Napster-Erben forcieren neue Web-Ära

12.12.2001
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Wolfgang Miedl arbeitet Autor und Berater mit Schwerpunkt IT und Business. Daneben publiziert er auf der Website Sharepoint360.de regelmäßig rund um Microsoft SharePoint, Office und Social Collaboration.

Einige technische Prinzipien erschweren oder unterbinden im traditionellen Internet den Peer-to-Peer-Gedanken. Der Mangel an IP-Adressen unter IPv4 beispielsweise nötigt Provider dazu, die Nummern dynamisch zu vergeben. Die Folge ist, dass ein Client bei jeder Einwahl eine andere Adresse erhält. Ein zuverlässiger Daten- und Informationsaustausch unter Clients ist damit unmöglich, weil weder der Anwender selbst noch der Rechner zuverlässig angesprochen werden kann. Auch das Domain Name System (DNS), das als Quasi-Telefonbuch Namen mit IP-Nummern verknüpft, ist Server-orientiert. Daher können auch E-Mails nie an einen Endpunkt (Client-PC oder ortsunabhängig agierender Nutzer) direkt zugestellt werden.

Auch wenn mit der nächsten Generation des Internet-Protokolls IPv6 genügend IP-Nummern für alle Geräte dieser Welt verfügbar sein sollten, wäre das im Peer-to-Peer-Sinne nicht mehr ausschlaggebend. Denn im Vordergrund steht nun nicht mehr die technische Vernetzung von Maschinen, sondern auf einer höheren Abstraktionsebene der Austausch von Content und Diensten. Ein wichtiges Merkmal für Peer-to-Peer-Anwendungen ist denn auch, dass sie mit Hilfe neuartiger Protokolle und Anwendungen die Unzulänglichkeiten bisheriger Internet-Techniken umgehen. So funktionieren sie ungeachtet der ungesicherten Konnektivität und unvorhersagbarer IP-Adressen, und zwar außerhalb des DNS und autonom von zentralen Servern.

Ein erster Schritt in diese Richtung waren Instant-Messaging-Programme wie ICQ, das mittlerweile zu AOL gehört. Sie ermöglichen eine Geräte- und IP-unabhängige Kommunikation, indem der Teilnehmer einen individuellen Namen benutzt. Dahinter steckt - als typisches P-to-P-Merkmal - ein eigener Verzeichnisdienst, der IP-Adressen unter Umgehung des DNS in Echtzeit aktualisiert.

Im engeren Sinn ist ICQ wie Napster aber kein reines Peer-to-Peer-System, weil im Mittelpunkt des Datei- oder Nachrichtentausches Verzeichnis-Server stehen. Wie schwach hierbei die geforderte Fehlertoleranz ist, hat der Fall Napster gezeigt: Nachdem der Dienst nach Gerichtsbeschluss eingestellt werden musste, waren die Peers deaktiviert. Ein wesentliches Element von Peer-to-Peer-Anwendungen hat sich jedoch bereits bei Napster bewährt: das Prinzip der maximalen Redundanz. Beim File-Sharing heißt dies, dass Dateien möglichst oft auf den verteilten Peer-Systemen als Kopien vorliegen, um hundertprozentige Verfügbarkeit zu garantieren. Ebenfalls unverzichtbar sind Techniken, die ein netzunabhängiges Routing ermöglichen, um beispielsweise auch über Firewalls hinweg zu funktionieren. Aus Napsters Defiziten haben die Entwickler neuerer Anwendungen gelernt. Vergleichbare Dienste wie Morpheus oder Edonkey 2000 benötigen

keinen zentralen Server mehr.

Vertragen sich P-to-P und Web-Services?