Studie Applied AI 2023

Generative AI – Next Level Disruption

19.10.2023
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.
KI ist in vielen Unternehmen bereits gesetzt, nun kommt Generative AI hinzu. Der Hype um ChatGPT hat für viel Bewegung in den Organisationen gesorgt.
Generative AI ist für viele Unternehmen "next level".
Generative AI ist für viele Unternehmen "next level".
Foto: ktasimar - shutterstock.com

Lange hat die IT-Branche dem nächsten großen Ding gesucht, um an globale Disruptionen wie Cloud Computing und Digitalisierung anzuknüpfen. Mit KI beziehungsweise der modernen Ausprägung als "Generative AI" ist dies nun gelungen: Kein Tag vergeht, ohne dass nachdrücklich auf das Potenzial künstlicher Intelligenzen verwiesen wird - und auf das Risiko einer abwartenden Haltung. Die Fear of Missing Out (FOMO) im Markt scheint tatsächlich groß, was viele Energien freisetzt, denn welches Unternehmen möchte nicht schneller, effizienter und widerstandsfähiger zu Werke gehen? Menschen trauen der künstlichen Intelligenz plötzlich vieles zu - im Positiven wie im Negativen.

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Auch wenn Generative AI bei Gartner inzwischen auf der Spitze des Hype Cycles - bei den übertriebenen Erwartungen - steht: Die meisten Unternehmen sehen die Entwicklung als eine neue, große Chance, die sich nur alle paar Jahre eröffnet. Dabei ist es längst nicht so, dass alle bei Null anfangen: Die aktuelle Studie "Applied AI 2023" von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE in Zusammenarbeit mit NICE, Lufthansa Industry Solutions und KI Reply unterstreicht, dass traditionelle KI inzwischen weit verbreitet ist. Eines der wichtigsten Anwendungsfelder sind die Prozesse, hier haben bereits 50 Prozent der befragten Unternehmen konkrete Use Cases mit KI zur Automatisierung von Vorgängen umgesetzt.

Verbreiteter sind nur noch die Qualitätssicherung in der Produktion sowie die allgegenwärtigen Chatbots. Hinzu kommen 13 weitere Use Cases aus verschiedenen Bereichen. Daran lässt sich absehen: KI ist für die meisten Unternehmen kein Neuland, und keine Fachabteilung wird mittelfristig ohne sie auskommen. Den Unterschied - das nächste Level - bildet nun die generative KI. Sie eröffnet zusätzliches Potenzial, um neue Prozesse zu optimieren und darüber hinaus den Personaleinsatz sowie die von Menschen geleisteten Aufgaben signifikant zu verändern.

Frisches Geld, neue Pläne

Die damit einhergehende Hoffnung auf mehr Effizienz und Geschwindigkeit zeigt sich laut der Studie an den Budgets: Ein großer Teil der Firmen hat bereits seit einigen Jahren dedizierte Töpfe für KI-Investitionen angelegt, ein Viertel der Befragten hat "seit kurzem" nachgezogen - wohl unter dem Einfluss des GenAI-Hypes. Interessant ist, dass hier die Zustimmung aus den Fachabteilungen überdurchschnittlich hoch ist - verglichen mit Top- und IT-Managern, die tendenziell von langjährigen KI-Budgets berichten. Dies legt den Schluss nahe, dass viele Business Units nach dem Hype um ChatGPT auf die generative KI reagiert haben.

Hinzu kommt, dass die AI-Budgets im kommenden Jahr kräftig wachsen sollen: Für fast 19 Prozent der Unternehmen geht es um mehr als zehn Prozent nach oben, in 44 Prozent der Firmen sind es zwischen fünf und zehn Prozent. Die Gegenprobe: Lediglich in sechs Prozent der Firmen bleibt das KI-Budget gleich, nur ein Befragter berichtete von einem schrumpfenden Budget. Dass der KI-Umsetzungsgrad in den IT-Organisationen (58 Prozent) am höchsten ist, überrascht nicht. Den Schluss bildet der Vertrieb, hier wurden erst in 32 Prozent der Firmen KI-Systeme implementiert. Jedoch plant fast jedes zweite Unternehmen, sich im Vertrieb zu engagieren. In den anderen Business-Units liegt die Planungsquote um beziehungsweise über 40 Prozent.

Über 62 Prozent der befragten Unternehmen steigern ihre AI-Budgets im kommenden Jahr deutlich, 19 Prozent davon sogar um mehr als zehn Prozent.
Über 62 Prozent der befragten Unternehmen steigern ihre AI-Budgets im kommenden Jahr deutlich, 19 Prozent davon sogar um mehr als zehn Prozent.
Foto: Research Services: erdenbuerger - kreative kommunikation

Mehr als nur ein Hype-Thema

Dabei ist die Optimierung mit künstlicher Intelligenz längst nicht nur eine Reaktion auf die ChatGPT-Welle: Immerhin zwei Drittel der Befragten sind in finanzieller Hinsicht mit ihren bereits bestehenden KI-Systemen zufrieden oder sehr zufrieden, hinzu kommt knapp ein Viertel, das eher zufrieden ist. Eine ähnliche Situation findet sich in der inhaltlichen KI-Dimension: Hier beträgt der Anteil der (eher) Unzufriedenen in Summe nicht einmal zehn Prozent. Und kein Studienteilnehmer ist "gar nicht zufrieden".

Relativ gut lassen sich die Umsysteme für KI eingrenzen: Weitgehend gesetzt sind KI-Plattformen, Open Source und Cloud Computing. Mehr als die Hälfte der befragten IT-Organisationen nutzt eine KI-Plattform, drei Viertel haben Open-Source-AI-Systeme im Einsatz, und die Cloud kommt entweder zentral oder am Edge zum Einsatz. Allerdings sind dies keine ausschließlichen Angaben - die Einsatzmöglichkeiten etwa für proprietäre Ansätze sind vielfältig.

Externe Hilfe statt Alleingang

An fachlicher Unterstützung kommen Unternehmenseinheiten jedoch nicht vorbei, wenn sie KI-Lösungen aufsetzen wollen. KI-Lieferanten sowie IT-Service-Provider sind die ersten Anlaufstellen: Kleinere Organisationen wenden sich tendenziell an den KI-Anbieter, größere Organisationen gehen überdurchschnittlich häufig auf den Provider zu.

Jedes fünfte Unternehmen entwickelt seine KI-Lösungen selbst, 65 Prozent der Befragten greifen auf vorgefertigte Module zurück.
Jedes fünfte Unternehmen entwickelt seine KI-Lösungen selbst, 65 Prozent der Befragten greifen auf vorgefertigte Module zurück.
Foto: Research Services: erdenbuerger - kreative kommunikation

Zudem bringt die Untersuchung an den Tag, dass fast zwei Drittel der befragten Unternehmen auf "KI-Maßkonfektion" setzen. Hier werden KI-Module am Markt beschafft und für die eigenen Anforderungen trainiert. Immerhin jeder Fünfte entwickelt seine Lösungen selbst, etwa wegen eines höheren Bedarfs an Schutz und Kontrolle, um spezifische Anforderungen zu erfüllen. Dass kleine Organisationen tendenziell seltener zur Eigenentwicklung greifen, überrascht nicht.

Eine lange To-Do-Liste

Bei aller Euphorie zeigt sich in der Untersuchung jedoch auch, dass die Liste der Aufgaben von Organisationen noch recht umfangreich ist und aufwendig scheint. Ein Beispiel sind Compliance-Risiken, von denen ein Drittel der Befragten berichtet. Heute schon alle Anforderungen abzuschätzen ist jedoch nicht trivial, da zur Zeit noch am rechtlichen Rahmen gebaut wird. Interessant ist auch die Entscheidung, wie Organisationen ihr eigenes KI-Sourcing angesichts der vielen Optionen künftig ausgestalten und steuern - nach der Schatten-IT zeichnet sich im Markt schon das Thema Schatten-KI ab.

Jedes dritte Unternehmen kämpft mit der fehlenden Akzeptanz von KI-Systemen bei Kunden, Geschäftspartnern und Dienstleistern. Fast ebenso groß ist die Herausforderung gegenüber der eigenen Belegschaft.
Jedes dritte Unternehmen kämpft mit der fehlenden Akzeptanz von KI-Systemen bei Kunden, Geschäftspartnern und Dienstleistern. Fast ebenso groß ist die Herausforderung gegenüber der eigenen Belegschaft.

Laut Studie gibt es zudem Defizite bei der Priorisierung und dem Know-how auf Managementebene, in der Akzeptanz in der Belegschaft, im Überblick über den Markt sowie bei allgemeinen KI-Skills - neben diversen weiteren Baustellen. Für ein Drittel der Befragten sind KI-Systeme zudem noch mit der kritischen Frage verbunden, wie der konkrete Einsatz im eigenen Umfeld aufgefasst werden würde. Dies betrifft in erster Linie Kunden, Partner und Lieferanten, aber zu einem etwas geringeren Grad (30 Prozent) auch die eigenen Mitarbeiter.

Fachbereiche sind deutlich skeptischer

Selbst wenn das erste Interesse an Generative AI enorm war und kurze Release-Zyklen den Hype am Leben hielten, hat die Flut nicht alle Boote gehoben. Ein Beispiel: Lediglich zehn Prozent der Studienteilnehmer haben sich noch nicht aktiv mit GenAI auseinandergesetzt, auch nicht in einer "spielerischen Annäherung". Während die Abstinenzquoten laut Studie für Top-Manager und IT-Verantwortliche unter fünf Prozent liegen, sind es bei Befragten aus Fachbereichen 37 Prozent. Die Diskrepanz zieht sich fast durch die gesamte Untersuchung: Befragte aus Business Units bewerten beispielsweise das geschäftliche Potenzial von KI deutlich geringer als ihre Kollegen. So erwarten knapp 70 Prozent der Geschäftsführer eine Verbesserung der allgemeinen Customer Experience (CX) durch AI, jedoch trifft dies nur auf 18 Prozent der Fachbereichsmanager zu. Hier kommt es darauf an, die Business Units enger in die Informations-, Liefer- und Beratungskette rund um Applied AI einzubinden.

GenAI hat das Thema künstliche Intelligenz als Katalysator entscheidend vorangetrieben. Bei den Erfolgskriterien für den KI-Einsatz wird klar, wie breit sich das Potenzial der Technologie auffächert und an wie vielen Stellen die disruptive Kraft einwirken kann. Unternehmen versprechen sich laut der Studie "Applied AI 2023" zuvorderst mehr Produktivität, Effektivität und Qualität. Danach folgen Kostensenkung, Kundenzufriedenheit, steigende Umsätze, ein höherer Innovationsgrad und mehr Transparenz, aber auch eine größere Mitarbeiterzufriedenheit. Somit wirkt KI wie das Schweizer Taschenmesser für die finanzielle und organisatorische Optimierung. Kein Wunder, dass Unternehmen Sorge haben, den Zug zu verpassen. Viele Firmen haben ihr Ticket bereits gelöst - von einem reinen KI-Hype kann trotz Hype Cycle keine Rede mehr sein.

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Foto: shutterstock.com - treety

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Studiensteckbrief

Herausgeber: CIO, CSO und COMPUTERWOCHE

Studienpartner: NICE (Platin), Lufthansa Industry Solutions (Gold), KI Reply

Grundgesamtheit: Oberste (IT-)Verantwortliche in Unternehmen der DACH-Region: Beteiligte an strategischen (IT-)Entscheidungsprozessen im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs); Entscheidungsbefugte sowie Experten und Expertinnen aus dem IT-Bereich

Teilnehmergenerierung: Persönliche E-Mail-Einladung über die exklusive Unternehmensdatenbank von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE sowie - zur Erfüllung von Quotenvorgaben - über externe Online-Access-Panels

Gesamtstichprobe: 322 abgeschlossene und qualifizierte Interviews

Untersuchungszeitraum: 16. bis 23. August 2023

Methode: Online-Umfrage (CAWI)

Fragebogenentwicklung und Durchführung: Custom Research Team von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE in Abstimmung mit den Studienpartnern