IT in Medienhäusern

"Zukunftsfähig heißt partnerfähig"

19.06.2015 von Stefan Huegel
IT mal schnell und zukunftssicher. Das geht, ist sich Stephanie Tank, Head of Media und Transformation Director bei Capgemini sicher. Leidenschaft für IT, Cloud und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit externen Partnern sind die Voraussetzung hierzu.
"Ich kann keine grundlegenden Unterschiede erkennen in den digitalen Herausforderungen, denen sich Medienunternehmen und Unternehmen anderer Branchen stellen müssen", Stephanie Tank, Head of Media und Transformation Director bei Capgemini
Foto: Capgemini

CIO.de: Frau Tank, als Transformation Director bei Capgemini beraten Sie Medienunternehmen bei der die Entwicklung und Umsetzung von IT-Strategien. Unterscheidet sich die Medienbranche von anderen Branchen mit Blick auf den Umgang mit den technologischen Herausforderungen der Digitalisierung?

Stephanie Tank: Ich kann keine grundlegenden Unterschiede erkennen. Im Gegenteil. Gerade im Medienbereich gibt es viele Beispiele für Organisationen, deren IT bereits heute die notwendige Reife erreicht hat, um digitale Prioritäten aktiv zu setzen. Die Medienbranche steht hier anderen Branchen in nichts nach, sondern ist im Gegenteil besonders experimentierfreudig. Etwas Nachholbedarf gibt es, was die Einbettung in eine übergeordnete Digitalstrategie entlang der Geschäftsziele betrifft.

Aber gerade in kleinen Medienhäusern und Fachverlagen wird IT noch primär als Kostenfaktor wahrgenommen. Eine Institutionalisierung der IT-Verantwortlichkeit in Person eines IT-Verantwortlichen sucht man hier oft vergebens. Ist die Präsenz eines CIO oder CTO Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Gestaltung einer Digitalstrategie?

Stephanie Tank: Die Rolle an sich erachte ich als sehr wichtig. Die Frage ob diese mit einer Vollzeitstelle verknüpft sein muss oder ob z. B. ein Geschäftsführer qua seiner IT-Erfahrung diese Rolle in Personalunion ausfüllen kann, lasse ich dahingestellt. Wesentlich ist das Interesse und die Begeisterung für IT. Diese muss in einem Unternehmen vorhanden sein. Wer IT als ein Werkzeug verstehen will, mit dem sich neue Geschäftsmodelle gestalten lassen, darf IT nicht aus der Perspektive des Gepeinigten begreifen, sondern muss ihr positiv gegenüber stehen. Hier, so meine Beobachtung, tun sich Geschäftsführer und Verlagsleiter tendenziell noch schwerer.

Können Sie Positivbeispiele benennen?

Stephanie Tank: Eine gute Blaupause für den konstruktiven und positiven Umgang mit der IT ist der Cornelsen Verlag, ein Verlagshaus mit schwieriger Historie mit Blick auf die eigene IT-Vergangenheit. Mit Berufung des neuen CIOs, Michael von Smolinski, jedoch ist es dem Verlag gelungen, sich technologisch vollkommen neu und vor allem zukunftssicher aufzustellen. Ein anderes Beispiel, allerdings nicht aus dem Verlagsbereich, ist die Gema. Auch hier hat die Neubesetzung der Position des Technologieverantwortlichen durch Dr. Markus Grimm dazu geführt, das sich Dinge rasant entwickelt haben. So weit, dass sich die IT der Gema nun sogar als Profit-Center aufgestellt hat. Dies sind für mich Paradebeispiele dafür, dass Leidenschaft für Technologie die Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Digitalisierung von Medienunternehmen ist. Und dies ist zwangsläufig mit Personen verbunden.

Wer IT als reinen Kostenfaktor versteht, wird es nie schaffen, wahre Kompetenz im Technologiebereich aufzubauen. Verlage, die IT nicht als Bestandteil ihrer eigenen DNA begreifen und negativ konnotieren, müssen ihre Einstellung wandeln, wenn sie dauerhaft erfolgreich sein wollen.

Wo liegt die Zukunft der Medien-IT und wie schaut sie aus?

Stephanie Tank: Die Zukunft der IT liegt im Cloud Computing. Auch für Verlage und Medienunternehmen. Schafft man es, die Cloud als universelles Designprinzip zu verstehen, aus dem heraus fachliche Services bezogen werden können, liegen die Vorteile für Agilität und Skalierbarkeit auf der Hand. Am Markt etablieren sich immer mehr Cloud-basierende Frameworks, mit deren Hilfe Kunden digitale Services verwalten können und die es erlauben, eine Cloud-basierte, fachliche Architektur flexibel durch den gesamten Life-Cycle hindurch zu betreiben.

Mit welchen Vorteilen?

Stephanie Tank: Medienhäuser ersparen sich mit dem Zugriff auf diese Baukästen das kontinuierliche Neuerfinden von Technologie-Komponenten, die mittlerweile Commodity sind. Wichtig dabei ist die klare Trennung von fachlicher Architektur und technischer Architektur. Auch wenn diese Sichtweise tradiert anmuten mag, ist das Designprinzip heute aktueller denn je. Diese Trennung führt in meinen Augen zu wahrer Agilität. Sie versetzt Organisationen in die Lage, fachliche Anforderungen zum Beispiel eines Medienunternehmens flexibel auf beliebige Technologien und Architekturen zu übertragen - eine Grundvoraussetzung für eine zukunftsfähige IT.

Medienunternehmen sind auch nur Unternehmen

Was bedeutet dies konkret für die Planung und Realisierung einer zukunftsfähigen IT-Infrastruktur?

Stephanie Tank: Nur wenige Medienhäuser genießen den Luxus, Greenfields zu bebauen, also ihre IT auf der grünen Wiese zu planen und zu gestalten. Aber selbst wenn sie es können, ist es wichtig, sich von der technischen Instanziierung fachlicher Anforderungen zu lösen. Dies ist ein wichtiger Aspekt für Agilität in der technologischen Grundhaltung. In diesem Punkt unterscheiden sich Medienunternehmen nicht von anderen Unternehmen. Das technologische Rahmenwerk jeder zukunftsorientierten IT sollte branchen- und anwendungsagnostisch sein. Egal ob Verlag oder Bank, Komponenten zum Identity und Access Management oder ein Enterprise Service Bus gehören zu den festen Bestandteilen jeder modernen IT-Landschaft und lassen sich mit dem richtigen Framework einfach als Pakete einbinden.

Sollten sich Medienunternehmen deshalb gänzlich von der Eigenentwicklung von Anwendungen verabschieden?

Stephanie Tank: Dies ist nur sekundär eine Frage nach der geeigneten Kompetenz für die Entwicklung von Anwendungen. Vielmehr ist es eine Frage des richtigen Technologiepartners und der Bereitschaft mit diesem zu kooperieren. Diese Fähigkeit ist bei vielen Unternehmen noch entwicklungsfähig. Ich kenne IT-Organisation, die in ihren eigenen Augen stets großartige Dinge umsetzen - aber stets in Eigenregie und mit begrenzter Skalierbarkeit. Meine Überzeugung ist, dass für die Umsetzung zukunftsfähiger IT-Lösungen insbesondere auch eine zukunftsorientierte Zusammenarbeit mit IT-Dienstleistern nötig ist.

Was sind Ihrer Erfahrung nach die Gründe für diese mangelnde Partnerfähigkeit?

Stephanie Tank: Die Zusammenarbeit mit Partnern verlangt beiden Seiten die Fähigkeit zu vertrauen ab. Vertrauen ist stets mit Risiko verbunden, insbesondere dem Risiko, die Kontrolle über die eigene Infrastruktur oder die eigenen Daten zu verlieren. Manche Unternehmen meistern diesen vermeintlichen Kontrollverlust besser, andere wenig gut. Einheitliche Motive für die letztgenannte Gruppe kann ich aus meiner Erfahrung mit Medienunternehmen nicht erkennen.

Frau Tank, auf der 3. IT-Fachtagung der Akademie der Medien interviewen Sie Christian Gerlich, CTO der Holtzbrinck Digital, zum Thema "IT-Trends im Medienfokus: schnell und zukunftssicher zugleich - wie geht das?". Was können wir uns darunter vorstellen?

Stephanie Tank: Die Holtzbrinck Digital gehört zu den Vorreitern bei den deutschen Medienunternehmen, was den geschickten Umgang z. B. mit der Cloud betrifft. Im Dialog mit dem Christian Gerlich werden wir vor dem Hintergrund der Capgemini IT-Trends-Studie 2015 Einblicke in die IT-Strategie des Hauses Holtzbrinck geben und dabei inbesondere die Migration der Enterprise Collaboration Tools des Verlages in die Cloud beleuchten.