Facebook-Gründer

Zuckerberg beklagt sich bei Obama wegen NSA-Spionage

14.03.2014
Zwischen dem Silicon Valley und der US-Regierung herrscht Eiszeit, denn die NSA-Spionage im Internet gefährdet die Geschäfte. Keiner spricht sich den Frust so von der Seele wie Facebooks Mark Zuckerberg. Andere Töne kommen von Microsoft-Gründer Bill Gates.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat aus Ärger über die US-Internetspionage Präsident Barack Obama angerufen. "Die US-Regierung sollte ein Verteidiger des Internets sein und keine Bedrohung", schrieb er am Donnerstag in seinem Facebook-Profil. "Ich habe Präsident Obama angerufen und meine Frustration darüber zum Ausdruck gebracht, welchen Schaden die Regierung für unser aller Zukunft anrichtet. Leider sieht es so aus, als ob es noch sehr lange dauern wird, bis eine wirkliche Reform kommt."

Zuckerberg ist unter den Konzernchefs im Silicon Valley einer der lautstärksten Kritiker einer ausufernden Internetspionage des US-Geheimdienstes NSA. Er hatte bereits im September der Regierung vorgeworfen, es "vergeigt" zu haben. "Wenn unsere Techniker unermüdlich daran arbeiten, die Sicherheit zu erhöhen, gehen wir eigentlich davon aus, Euch gegen Kriminelle zu schützen und nicht gegen unsere eigene Regierung", schrieb er jetzt an die Nutzer.

Der aktuelle Auslöser die Empörung dürfte ein Bericht von dieser Woche gewesen sein. Der Snowden-Vertraute Glenn Greenwald berichtete zudem auf seiner neuen Website "The Intercept", dass die NSA sich auch als Facebook getarnt habe, um Computer mit Schadsoftware zu infizieren und gezielt auszuspionieren. Er sei "irritiert und frustriert über diese wiederkehrenden Berichte zum Verhalten der US-Regierung", schrieb Zuckerberg.

Die NSA reagierte nach dem Telefonat von Zuckerberg und Obama mit einer relativ ausführlichen Erklärung (PDF-Link). "Die jüngsten Medienberichte, wonach die NSA Millionen Computer rund um die Welt mit Schadsoftware infiziert habe und dass die NSA sich als amerikanische soziale Netzwerke oder andere Websites tarnt, sind nicht korrekt", hieß es dort. Die Formulierung lässt die Möglichkeit offen, dass es weniger als Millionen Computer sein könnten und dass ein solches Vorgehen in der Vergangenheit eingesetzt wurde. Ähnlich hieß es seinerzeit auch zum Vorwurf, Bundeskanzlerin Angela Merkel sei abgehört worden, auch nur, das geschehe jetzt nicht und werde in Zukunft nicht passieren.

Die Lehren aus der NSA-Affäre -
Viktor Mayer-Schönberger, Professor für Internet Governance and Regulation
"Es geht nicht mehr um das Ausspähen der Gegenwart, sondern um einen Einblick in die Zukunft. Das ist der Kern von Prism. Präsident Obama hat schon recht, wenn er sagt, die von Prism gesammelten Daten seien doch für sich genommen recht harmlos. Er verschweigt freilich, dass sich daraus statistische Vorhersagen gewinnen lassen, die viel tiefere, sensiblere Einblicke gewähren. Wenn uns nun der Staat verdächtigt, nicht für das was wir getan haben, sondern für das was wir – durch Big Data vorhersagt – in der Zukunft tun werden, dann drohen wir einen Grundwert zu verlieren, der weit über die informationelle Selbstbestimmung hinausgeht."
Prof. Dr. Gunter Dueck, Autor und ehemaliger CTO bei IBM
"Ich glaube, die NSA-Unsicherheitsproblematik ist so ungeheuer übergroß, dass wir uns dann lieber doch gar keine Gedanken darum machen wollen, so wie auch nicht um unser ewiges Leben. Das Problem ist übermächtig. Wir sind so klein. Wir haben Angst, uns damit zu befassen, weil genau das zu einer irrsinnig großen Angst führen müsste. Wir haben, um es mit meinem Wort zu sagen, Überangst."
Oliver Peters, Analyst, Experton Group AG
"Lange Zeit sah es so aus, als würden sich die CEOs der großen Diensteanbieter im Internet leise knurrend in ihr Schicksal fügen und den Kampf gegen die Maulkörbe der NSA nur vor Geheimgerichten ausfechten. [...] Insbesondere in Branchen, die große Mengen sensibler Daten von Kunden verwalten, wäre ein Bekanntwerden der Nutzung eines amerikanischen Dienstanbieters der Reputation abträglich. [...] Für die deutschen IT-Dienstleister ist dies eine Chance, mit dem Standort Deutschland sowie hohen Sicherheits- und Datenschutzstandards zu werben."
Dr. Wieland Alge, General Manager, Barracuda Networks
"Die Forderung nach einem deutschen Google oder der öffentlich finanzierten einheimischen Cloud hieße den Bock zum Gärtner zu machen. Denn die meisten Organisationen und Personen müssen sich vor der NSA kaum fürchten. Es sind die Behörden und datengierigen Institutionen in unserer allernächsten Umgebung, die mit unseren Daten mehr anfangen könnten. Die Wahrheit ist: es gibt nur eine Organisation, der wir ganz vertrauen können. Nur eine, deren Interesse es ist, Privatsphäre und Integrität unserer eigenen und der uns anvertrauten Daten zu schützen - nämlich die eigene Organisation. Es liegt an uns, geeignete Schritte zu ergreifen, um uns selber zu schützen. Das ist nicht kompliziert, aber es erfordert einen klaren Willen und Sorgfalt."
James Staten, Analyst, Forrester Research
"Wir denken, dass die US-Cloud-Provider durch die NSA-Enthüllungen bis 2016 rund 180 Milliarden Dollar weniger verdienen werden. [...] Es ist naiv und gefährlich, zu glauben, dass die NSA-Aktionen einzigartig sind. Fast jede entwickelte Nation auf dem Planeten betreibt einen ähnlichen Aufklärungsdienst [...] So gibt es beispielsweise in Deutschland die G 10-Kommission, die ohne richterliche Weisung Telekommunikationsdaten überwachen darf."
Benedikt Heintel, IT Security Consultant, Altran
"Der Skandal um die Spähprogramme hat die Akzeptanz der ausgelagerten Datenverarbeitung insbesondere in den USA aber auch in Deutschland gebremst und für mehr Skepsis gesorgt. Bislang gibt es noch keinen Hinweis darauf, dass bundesdeutsche Geheimdienste deutsche IT-Dienstleister ausspäht, jedoch kann ich nicht ausschließen, dass ausländische Geheimdienste deutsche Firmen anzapfen."
Viktor Mayer-Schönberger, Professor für Internet Governance and Regulation
"Die NSA profitiert von ihren Datenanalysen, für die sie nun am Pranger steht, deutlich weniger als andere US-Sicherheitsbehörden, über die zurzeit niemand redet. Das sind vor allem die Bundespolizei FBI und die Drogenfahnder von der DEA. [...] Es gibt in der NSA eine starke Fraktion, die erkennt, dass der Kurs der aggressiven Datenspionage mittelfristig die USA als informationstechnologische Macht schwächt. Insbesondere auch die NSA selbst."
Aladin Antic, CIO, KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplationen e.V.
"Eine der Lehren muss sein, dass es Datensicherheit nicht mal nebenbei gibt. Ein mehrstufiges Konzept und die Einrichtung zuständiger Stellen bzw. einer entsprechenden Organisation sind unabdingbar. [...] Generell werden im Bereich der schützenswerten Daten in Zukunft vermehrt andere Gesichtspunkte als heute eine Rolle spielen. Insbesondere die Zugriffssicherheit und risikoadjustierte Speicherkonzepte werden über den Erfolg von Anbietern von IT- Dienstleistern entscheiden. Dies gilt auch für die eingesetzte Software z.B. für die Verschlüsselung. Hier besteht für nationale Anbieter eine echte Chance."
ein nicht genannter IT-Verantwortliche einer großen deutschen Online-Versicherung
"Bei uns muss keiner mehr seine Cloud-Konzepte aus der Schublade holen, um sie dem Vorstand vorzulegen. Er kann sie direkt im Papierkorb entsorgen."

Eine Sprecherin des Weißen Hauses bestätigte der "New York Times" lediglich, dass Obama und Zuckerberg telefoniert hätten. Sie machte keine Angaben zum Inhalt des Gesprächs.

US-Technologiefirmen fürchten nach den Enthüllungen von Edward Snowden, dass die Nutzer das Vertrauen in die Sicherheit ihrer Daten verlieren. Das wäre eine Gefahr fürs Geschäft. Die Regierung müsse "viel transparenter sein über das, was sie tut, sonst erwarten die Leute das Schlimmste", schrieb Zuckerberg. Zusammen mit anderen Schwergewichten der Branche wie Google, Apple, Microsoft oder Yahoo kämpft er darum, zumindest die Anfragen der US-Behörden nach Nutzerdaten genauer aufschlüsseln zu dürfen. Den Snowden-Enthüllungen zufolge hatte sich die NSA jedoch zum Teil auch direkt in die Datenströme zwischen den Rechenzentren der Konzerne eingeklinkt.

Noch vor drei Jahren hatte Obama mit den Größen des Silicon Valley in geselliger Runde zu Abend gegessen. Unter den Gästen war auch Mark Zuckerberg. Seitdem hat sich das Verhältnis merklich abgekühlt. "Es ist also an uns - an uns allen - das Internet zu bauen, das wir uns wünschen", rief der Facebook-Gründer jetzt die Netzgemeinde auf. "Ihr könnt auf Facebook zählen, dass wir unseren Beitrag leisten."

Andere Töne schlug Microsoft-Mitgründer Bill Gates an. "Die Regierung hat die Fähigkeit, solche Dinge zu tun", sagte er dem Magazin "Rolling Stone", angesprochen auf die Überwachung von Internet und Telefon. "Es muss darüber eine Diskussion geben." Diese müsse sich aber darum drehen, unter welchen Umständen so etwas erlaubt werden solle. Die Debatte dürfe nicht die spezifischen Techniken aufdecken. Gates warnte vor Folgen für die Terrorismusbekämpfung.

Auf die Frage, ob er Snowden als Helden oder Verräter sehe, antwortete Gates: "Ich denke, er hat das Gesetz gebrochen, also würde ich ihn mit Sicherheit nicht als Helden bezeichnen." Hätte Snowden die Dinge wirklich verbessern wollen, wäre er vorsichtiger mit seinen Enthüllungen umgegangen. Apple-Mitgründer Steve Wozniak sagte dagegen am Donnerstag auf der Computermesse CeBIT in Hannover, Snowden sei ein "moderner Held" und sollte in die USA zurückkehren dürfen. (dpa/tc)