Zwischen Frust und Vergnügen: Blind durchs Internet surfen

13.01.2003 von Alexander Freimark
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Das Internet ist eine unerschöpfliche Informationsquelle. Für blinde und sehbehinderte Menschen wird das Surfen jedoch zu einer Geduldsprobe, denn adäquat aufbereitete Seiten sind noch Mangelware.

Blinde und Sehbehinderte haben drei Optionen, wenn sie sich im Internet bewegen: Sie ertasten die Informationen über eine Braille-Zeile mit acht kleinen Stiften pro Symbol, sie können sich die Inhalte von einem Screen-Reader mit synthetischer Stimme vorlesen lassen, oder sie nutzen eine Software, mit der das Monitorbild vergrößert wird. Das Problem: „Die meisten Internet-Seiten sind grafisch überfrachtet“, kritisiert Elke Schaafhausen vom Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund (BBSB) die optische Verspieltheit vieler Website-Gestalter.

Foto: Siemens CHH, Bonn

Durch die Inflation der Flash-Filmchen und handwerkliche Schwächen der Designer artet das Surfen für die Betroffenen oft zu einer langwierigen Angelegenheit aus. Dabei ist das Internet eine der besten Erfindungen für Sehbehinderte überhaupt, denn sie können damit relativ einfach auf aktuelle Informationen zugreifen, Bestellungen aufgeben oder Bankgeschäfte erledigen - zumindest in der Theorie.

Mit einer Vergrößerungssoftware zu arbeiten ist mühsam, erklärt Schaafhausen eines der Probleme, denn die meisten Web-Seiten stecken voller Info-Häppchen: „Der sichtbare Ausschnitt der Tools ist sehr klein, und man braucht viel Zeit, sich durchzuwühlen.“ Die in Windows vorhandenen Werkzeuge reichen zudem für stark Sehbehinderte nicht aus, spezielle Programme müssen angeschafft werden.

Ziel für die rund 150.000 Blinden und 500.000 Sehbehinderten in Deutschland ist der barrierefreie Zugang zum Internet. Ein extremes Beispiel für eine derartig gestaltete Site stammt vom Online-Kaufhaus Amazon.com, das völlig auf Grafik und optische Spielereien verzichtet. Allerdings sei es in der Regel nicht nötig, besondere Blindenseiten zu entwickeln, sagt Karsten Warnke, Koordinator des Projekts BIK (Barrierefrei informieren und kommunizieren). Die Initiative soll helfen, das Web und die elektronischen Medien für Blinde und Sehbehinderte zugänglich zu machen.

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Amazon für Blinde Bayerischer Blindenbund Bik-Projekt Deutscher Blindenbund US-Blindenbund

Dennoch ist sich Warnke der Größe seiner Aufgabe bewusst: „Das Angebot im Internet ist riesig, und was wir leisten können, ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Demnächst sollen sechs Beratungsstellen im Bundesgebiet die Fragen der Unternehmen zum barrierefreien Internet beantworten. Dabei ist das Problem nicht allein auf Deutschland beschränkt, auch in den USA müssen sich die Betroffenen noch mühsam durch die Seiten navigieren. Schätzungen zufolge haben 20 Prozent aller knapp 100 Millionen US-amerikanischen Surfer eine Sehschwäche.

Häufig ist es jedoch schon damit getan, dass die kleinen handwerklichen Fehler auf den Websites ausgebügelt werden. Wenn Grafiken beispielsweise nicht mit einem Textmodul hinterlegt sind, „können Blinde damit nichts anfangen“, sagt BBSV-Sprecherin Schaafhausen. Der Screen-Reader findet in dem Fall schlicht keine Informationen, die er seinem Anwender vorlesen könnte, und auch die Braille-Zeile macht vor einer nicht kommentierten Grafik schlapp.