Globale Prozesse mit SAP und Sage

Zwei Anwender mit zwei ERP-Lösungen

15.12.2009 von Joachim Hackmann
Die Unternehmen Infirmarius und Mankiewicz haben internationale ERP-Systeme installiert. Ein Mittelständler wählte eine Lösung von Sage, der andere eine von SAP.

Wir haben den beiden Anwenderunternehmen Infirmarius und Mankiewicz die gleichen Fragen zum Projekt gestellt und um Beantwortung gebeten. Die Projekte sind nicht vollständig vergleichbar, doch die Gegenüberstellung lässt Einblicke in die Entscheidungsfindung zu.

Infirmarius ist ein Hersteller naturheilkundlicher Präparate. Das Unternehmen hat mit Hilfe von Sage durchgängige Prozesse bis in die französische Zentrale eingeführt.

Mankiewicz stellt Beschichtungsstoffen etwa für die Luftfahrt- und Autobranche her. Der Mittelständler kämpft beim weltweiten SAP-Rollout mit Zeitverschiebungen.

Ausgangslage

Welche Applikationen waren wo im Einsatz?

Mankiewicz hatte an seinen beiden Standorten im Großraum Hamburg SAP ERP mit folgenden Modulen im Einsatz: Vertrieb (SD), Materialmanagement (MM), Finanzen (FI), Controlling (CO), Anlagenbuchhaltung (AA), Produktionsplanung Prozessindustrie (PP-PI) und Qualitätsmanagement (QM).

Infirmarius betrieb zehn Jahre am Standort in Göppingen die Sage-ERP-Lösung "Classic Line" mit den Modulen Warenwirtschaft und Finanzbuchhaltung.

Warum sollte die Installation überarbeitet werden?

Mankiewicz: Auf Basis der installierten Software sollte an den deutschen Standorten ein Template entwickelt werden, um die Applikation international bei den Tochtergesellschaften einzusetzen und so die Zusammenarbeit zwischen den Standorten und mit den Kunden und Lieferanten zu verbessern.

Infirmarius: Der Mutterkonzern, die französische Lehning-Gruppe, wollte einen einheitlichen Zugriff auf die Finanzzahlen und den Warenbestand, um die Produktionsstandorte in Metz und Göppingen optimal planen und steuern zu können. Dabei waren die Prozesse jedoch nicht durchgängig IT-gestützt, es gab etwa Medienbrüche in der Bedarfsplanung und Disposition, wo teilweise noch mit Excel und Word manuell geplant wurde. Auch der Vertrieb war nicht durchgängig IT-gesteuert. Es galt also, die IT-Prozesse in Deutschland an das in Frankreich eingesetzte System anzuschließen, um eine IT-gestützte Produktions- und Finanzkette zu realisieren.

Ziel: Einheitliche Prozesse/Transparenz

Was soll die neue Lösung leisten?

Mankiewicz: Ziel des Projekts war es, eine SAP-Plattform für einheitliche Geschäftsprozesse zu schaffen, die als integriertes ERP-System von allen Mankiewicz-Gesellschaften genutzt wird. Ein einheitliches System führt zu effizienteren Prozessen und wirkt sich positiv auf Schnelligkeit und Wirtschaftlichkeit aus. Die Auslandsgesellschaften geben beispielsweise ihre Bedarfe jetzt direkt an die Produktion. Die engere Zusammenarbeit hat auch positive Auswirkungen auf die Unternehmenskultur.

Infirmarius: Ziel war es, die Transparenz zu verbessern und den schnellen Zugriff auf Kapazitäten zu ermöglichen. Damit sollen die Produktionsstätten optimal ausgelastet werden und die Zentrale in Frankreich konsolidierte Zahlen erhalten. Genutzt wird die Mittelstandslösung Sage ERP X3, die speziell für international tätige Unternehmen mit 150 bis 2500 Mitarbeitern entwickelt wurde. Infirmarius setzt die Module Finanzen, Produktion, Ein- und Verkauf, CRM sowie Warenbestand ein.

Das Projekt von Infirmarius

Unternehmen: Infirmarius.

Branche: Hersteller naturheilkundlicher Präparate, Komplexhomöopathika, Phytotherapeutika.

Umsatz: vier Millionen Euro.

Standorte national/international: Göppingen, Zentrale der Lehning-Gruppe in Saint-Berbe in Frankreich.

Projektname: Einführung Sage ERP X3.

Aufwand (Personentage): 130.

Laufzeit: Kickoff im Dezember 2008, Go-Live im Dezember 2009.

Aktueller Stand: Letzte Schulungen stehen aus, dann beginnt der Live-Betrieb.

Eingeführte Applikationen: Sage ERP X3 (Module Finanzen, Produktion, Ein- und Verkauf sowie Warenbestand).

Externe Partner/Dienstleister: keiner.

Weitere Planung: Prozessoptimierungen.

Umsetzung: Herausforderung Zeitverschiebung/gesetzliche Anforderungen

Was war beziehungsweise ist die besondere Herausforderung unter Internationalisierungsaspekten?

Mankiewicz: Die internationale Dimension des Projekts bringt Herausforderungen zum Beispiel durch die Zeitverschiebung zwischen den Standorten mit sich. Mankiewicz ist auf allen Kontinenten aktiv, so dass zu jeder Zeit irgendwo gearbeitet wird. Bei der Implementierung der Anwendung bringen landesspezifische Eigenheiten wie unterschiedliche Währungen, besondere Zahlweisen oder Gesetzesvorgaben Herausforderungen mit sich. Den größten Aufwand bei der Anpassung des Template verursachen die unterschiedlichen Sprachen. Die Formulare müssen treffend übersetzt und ihr Layout an die jeweiligen Schriftsätze und andere Papierformate - etwa Letter in den USA - angepasst werden, damit Kunden, Lieferanten und Auslandsgesellschaft damit arbeiten können. Geholfen hat der Implementierungspartner Lufthansa Systems. Er konnte auf Erfahrungen im eigenen Haus zurückgreifen, da das Unternehmen selbst global aufgestellt ist.

Infirmarius: Die Software von Sage soll alle landesspezifischen Parameter wie gesetzliche oder marktspezifische Anforderungen zentral in der Lösung abbilden und diese Informationen in einem einheitlichen System konsolidieren. So sollen beispielsweise in Deutschland produzierte Waren über das System auch in Frankreich verkauft werden und umgekehrt. Dabei gilt es Artikelbezeichnungen, Mengenangaben und Währungen des jeweiligen Landes zu verwenden und die Artikel je Standort mit unterschiedlichen Kalkulationen, Preislisten etc. führen. Die Zentrale in Frankreich soll diese Informationen einheitlich in einer französischsprachigen Oberfläche erhalten.

Das Projekt von Mankiewicz

Unternehmen: Mankiewicz Gebr. & CO. (GmbH & Co. KG).

Branche: Hersteller von Beschichtungsstoffen unter anderem für die Luftfahrt- und Automobilindustrie.

Mitarbeiter: über 700.

Umsatz: keine Angaben.

Standorte international: Brasilien, China, Frankreich, Großbritannien, Indien, Japan, Mexiko, Polen, Singapur, Spanien, Südafrika, Tschechien, USA.

IT-Mitarbeiter: zirka sechs für die SAP-Betreuung und sechs für die IT-Technik.

Projektname: SAP-Rollout für Mankiewicz-Gesellschaften im Ausland.

Laufzeit: etwa fünf 5 Jahre.

Aktueller Stand: Die Anbindung wurde in Singapur und Shanghai 2007, in den USA und dem Tochterunternehmen Rüdt-Industrielacke 2008 sowie in Tschechien 2009 abgeschlossen. Die Anbindung in Mexiko wird voraussichtlich zum Jahreswechsel 2010 abgeschlossen.

Eingeführte Applikationen: SAP ERP mit den Modulen: SD, MM, FI, CO, AA, PP-PI, QM.

Externer Partner: Lufthansa Systems.

Ergebnis: Verbesserungen im Warenfluss, Transparenz der weltweiten Abläufe und im Reporting.

Weitere Planung: Pro Jahren sollen zwei Länder angebunden werden.

Wie gelingt der Spagat zwischen weltweiter Harmonisierung und landesspezifischen Besonderheiten?

Mankiewicz: Lufthansa Systems hat das einheitliche Template entwickelt und im Rollout durch die Programmierung von Zusatzlösungen für landesspezifische Erfordernisse wie etwa Gesetzesvorgaben ergänzt.

Infirmarius: Nachdem die IT-Prozesse in Frankreich und Deutschland analysiert waren, wurde das Prozessdesign für Infirmarius in Göppingen entworfen. Einige Abläufe übernahmen die Verantwortlichen aus Frankreich, andere beließen sie, wie sie waren. Zudem ermittelte das Projekt-Team die besondere Anforderungen in der Produktion homöopathischer Arzneimittel: Die Zusammenstellung von Dilutionen (flüssig verschüttelten Substanzen) beruht auf einem komplizierten Materialfluss. Die Mischungen müssen zu einem fest definierten Verhältnis verdünnt, potenziert und erneut verdünnt werden. Die Software steuert in Deutschland genau diese Verdünnungsprozesse, in Frankreich soll dies ebenfalls eingeführt werden. Die Daten wurden aus dem Altsystem und dem SQL Server auf Sage ERP X3 mit Oracle migriert.

Ergebnis: Fünf Standort angebunden/bessere Auslastung

Wie ist der Stand des Projekts?

Mankiewicz: Innerhalb von zweieinhalb Jahren wurden fünf Standorte in Asien, Nordamerika und Europa an das neue System angebunden. Die Anbindung der sechsten Niederlassung wird voraussichtlich zum Jahreswechsel 2010 abgeschlossen.

Infirmarius: Der Startschuss fiel im Dezember 2008, das Projekt ist nun in der Endphase. Sämtliche Daten wurden bereits migriert und die Key User geschult. Die interne Schulung der anderen Anwender ist für November 2009 geplant. Der Live-Betrieb beginnt im Dezember 2009.

Was wurde verbessert?

Mankiewicz: Die einheitliche Plattform verbessert den Warenfluss für alle angebundenen Gesellschaften sowie die Transparenz sämtlicher Abläufe weltweit. Darüber hinaus führt sie zu einem verbesserten Reporting.

Infirmarius: Sowohl die Disposition als auch die Materialplanung laufen heute komplett automatisiert ab und können aus der Zentrale in Frankreich nun genau gesteuert werden. Dadurch sind die einzelnen Produktionsstätten wesentlich besser ausgelastet. Ein einheitlicher Blick auf alle Unternehmensdaten aus der Zentrale in Frankreich verbessert die Transparenz und Unternehmenssteuerung.

ERP-Lösungen für den Mittelstand
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In der Raad-Studie wurden die Anwender unter anderem gefragt, welche Anbieter sie für relevant halten. SAP-Nutzer waren nicht darunter. Hier gehen offenbar Markenbekanntheit und tatsächliche Verbreitung deutlich auseinander.
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Die Fertigungsindustrie ist eine Kernbranche der ERP-Anbieter. Der SAP trauen die befragten Leiter des Finanzwesens/Controlling eine hohe fachspezifische Kompetenz zu. Microsoft kommt hier auf 37 Prozent. Lässt man die Microsoft-Kunden außen vor, sinkt die Quote auf 28 Prozent. Infor leidet Raad Research zufolge darunter, dass vielen Nutzern in den Fachabteilungen noch nicht klar geworden ist, dass die von ihnen genutzte Software (etwa das Rechnungswesen von Varial oder die auf Fertigung spezialisierte ERP-Lösungen „Baan“ beziehungsweise „ERP LN“) nun zu diesem Softwarekonzern gehören.
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Auch die Vertriebsleiter kennen vor allem SAP und Microsoft. Ihr Votum ähnelt dem der Finanzverantwortlichen im Unternehmen. Auch hier liegt Infor etwas hinten, da laut Raad Research den Firmenbereichen mit wenig Softwareherstellerbezug wie dem Vertrieb Infor als Markenname nur schwer zu vermitteln ist.
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Produktionsleiter beurteilen SAP und Microsoft ebenfalls gut. Sind aber deutlich skeptischer als ihre Vertriebs- und Finanzkollegen. Unklar bleibt dabei, welche bestehende Software die befragten Unternehmen einsetzen.