mich, dass man alltägliche Probleme und Zusammenhänge abstrakt formulieren kann und durch die mathematische Vorgehensweise erstaunliche Verbesserungen zu den bisherigen Lösungswegen erhält."

Zum Beispiel in der Versorgung: Strom muss fließen, Gas oder Wasser auch. Schon kurzfristige Unterbrechungen können ganze Arbeitsabläufe torpedieren oder Kunden verärgern. In der Telekommunikation oder bei der Energieversorgung verbinden physikalische Leitungen eine Vielzahl von Kunden, Straßenkreuzungen, Routern oder anderen Knotenpunkten. Informatiker sprechen von so genannten topologischen Netzwerkdesignproblemen, die es optimal, also auch kostengünstig, zu lösen gilt. Während noch vor kurzem nur Problemstellungen mit weniger als 100 Objekten optimal berechnet werden konnten, erlauben die von Maria Kandyba-Chimani entwickelten Algorithmen optimale Lösungen für Instanzen mit mehreren Tausend Objekten.

Die 29-jährige Wissenschaftlerin hofft, ihre Arbeit bis Ende des Jahres abschließen zu können, da dann das Stipendium der Telekom Stiftung ausläuft. Die Mutter eines neun Monate alten Sohnes ist froh über die finanzielle und ideelle Unterstützung: "Auch zur Schwangerschaft habe ich nur positive Kommentare von der Stiftung gehört."

Tims Traum von der Karriere als Forscher

Tim Kiefer sieht neben der industriellen Forschung auch eine akademische Laufbahn als Optionen für den weiteren professionellen Werdegang. Das erfordert zwingend die Promotion, aber der 26-jährige Doktorand an der Technischen Universität Dresden räumt auch ein, dass es ihm schon aus persönlichem Ehrgeiz wichtig war, einen akademischen Grad zu erlangen.

Tim Kiefer, Doktorand an der TU Dresden, befasst sich mit Cloud-Infrastrukturen.
Foto: Tim Kiefer

Kiefer ist auf Datenbanken spezialisiert, ein zentrales Forschungsgebiet der Informatik, und befasst sich mit Cloud-Infrastrukturen, also dem Zusammenschluss sehr vieler Rechner, die über ein Netzwerk kommunizieren. Hintergrund ist die Komplexität vieler Abläufe. Auch wenn viele Menschen gemeinsam arbeiten, braucht es klare Strukturen, perfekte Kommunikation und möglichst gleichmäßig verteilte Arbeitslasten, um zu einem guten Ergebnis zu kommen. Nichts anderes gilt, wenn Aufgaben so umfangreich werden, dass ein einzelner Computer sie nicht mehr berechnen kann. Eine Lösung sind Cloud-Infrastrukturen.

"Allein der Umsatz klassischer Datenbanken lässt sich auf acht Milliarden Dollar pro Jahr beziffern", erklärt Kiefer. Angesichts der Weiterentwicklung des Netzes zum "Internet der Dienste" beschäftigt den Nachwuchswissenschaftler insbesondere die Auslastung von Clouds unter Berücksichtigung zugesicherter Qualitätsstandards: "Wir untersuchen, welche Anwendungen gleichzeitig laufen können, ohne sich zu behindern." Je optimaler ein System läuft, um so weniger Kosten fallen für Anschaffung, Wartung und Betrieb an; darüber hinaus spart das Abschalten nicht benötigter Bereiche Cloud-Strom.

Dahinter verbirgt sich ein hoch-komplexer Rechenvorgang - für den Stipendiaten der Deutsche Telekom Stiftung, der unter anderem im IBM Silicon Valley Lab in San Jose (Kalifornien) forschte, eine erfreuliche Herausforderung: "Die Mathematik hat den Vorteil, dass sie sehr logisch ist, sehr nachvollziehbar und mit kurzen Worten sehr ausdrucksstark." Schon zu Schulzeiten überzeugte Kiefer bei der Mathe-Olympiade, bei "Jugend forscht" und im Bundeswettbewerb Informatik. Auf das Abitur mit der Note 1,0 im mathematisch-naturwissenschaftlichen Spezialschulteil am Albert-Schweizer-Gymnasium in Erfurt folgten das Mathe- und Informatikstudium, jetzt die Promotion - und Doktorvater Professor Wolfgang Lehner prognostizierte der Stiftungs-Jury eine "exzellente wissenschaftliche Promotionsarbeit".