Die Nachfrage nach umfassenden ECM-Lösungen nimmt zu, konstatieren die Berater von Forrester. Die IT-Infrastruktur-Verantwortlichen in den Unternehmen suchen vor allem nach einer Plattform, die auch unstrukturierte Information über ihren gesamten Lebenszyklus verarbeiten und verwalten kann, schreibt Studienleiter Kyle McNabb. Dabei stelle sich aber die Frage, inwieweit die gegenwärtigen Lösungen der ECM-Anbieter die Erwartungen der Anwender erfüllen können. Das besondere Augenmerk der Analysten galt dabei der Frage, in welchem Maße die marktführenden ECM-Systeme integriert sind. „Bieten die Hersteller wirklich eine integrierte Gesamtlösung an, oder handelt es sich lediglich um eine Sammlung einzelner Funktionsbereiche?“
Forrester hat die Lösungen der führenden Anbieter EMC Documentum, FileNet, Hummingbird, IBM, Interwoven, Microsoft, Mobius Management Systems, OpenText, Oracle, Stellent und Vignette vergleichend untersucht. Grundlage der Studie waren Kundenbefragungen, Gutachten der Anbieter sowie Produktinformationen und Demos.
Dabei stieß Forrester auf einen Widerspruch – „das ECM-Paradox“, wie die Analysten es formulieren: Die Technologien, auf denen ECM basiert, sind durchweg erprobt, teilweise sogar sehr ausgereift wie Document Management (DM), Document Imaging, Web Content Management (WCM), Digital Asset Management (DAM), Computer Output to Laser Disc (COLD – auch Enterprise Report Management, ERM, genannt) und Records Management (RM). Aber während die zugrunde liegenden einzelnen Technologien bereits vor Langem das Erprobungsstadium verlassen haben, steckt die Integration der einzelnen Funktionsbereiche zu kompletten Suiten, Content-zentrierten Anwendungen oder Infrastrukturlösungen noch in den Anfängen.
Erst das explosive Anwachsen unstrukturierter Informationen in den Unternehmen hat das Bewusstsein hervorgerufen, dass Inhalte mit derselben Konsequenz und nach denselben Maßstäben gemanagt werden müssen, wie sie auch an andere Unternehmensdaten angelegt werden. „Das hat zu einem ganzheitlichen Blick auf die Problematik geführt und die Nachfrage nach umfassenden Lösungen geweckt“, sagt McNabb.
Eine Lösung, die alle Funktionsbereiche des ECM komplett abdeckt, ist aber noch nicht verfügbar. „Die Suiten der großen Anbieter unterscheiden sich in Hinblick auf Funktionsangebot und Integrationstiefe noch ganz erheblich – das hängt auch davon ab, ob sie ihre Suiten durch Zukauf oder Eigenentwicklungen komplettieren“, sagt McNabb.
Dabei seien jene Unternehmen im Vorteil, die sich schon länger mit der Integration der einzelnen Komponenten befassen, wie IBM und EMC. „Andere Anbieter haben gerade erst damit begonnen, ihre Einzellösungen in ein Gesamtprodukt zu integrieren“, stellt McNabb fest. IBM und EMC verfügten nach Einschätzung der Analysten zurzeit über die umfassendsten Suiten, obwohl andere Anbieter in Teilbereichen bessere Lösungen hätten.
Konkurrenz droht den Spezialisten von den großen IT-Infrastruktur-Anbietern. Oracle und Microsoft suchen einen Weg in den ECM-Markt und sind dabei, ihre Produktpaletten um ECM-Funktionen zu erweitern. Trotz späten Einstiegs und gegenwärtig noch eher bescheidenem ECM-Lösungsangebots bescheinigt Forrester besonders Microsoft eine zukunftsträchtige ECM-Strategie:Gepaart mit seiner Marktpräsenz habe der Software-Gigant eine herausragende Ausgangsposition.
Die reinen ECM-Anbieter müssten wegen der neuen Konkurrenz ihren Kurs überdenken und sich entscheiden, ob sie ihre Strategie in Richtung Infrastruktur oder Content-spezifische Bereiche ausrichten. Dabei legt, so die Analysten, der Einstieg der IT-Infrastruktur-Schwergewichte in den ECM-Markt eine Ausrichtung auf Content-bezogene Anwendungen nahe, um nicht erhebliche Marktanteile an die Marktneulinge zu verlieren.
Bewegung im Markt
Der Markt für ECM-Lösungen ist in Bewegung, die Konsolidierung in vollem Gange. Elf führende Anbieter hat Forrester Ende letzten Jahres untersucht und bewertet. Zwei von ihnen sind inzwischen durch Übernahmen (FileNet wurde von IBM, Hummingbird von OpenText gekauft) als selbstständige Unternehmen vom Markt verschwunden. Der Einstieg der Software-Riesen IBM, Microsoft und Oracle wird die Marktanteile weiter verschieben. Eine Handvoll Anbieter mit umfassenden ECM-Suiten werden nach der Konsolidierung übrig bleiben, schätzt der unabhängige Berater und ECM-Experte Dr. Ulrich Kampffmeyer (siehe Interview). Bereits im Februar 2006 und lange vor den Übernahmen kommentierte Kampffmeyer die Forrester-Studie fast prophetisch: „Anwender sollten sich nicht durch Übernahmegerüchte, etwa für OpenText oder FileNet, abschrecken lassen. Eine Übernahme dieser Lösungsanbieter durch eines der großen IT-Unternehmen kann zu besserem Service und verbesserter Technologie führen, da mehr Ressourcen zur Verfügung stehen.“ Bereits seit Jahren hat Kampffmeyer auf den „Paradigmenwechsel im Dokumenten-Management“ und die zu erwartenden Veränderungen im Markt hingewiesen. Der Experte hat Recht behalten.