Von der Turnschuhtruppe zum Top-Team

Zehn Schritte zum besseren User-Support

10.09.2003 von Wolfgang Miedl
Unternehmen jeder Größe hängen heute von einer funktionierenden IT ab. Umso wichtiger ist es, Ausfälle von PCs oder Servern durch den Aufbau einer internen oder externen Servicestelle so weit wie möglich zu minimieren. Denn stehen die PCs still, ruht meist auch der Geschäftsbetrieb.

1. Kein Anschluss unter welcher Nummer?

PCs sind in unserer Arbeitswelt so selbstverständlich, dass wir sie oft erst wahrnehmen, wenn sie uns im Stich lassen. So reicht heute beispielsweise der Ausfall eines E-Mail-Servers aus, um den Geschäftsbetrieb in vielen Firmen lahm zu legen - von noch wichtigeren Geschäftsanwendungen ganz zu schweigen. Schnelle Hilfe ist dann oberstes Gebot, um den Schaden in Grenzen zu halten. Dem Anwender ist es dabei in der Regel egal, wer den Defekt behebt. Er sollte aber zumindest wissen, an wen er sich wenden muss. Dazu sind eine einheitliche Telefonnummer und Mail-Adresse erforderlich, die als zentrale Anlaufstellen für alle IT-Probleme eingerichtet werden. Beides muss natürlich so kommuniziert werden, dass auch wirklich alle Mitarbeiter wissen, an wen sie sich im Notfall wenden müssen.

2. Outsourcing, Inhouse- Support oder was?

Support-Kosten stellen für ein Unternehmen einen immensen Kostenfaktor dar. Nach einer Schätzung der Gartner-Group schlägt ein einziger Support-Fall mit 30 bis 35 Dollar zu Buche. Angesichts des allgegenwärtigen Sparzwangs versucht man, auch die Serviceausgaben zu reduzieren, wobei hier die unterschiedlichsten Strategien zum Einsatz kommen. In der Praxis hat sich zwischen den beiden Polen Outsourcing und Inhouse-Support eine Reihe von Mischformen etabliert. Manche Firmen wie die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) lagern beispielsweise nur den Hardware-Support aus. Outsourcing birgt allerdings auch gewisse Risiken für den Auftraggeber. So ergibt sich etwa immer wieder Streit über die Qualität der Dienstleistung. Mit Service Level Agreements (SLA) in Form möglichst klarer vertraglicher Vereinbarungen über die zu erbringende Dienstgüte versucht man heutzutage, derartige Probleme in den Griff zu bekommen.

Doch es bleiben Tücken: Durch einen Service- Vertrag unterliegt ein Unternehmen möglicherweise Beschränkungen hinsichtlich der Nutzung der eingesetzten Technologien. Konnte man vorher frei über seine Hard- und Software verfügen, müssen im Rahmen eines SLA gewisse Regeln eingehalten werden. Ehemals einfache IT-Entscheidungen wie etwa der Wechsel auf ein neues Betriebssystem können sich plötzlich als komplizierte Prozedur entpuppen. Zu den kritischen Fragen dabei zählt, ob der Outsourcer das neue Release überhaupt unterstützt, ob er ein schnelles und problemloses Ausrollen garantiert und ob die Umstiegskosten nachvollziehbar sind. Ein weiterer kritischer Punkt ist die Bewertung der Einhaltung von SLAs: Die Qualität der Dienstleistung kann eigentlich nur von den Betroffenen, den Anwendern, beurteilt werden. Die jedoch lesen keine SLAs und wissen daher gar nicht, nach welchen Kriterien sie den Help-Desk beurteilen sollen. Zudem fehlt es im traditionell schlank organisierten Mittelstand meist an Kapazitäten für ein entsprechendes Vertrags-Controlling.

3. Help-Desk trägt zur Wertschöpfung bei

Support-Mitarbeiter haben eigentlich einen undankbaren Job: Von der Belegschaft werden sie nur wahrgenommen, wenn etwas nicht mehr geht, dann erwartet man von ihnen aber eine perfekte, schnelle Leistung. Das Management sieht den IT-Service hingegen meist als lästigen Kostenfaktor. Help-Desk-Experten wie der britische Berater Noel Bruton raten zu einer Gegenstrategie, die den Help-Desk - ob intern oder extern - als eine Abteilung mit einer nachweisbaren Wertschöpfung betrachtet. Auf seiner Web-Site bietet er hierzu eine Berechnungsmethode an, die auf einem „Algorithmus zur verlorenen User-Produktivität“ basiert. Anhand dieser Anleitung, die in zwei Varianten für interne sowie externe Dienstleister vorliegt, können sich IT-Verantwortliche, aber auch Controller oder Geschäftsführer ausrechnen, wie viel mehr Umsatz ein Unternehmen hätte machen können, wenn Support-Anfragen schneller bearbeitet worden wären. (http://www.bruton.win-uk.net/ indexes/fhcindex. htm)

Darüber hinaus bietet Bruton eine Definition an, derzufolge der Help-Desk nicht als Pannenhelfer- Truppe, sondern als Unternehmen im Unternehmen zu sehen ist. So gebe es eine quantifizierbare Nachfrage, Kosten und einen ROI (Return on Investment) sowie Rohstoffe (technisches Wissen), die mittels eines Verarbeitungsprozesses zur Generierung eines Mehrwerts dienen, einen Auslieferungszustand (Lösung des Problems) sowie einen Wettbewerb in Form von Selbsthilfe der User oder Outsourcing-Unternehmen.

4. Erst planen, dann helfen

Benutzerservice ist keine rein technische, sondern eine strategische Aufgabe. Auch wenn die IT-Hilfe von außen nach wie vor als technische Turnschuhtruppe wahrgenommen wird, die Druckertreiber installiert oder Programmfunktionen erklärt, so kann diese Dienstleistung erst unter Berücksichtigung der nicht offensichtlichen Faktoren effizient angeboten werden. Zu den unverzichtbaren Grundlagen für einen bezahlbaren und reibungslos funktionierenden Benutzerservice gehören ein zentral administrierbares System-Management sowie ein Fernzugriff auf alle Client- und Server-Systeme. Management- Tools wie „Netinstall“ von Netsupport, „Garibaldi“ von Inosoft oder die „Client Management Suite“ von Altiris dienen einerseits dazu, Hardware und Software im Unternehmen zu identifizieren und zu verwalten, andererseits können damit von zentraler Stelle aus Softwarepakete verteilt und defekte Clients per Mausklick wiederhergestellt werden. Weiß ein Anwender in einer unternehmenskritischen Anwendung nicht mehr weiter und benötigt Hilfe, muss sich kein Support-Mitarbeiter mehr auf den Weg machen - mit einer Fernsteuer-Software wie dem in Windows XP bereits integrierten „Remotedesktop“ oder „PC Anywhere“ von Symantec schaltet er sich einfach als Trainer auf den Desktop des Hilfesuchenden. Gerade in kleinen Unternehmen helfen solche Maßnahmen, viel Zeit und Kosten zu sparen, indem der Dienstleister seine Aufgaben ferngesteuert durchführt und nicht mehr vor Ort erscheinen muss.

Wichtig ist, dass Prozesse definiert werden, die die Effizienz des Help-Desks steigern. Ein gut funktionierender Desktop-Support leistet mehr als nur das Beheben von Anwenderproblemen und das Beantworten von Fragen. Zu unterscheiden ist dabei zwischen zwei Typen von Benutzerservice: dem proaktiven und dem reaktiven. Ein proaktiver Service ist darauf ausgerichtet, Probleme von vornherein zu verhindern, indem beispielsweise Standards für Hardware- und Software-Konfigurationen entwickelt werden, die den Service und die Wartung vereinfachen. Auch sollten Prozesse eingeführt werden, die flexibel auf wechselnde Bedürfnisse von Abteilungen reagieren können. Reaktive Help-Desks bearbeiten jedes Anwenderproblem unmittelbar und behandeln es als isolierten Einzelfall. Das Risiko dabei ist, dass dem Help-Desk aufgrund fehlender Planung und Infrastruktur die Probleme über den Kopf wachsen.

5. Dienstleister IT hat den Mitarbeitern zu dienen

Man kann es nicht oft genug betonen: Der Benutzerservice ist in allererster Linie ein Dienstleister für die Mitarbeiter des Unternehmens, der bei schlechten Leistungen gewechselt werden kann (und sollte). Dem Help-Desk - und letzten Endes der IT-Organisation - muss klar sein, dass eine funktionierende IT untrennbar mit dem Wohl und Wehe eines Unternehmens in Verbindung steht. Daher hat er alle seine Ziele und Aufgaben dieser Prämisse unterzuordnen und dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter zu jeder Zeit auf ihrem Schreibtisch über ein funktionsfähiges Werkzeug verfügen. Es muss ihnen ermöglichen, ohne Unterbrechung unternehmenswichtige Aufgaben zu erledigen - so wie man erwarten kann, dass das Licht in den Büros brennt. Falls diese Benutzer inkompetent sind, regelmäßig ihre PC-Konfigurationen und Anwendungen zerschießen und Ratschläge ablehnen, ist das nicht das Problem der Mitarbeiter sondern das der IT. Mit den heute verfügbaren Tools können große wie kleine Defekte einfach analysiert und behoben werden. Auch wenn dabei sinnvollerweise eine Priorisierung nach Mitarbeiterfunktion vorgenommen wird, kann die durchschnittliche Qualität der Dienstleistung hoch sein. Viele andere Alltagsprobleme der IT lassen sich darüber hinaus durch Training vorbeugend beheben.

6. Die Anwenderzufriedenheit bestimmt das Image der IT

Der Benutzerservice ist das Gesicht der IT gegenüber den Mitarbeitern - vergleichbar mit dem Verkaufspersonal in anderen Branchen. Anwender beurteilen die Professionalität und die Leistung der gesamten IT-Organisation nach der Servicequalität des Help- Desks. Entsprechend ernst sollten die IT-Verantwortlichen die Unterstützung der Anwender nehmen - und für Dienstleistungen im Feld die entsprechenden Qualifikationen der Support-Mitarbeiter berücksichtigen. Es kommt dabei nicht nur auf die technischen Kompetenzen an, sondern auch auf kommunikative Fähigkeiten. Pannen wie etwa Support-Engpässe stellen eine Gefahr für die Kundenzufriedenheit dar - ihre Vermeidung sollte daher Teil einer strategischen Planung sein. Probleme beim User-Support können sonst sehr schnell dazu führen, dass die Reputation der gesamten IT in Mitleidenschaft gezogen wird.

7. Standardisieren von Hard- und Software

Wartung und Reparatur von Desktop-Systemen sind umso einfacher, je einheitlicher die eingesetzte Hardware und Software ist. Standardisierung sollte deshalb das oberste Gebot jeder Support- Strategie sein. Gerade in kleineren und mittleren Unternehmen wird dieser Grundsatz oft nicht beherzigt: PCs werden mal bei diesem, mal bei jenem Händler gekauft, es entsteht ein Wildwuchs an Hardware, den niemand mehr durchschaut. Kurzfristige Preisvorteile führen so langfristig zu Mehrkosten. Fallen etwa Hardwarekomponenten aus, müssen zunächst die Charakteristika wie Bus-Typ, Speicherstandard oder Anschlüsse ermittelt werden, bevor überhaupt an eine Reparatur zu denken ist. Bei einheitlicher Hardware hingegen können gegebenenfalls sogar defekte Rechner als Ersatzteillager genutzt werden. Systemhäuser und Hersteller sind meist in der Lage, für einen festgelegten Zeitraum die Baugleichheit von PCs zu garantieren. Abgemildert werden kann die Hardwareproblematik mit Hilfe von Inventarisierungs- Tools wie „Loginventory“ von Schmidt’s Login. Damit lassen sich alle Endgeräte im Unternehmen mit ihrer Ausstattung erfassen und überwachen. Im Schadensfall können detaillierte Systemspezifika abgefragt werden. Die Investition von 400 Euro, die beispielsweise für Loginventoy in einer 50er- Lizenz aufzuwenden ist, dürfte sich schnell amortisieren.

Auch bei der Software empfiehlt sich eine Standardisierung. Hier bieten sich verschiedene Möglichkeiten an. Die Zahl der eingesetzten Programme sollte möglichst gering gehalten werden, und die Programmversionen sollten unternehmensweit identisch sein. Denn je weniger Softwarevielfalt vorhanden ist, desto einfacher gestaltet sich die Schulung der Anwender. Außerdem reduzieren sich die Zahl der potenziellen Programmfehler sowie die der Stolperfallen für die Benutzer - und damit auch die Support-Anfragen. Standardisierungseffekte sind zudem mit dem Einsatz von Tools zur Paketierung und Verteilung von Software zu erzielen. Werden zuvor Anwendergruppen definiert, kann diesen ein jeweils festgelegtes Bündel an Programmen zur Verfügung gestellt werden.

8. Der Anwender, das unbekannte Wesen

Zu den Schlüsselfaktoren eines effizienten Benutzerservice gehört es, die Anwender zu kennen. Je nach Art des Unternehmens und seiner Beschäftigten befinden sich darunter technisch versierte User und Benutzer mit geringem Computer- Know-how. Der Benutzerservice sollte die IT-Kompetenz der Endanwender durch Befragungen ermitteln, um sich deren Wissen zunutze zu machen. Beispielsweise schulen viele Unternehmen ihre Power-User gezielt darauf, anderen Anwendern bei komplizierten Geschäftsanwendungen zu helfen. Der User-Support wird dadurch entlastet und das Problem schneller aus der Welt geschafft. Auch beim Problem- Management können sich versierte Anwender nützlich machen, indem sie etwa Zugang zur Help- Desk-Software erhalten, um darin Trouble-Tickets für Vorfälle in ihrer Abteilung auszustellen und zu bearbeiten.

9. Knowledge-Worker brauchen Freiheiten

Immer noch scheinen viele ITStrategen und Administratoren zu ignorieren, dass das durchschnittliche Computer-Wissen ständig steigt und mancher „normale“ Mitarbeiter fast schon ein IT-Profi ist. Während die einen Unternehmen die Kreativität solcher Angestellten bremsen, indem sie sehr restriktive IT-Richtlinien erzwingen, machen sich andere Firmen das technische Wissen, das in vielen Fachabteilungen schlummert, zunutze. Ob Manager, die neue Anwendungsmöglichkeiten ausprobieren, oder Kollegen, die mit selbstprogrammierten Office-Makros die Produktivität der Abteilung steigern - eine flexible IT ist für den Knowledge-Worker die Grundvoraussetzung, um zeitgemäß zu arbeiten. Die verbreitete Angst, dass dilettierende User, die ihren PC malträtieren, zu viele Support-Ressourcen verschlingen, ist in heutigen Desktop-Szenarien nicht mehr begründet. So können beispielsweise seit Windows 2000 die Rechte des Anwenders sehr granular eingestellt werden. In Verbindung mit geeigneten Richtlinien und den passenden Tools für System-Management und Backup kann ein hohes Maß an Flexibilität am Client gewährleistet werden, ohne damit das Support-Aufkommen ansteigen zu lassen. Hört man sich unter Anwendern und Tool- Herstellern um, fällt zumindest eines auf: Es gibt kein Patentrezept für die ideale PC-Client-Verwaltung. Auf der Skala von sehr restriktiv bis hoch flexibel finden sich Praxisbeispiele in jeder Ausprägung, die von den jeweiligen ITVerantwortlichen unter technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten als machbar erachtet werden. Auch eine zu restriktive Strategie kann übrigens richtig teuer werden, wenn dadurch zu viel Flexibilität verloren geht. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine nachträglich benötigte Fachanwendung nicht in das starre IT-Korsett passt und dafür die gesamte Management- und Support- Strategie über den Haufen geworfen werden muss.

10. Support-Qualität durch das richtige Personal

Wie das ideale Help-Desk-Personal auszusehen hat, hängt nicht zuletzt von der Art und Größe des Unternehmens ab. In kleineren und mittleren Unternehmen - vor allem in solchen mit wenigen IT-Arbeitsplätzen - bietet es sich an, technisch versierte Anwender für gelegentliche Support-Aufgaben abzustellen. Einige IHKs bieten entsprechende Kurse für die Weiterbildung im Support- Bereich an. Generell kommt es bei Service-Mitarbeitern nicht alleine auf technisches Know-how an, sondern auch auf kommunikative Fähigkeiten. Ein Help-Desk-Mitarbeiter muss in der Lage sein, abstrakte Themen auch einem Laien verständlich zu vermitteln - obi m direkten Gespräch oder über das Telefon. Deshalb ist auch die regelmäßige Weiterbildung des Servicepersonals wichtig - auf technischem Gebiet wie im Bereich Kunden- Service und Kommunikation.