SAP-Vorstandsfrau und Bitkom-Vizepräsidentin Bendiek fordert

IT braucht mehr Frauen

08.03.2022
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Die guten Absichten sind unüberhörbar, allein die Praxis sieht eher ernüchternd aus, wenn es um die Karrierechancen von Frauen in der IT geht, wie eine aktuelle Bitkom-Umfrage am Weltfrauentag zeigt.
Am Weltfrauentag wollen Frauen nicht nur mit Blumen abgespeist werden, sie erwarten von Arbeitgebern konkrete Maßnahmen, die ihre Lage verbessern, denn vor allem die IT-Industrie ist auf sie angewiesen, wie eine aktuelle Bitkom-Studie zeigt.
Am Weltfrauentag wollen Frauen nicht nur mit Blumen abgespeist werden, sie erwarten von Arbeitgebern konkrete Maßnahmen, die ihre Lage verbessern, denn vor allem die IT-Industrie ist auf sie angewiesen, wie eine aktuelle Bitkom-Studie zeigt.
Foto: ChiccoDodiFC - shutterstock.com

Die digitale Wirtschaft will Frauen stärker fördern. So haben sich 24 Prozent der Unternehmen Ziele gesteckt, um den Frauenanteil zu erhöhen. Weitere 14 Prozent planen das konkret, bei 29 Prozent ist dies derzeit in der Diskussion. Für ebenfalls 29 Prozent der Unternehmen sind entsprechende Ziele hingegen auch künftig kein Thema. Das sind Ergebnisse einer Studie des Digitalverbands Bitkom, für die mehr als 500 Unternehmen der Bitkom-Branche repräsentativ befragt wurden.

Die Branche beschäftigt in Deutschland derzeit 1,25 Millionen Menschen. Einer aktuellen Bitkom-Prognose zufolge wird die Zahl der Erwerbstätigen im laufenden Jahr um drei Prozent auf dann 1,29 Millionen steigen, Frauen sind dabei stark unterrepräsentiert.

"Branche muss weiblicher werden"

"Die digitale Wirtschaft muss weiblicher werden", fordert die Vizepräsidentin des Bitkom und SAP-Vorstandsfrau, Sabine Bendiek, bei der Vorstellung der Untersuchungsergebnisse. "Gemischte Teams sind für den Erfolg von Unternehmen extrem wichtig. Und wir sind auf Frauen angewiesen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen und nachhaltiges Wachstum zu sichern. Die Zahlen sind ein Weckruf", so Bendiek.

Bereits 2020 hatte die Bundestagsabgeordnete Anna Christmann (Bündnis 90/Die Grünen) die Initiative #SheTransformsIT gestartet, die sich für mehr Frauen in der IT stark macht. Sie unterstreicht: "Wir brauchen mehr Frauen in der Digitalisierung. Uns entgehen Innovationspotential, Fachkräfte und die Chance auf eine faire Digitalisierung."

Die Hälfte haben keine Frau im Topmanagement

Bisher ist der Frauenanteil gering: Mehr als jedes zehnte Unternehmen (11 Prozent) der Branche hat keine Frau in der Belegschaft. In 76 Prozent liegt der Frauenanteil bei weniger als 25 Prozent und lediglich in sieben Prozent der Unternehmen liegt er zwischen 26 und 50 Prozent. Je kleiner das Unternehmen, umso kleiner auch der Frauenanteil. Mit steigender Größe wächst der Studie zufolge auch der Frauenanteil deutlich. Die Unternehmen aller Größen eint allerdings: Besonders selten findet man Frauen in der Führungsetage. 49 Prozent haben keine Frau im Top-Management.

Faktoren, die den Aufstieg von Frauen hemmen sind vielfältig. Einige Hürden könnten die Unternehmen selbst beseitigen: So sagen 66 Prozent, dass traditionelle Rollenbilder in den Unternehmen dazu beigetragen hätten, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen gering ist.

Präsenzkultur ist ein Hindernis

Zudem vermuten 62 Prozent eine geringe Attraktivität der digitalen Wirtschaft für Frauen in Führungspositionen. Hürden beim Wiedereinstieg, etwa nach einer Schwangerschaft, sieht die Hälfte der Unternehmen (51 Prozent) als problematisch. 41 Prozent bezeichnen die Präsenzkultur in Firmen als hemmend für Frauenkarrieren und knapp jedes dritte Unternehmen (31 Prozent) sieht eine gläserne Decke in der Branche.

Mit Blick auf die Rahmenbedingungen verweisen 78 Prozent darauf, dass die mangelnde Betreuungsinfrastruktur für Kinder Frauenkarrieren hemme. Zudem meinen 54 Prozent, es gebe zu wenige qualifizierte Kandidatinnen. Darüber hinaus erklären 47 Prozent, Frauen würden sich selbst schlechter vermarkten und verfügten über keine ausreichenden Netzwerke (38 Prozent).

Unternehmen fehlt klare Zuständigkeit für Gleichstellung

Bisher fehlt in jedem zweiten befragten Unternehmen (50 Prozent) die Zuständigkeit für die Gleichstellung von Frauen und Männern. Lediglich in zwei bis drei Prozent der befragten Firmen gibt es Gleichstellungs- bzw. Diversity-Verantwortliche, in einem knappen Viertel (24 Prozent) übernimmt die Personalabteilung diese Aufgabe, bei 22 Prozent ist sie unmittelbar in der Geschäftsführung angesiedelt. Es sind fast ausschließlich Unternehmen mit weniger als 200 Beschäftigten, die die Verantwortung nicht geregelt haben.

So gut wie alle Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigen haben das Thema geklärt. Dazu Bitkom-Vizepräsidentin Bendiek: "Die Gleichstellung von Frauen und Männern muss immer auch eine Führungsaufgabe sein. Nur wenn Vorgesetzte die Chancengleichheit aktiv vorleben, können die notwendigen Umbrüche gelingen. Gleichstellung muss Teil der DNA eines jeden Unternehmens werden."

Quoten sind kein Thema

Die digitale Wirtschaft will auf eine Vielzahl von Maßnahmen setzen, um den Frauenanteil zu erhöhen. 40 Prozent haben bereits Weiterbildungsprogramme zur Förderung von Frauenkarrieren im Einsatz, weitere 15 Prozent planen dies. 34 Prozent setzen auf familienfreundliche Arbeitsbedingungen, elf Prozent wollen ihren Einsatz dafür weiter verstärken.

Spezifischere Maßnahmen, etwa Präsenz auf Messen und Karriere-Events für Frauen, gibt es bisher nur in neun Prozent der Unternehmen, sieben Prozent haben entsprechende Planungen, für 68 Prozent ist das indes kein Thema. Auch feste Zielgrößen für Frauen in Führungspositionen oder die Bevorzugung von Frauen bei gleicher Qualifikation sind für viele Unternehmen (jeweils 76 Prozent) aktuell noch kein Thema.

Gemischte Teams sind produktiver

"Die meisten Unternehmen wissen, wie wichtig die Gleichstellung von Männern und Frauen für ihre Zukunft ist. Jetzt müssen sie spezifische Maßnahmen treffen, um Frauenkarrieren wirksam zu fördern. Es braucht Role Models und die gezielte Ansprache von Frauen in der Personalgewinnjung, starke Frauen mit Führungsverantwortung, leistungsfähige Netzwerke und ganz konkrete Maßnahmen wie die Verankerung von Frauenförderung in Zielvereinbarungen von Führungskräften", so Bitkom-Vizepräsidentin Sabine Bendiek.

Denn die Stärken gemischter Teams sind den IT-Unternehmen klar: 93 Prozent erklären, dass sie zu einem besseren Betriebsklima beitragen, 73 Prozent berichten von höherer Produktivität in gemischten Teams. Zudem bestätigen 85 Prozent, dass Frauen neue Ideen und andere Sichtweisen ins Unternehmen einbringen und 83 Prozent meinen, dass die Wirtschaft auf IT-Spezialistinnen angewiesen ist, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.