Lünendonk-Studie Anwendungsmodernisierung

Alle wollen es, aber nicht alle können es!

04.07.2024
Von 
Tobias Ganowski, Consultant, Lünendonk & Hossenfelder GmbH.
Mit einer modernen Anwendungslandschaft läuft das Business besser und effizienter. Doch der Weg dorthin ist nicht gerade einfach.
Wie lassen sich veraltete Anwendungslandschaften aufmöbeln und zukunftsfest machen? Diese Frage überfordert etliche Unternehmen.
Wie lassen sich veraltete Anwendungslandschaften aufmöbeln und zukunftsfest machen? Diese Frage überfordert etliche Unternehmen.
Foto: Roman Samborskyi - shutterstock.com

Der Druck zur Anwendungsmodernisierung wächst: Um infolge veränderter Markt- und Kundenanforderungen auch zukünftig erfolgreich zu agieren, müssen Unternehmen ihre IT-Landschaften in Unternehmen modernisieren. Die Notwendigkeit und die Potenziale sehen jedoch nicht alle Verantwortlichen, sodass ein enger Austausch zwischen Business und IT notwendig ist. Das große Problem bei der Anwendungsmodernisierung: Diejenigen, die eine Anwendungsmodernisierung vorantreiben wollen, können häufig nicht über die entsprechenden Budgets entscheiden.

Die aktuelle Lünendonk-Studie "Anwendungsmodernisierung & Cloud-Transformation" zeigt auf, wie Unternehmen über ihre IT-Landschaft denken und welche Modernisierungsstrategien sie verfolgen. Fest steht: Die Geschwindigkeit der digitalen Transformation ist seit Jahren hoch. Firmen, die sich den Einsatz moderner digitaler Technologien zunutze machen, verschaffen sich Wettbewerbsvorteile - etwa in Form kundenzentrierter Anwendungen oder automatisierter Prozesse.

Auf der anderen Seite existieren in vielen Betrieben immer noch eine Vielzahl an Eigenentwicklungen, die auf Mainframes sowie COBOL oder PL/1 laufen und businesskritische Prozesse unterstützen. Diese sind zwar für den laufenden Geschäftsbetrieb essenziell, ihr Lebenszyklus neigt sich jedoch dem Ende zu.

Gleichzeitig stellen der IT-Fachkräftemangel und der demografische Wandel die Unternehmen vor enorme Herausforderungen. Es gilt, IT-Expertinnen und -Experten zu gewinnen und zu binden, welche die Systeme auch langfristig weiterentwickeln. Das Ziel: Anwendungen zu modernisieren und in veränderter Form weiterzuführen.

Wirklich hohe Priorität hat die Anwendungsmodernisierung in vielen Unternehmen nicht - obwohl der Bedarf durchaus da ist. (n = 160)
Wirklich hohe Priorität hat die Anwendungsmodernisierung in vielen Unternehmen nicht - obwohl der Bedarf durchaus da ist. (n = 160)
Foto: Lünendonk & Hossenfelder GmbH

Das spiegelt sich auch in den Ergebnissen der Umfrage wider. 43 Prozent der für die Studie befragten 160 Business- und IT-Verantwortlichen aus dem Mittelstand und Konzernen schreiben der Anwendungsmodernisierung eine hohe Priorität zu. Der Modernisierungsbedarf fällt dabei erwartungsgemäß unterschiedlich aus: 69 Prozent der Unternehmen sehen bei bis zu 20 Prozent der aktuellen Anwendungen einen Bedarf bis 2029. 14 Prozent sogar bei bis zu 40 Prozent der Anwendungen.

Märkte und Kunden erfordern veränderte IT-Systeme

Ein Haupttreiber für den Modernisierungsbedarf: die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und eine bessere Ausrichtung der IT an Business-Anforderungen. Auch wenn die Verzahnung von Business und IT (Business IT Alignment) kein neues Thema ist, haben viele Unternehmen hier nach wie vor einen kulturellen Schmerz und Potenzial für weitere Optimierung.

Zwei Drittel der Befragten nennen zudem steigende Security- und Regulatorik-Anforderungen als einen Treiber für die Anwendungsmodernisierung. Durch die steigende Gefahrenlage und neue Gesetze wie NIS-2, DORA oder den CRA haben viele Unternehmen die Notwendigkeit erkannt, ihre Legacy-Anwendungen an diese Gegebenheiten anpassen und technische Schulden abbauen zu müssen.

Die Betriebe erhoffen sich von modernen Anwendungen vor allem ein besseres Standing im Wettbewerb. (n = 160)
Die Betriebe erhoffen sich von modernen Anwendungen vor allem ein besseres Standing im Wettbewerb. (n = 160)
Foto: Lünendonk & Hossenfelder GmbH

Auch die Cloud-Transformation treibt viele Unternehmen (64 Prozent) dabei an, ihre Anwendungsmodernisierung zu forcieren. Moderne Entwicklungstools in der Cloud sowie eine flexibel skalierbare IT-Infrastruktur ermöglichen es, Anwendungen nicht nur via Lift & Shift in die Cloud zu verlagern, sondern zugleich auch die IT-Architektur hin zu einer Cloud-nativen Architektur anzupassen.

Herausforderungen: Komplexität der IT-Landschaften und Überzeugung bei Entscheidern

Wo Licht ist, ist aber auch Schatten. So sehen sich die Verantwortlichen im Zuge der Anwendungsmodernisierung mit etlichen Herausforderungen konfrontiert. 68 Prozent nennen die Komplexität der bestehenden Anwendungslandschaft und der damit zusammenhängende hohe Aufwand für die Modernisierung als ein Hemmnis. Zudem muss der laufende Betrieb der IT-Systeme in der Zeit, in der sie modernisiert oder neue Systeme parallel dazu entwickelt werden, sichergestellt werden, was zu einer Doppelbelastung der IT führt.

Ein weiteres Problem bei der Planung von Modernisierungsprogrammen ist, dass diese häufig noch als reines IT-Thema gesehen werden, von dessen Bedeutung die Unternehmensleitung erst noch überzeugt werden muss. 55 Prozent der Befragten sprechen von einer mangelnden Priorität bezüglich der Anwendungsmodernisierung bei den Entscheidern in ihrem Unternehmen.

Die Studie zeigt, dass in erster Linie IT-Verantwortliche die Modernisierung der Anwendungslandschaften vorantreiben. Die Budgetverantwortung liegt jedoch meist beim Business, also der Geschäftsführung oder dem CFO. Es ist somit wichtig, eine Kommunikation auf Augenhöhe zu etablieren, unterschiedliche Interessen und Sichtweisen in Einklang zu bringen und eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. Ein weiterer Faktor an dieser Stelle ist die angespannte Konjunkturlage, die dazu führt, dass viele Betriebe Budgets knapp kalkulieren und Investitionen genau auf deren Mehrwerte prüfen.

Vor allem die Komplexität der bestehenden Landschaften macht den Unternehmen zu schaffen. (n = 160)
Vor allem die Komplexität der bestehenden Landschaften macht den Unternehmen zu schaffen. (n = 160)
Foto: Lünendonk & Hossenfelder GmbH

Knapp jedes zweite Unternehmen (48 Prozent) fordert zudem die Veränderungsbereitschaft von Mitarbeitenden zur Modernisierung und Nutzung neuer Technologien und Tools heraus. In 53 Prozent der Firmen sind Weiterbildungen und Change Management daher integraler Bestandteil des Budgets für die Anwendungsmodernisierung - bei 47 Prozent jedoch noch nicht. Um trotz Modernisierungsmaßnahmen das teilweise über Jahrzehnte hinweg erworbene Wissen nicht zu verlieren, sind ein effektiver Wissensaustausch zwischen "alten" und "neuen" Entwicklern sowie übersichtliche Dokumentationen von entscheidender Bedeutung.

Modernisieren ja - richtig umbauen eher nicht

Bei der konkreten Gestaltung und Umsetzung einer zukunftsfähigen IT-Landschaft verfolgen Unternehmen unterschiedliche Vorgehensweisen und Zielbilder. Während manche Unternehmen die bestehende Anwendungslandschaft für bestimmte Bereiche und Kernprozesse weiter betreiben und nur in Teilen modernisieren, gestalten andere ihre Anwendungen, Systeme und Prozesse vollumfänglich um.

70 Prozent der Unternehmen planen, auch in Zukunft bestehende Legacy-Systeme für bestimmte Bereiche beizubehalten, und setzen weiterhin auf Mainframes. Zwei Drittel prüfen zudem Möglichkeiten, Teile ihrer Individualsoftwarelösungen auf Standardsoftware umzustellen.

Legacy-Modernisierung braucht ein "Warum"

Einen wirklich tiefgreifenden Umbau von Anwendungen hin zu einer MACH-Architektur (Microservices, API-first, Cloudnativ, Headless) streben hingegen nur 24 Prozent der Unternehmen an. Zwar könnten hierdurch die größten Mehrwerte erzielt werden, gleichzeitig ist das Risiko und der finanzielle sowie personelle Aufwand am höchsten. Davor schrecken viele Betriebe offenbar zurück. Insgesamt dürften die IT-Landschaften damit künftig in Summe hybrider werden.

KI als Turbo in der Anwendungsmodernisierung?

Der rasante Aufstieg von KI und GenAI wirft die Frage auf, ob respektive wie die Technologie im Zuge der Anwendungsmodernisierung eingesetzt werden kann. Bei einigen Themen, etwa der Performance-Optimierung und Datenmigration, wird künstliche Intelligenz bereits heute in unterschiedlicher Form genutzt.

Bei der Performance-Optimierung und Datenmigrationen setzen viele Unternehmen schon heute auf KI. (n = 160)
Bei der Performance-Optimierung und Datenmigrationen setzen viele Unternehmen schon heute auf KI. (n = 160)
Foto: Lünendonk & Hossenfelder GmbH

57 Prozent der Studienteilnehmer sehen darüber hinaus in KI das Potenzial, bei der Migration von Legacy-Anwendungen auf Cloud-Plattformen zu helfen und möchten dieses in Zukunft stärker nutzen. Auch bei der Identifizierung von veralteten Benutzeroberflächen und deren Optimierung könnte der KI-Einsatzhilfreich sein, sagt fast die Hälfte der Befragten (48 Prozent).

Grundsätzlich geht etwas mehr als die Hälfte (54 Prozent) der befragten Unternehmen davon aus, dass künstliche Intelligenz die Modernisierung der IT-Landschaft erleichtern kann, und dass damit auch die Bedeutung der Anwendungsmodernisierung in den nächsten Jahren insgesamt weiter zunehmen wird. (ba)