Mumbai, Nariman Point, im Mai 2010. Die Stadt hat die vierthöchsten Gewerbeimmobilienpreise der Welt. Es ist kurz vor 24 Uhr. John sitzt im 20. Stockwerk eines der modernen Bürogebäude. Draußen hat es seit Wochen über 42 Grad Celsius, doch das spürt er im Luftzug der Klimaanlage kaum. Es sind nur noch wenige Wochen bis zum Monsun, das Klima ist schwül und drückend. Die Klimaanlage kühlt so kräftig, dass sich ein Durchschnittseuropäer erkälten würde, doch die Inder mögen es so.
Glücklicherweise reißt der frische Luftstrom dank einer eigenen Energieversorgung kaum ab. In diesem Stadtviertel muss kaum jemand auf Strom verzichten - im Gegensatz zu vielen Orten anderswo in Indien. Bis zur Auslieferung der Software, die John programmiert, sind es nur noch wenige Stunden. Schon seit zwei Wochen arbeitet John jeden Abend bis spät in die Nacht.
- Indien: Trend- und Taktgeber
Indien ist Pionier sowie Trend- und Taktgeber im Offshore-Markt. Doch das Land muss sich neuer Konkurrenz erwehren, denn Offshore-Services lassen sich weitgehend ortsunabhängig beziehen. Längst haben auch andere Länder das Geschäft entdeckt und bieten IT-Dienste an.<br/><br/> (Foto: T.Gründer) - Malaysia: Der Staat fördert die IT
Als Konkurrenz für Infrastrukturservices hat sich seit geraumer Zeit Malaysia positioniert. In Cyberjaya, einem staatlich eingerichteten IT-Park vor den Toren von Kuala Lumpur, haben sich vorwiegend Data-Center-Betreiber angesiedelt. Sie bieten von dort aus ähnliche RZ-Dienste an wie die Provider in Singapur, allerdings in der Regel zu etwas günstigeren Bedingungen.<br/><br/> Foto:Torsten Gründer - Dubai: Teueres Pflaster
Dubai startete vor wenigen Jahren mit der Gründung der Dubai Internet City in das Geschäft mit IT-Offshoring. Der Wüstenstaat vergibt für die Ansiedlung in dem Industriepark Lizenzen an internationale IT-Dienstleister. Die in den Emiraten für den globalen Markt betriebenen Services ranken sich vornehmlich um die IT-Infrastruktur und das Projekt-Management.<br/><br/> Foto:Torsten Gründer - Südafrika: Gute Voraussetzungen, wenig Ertrag
Die gleiche Zeitzone wie Mitteleuropa und eine enorme Sprachenfülle sind eigentlich ideale Voraussetzungen für einen erfolgreichen Offshore-Standort, doch bislang konnte Südafrika seine guten Möglichkeiten nicht ausschöpfen. Das Land kommt kaum über den Betrieb von einfachen Call-Center-Services etwa für amerikanische Banken hinaus. Nach wie vor behindern große Bildungsunterschiede, ein aus historischen Gründen teilreglementierter Arbeitsmarkt sowie eine schwache IT-Branche die Entwicklung der Offshore-Industrie.<br/><br/> Foto:Torsten Gründer - Fundierte Standortwahl
Torsten Gründer: "Die Zahl der IT-Offshore-Standorte nimmt weiter rasch zu. Nicht alle lokalen Anbieter sind indes reif genug, um IT-Dienste für Anwender betreiben zu können. Die Offshore-Dienstleister unterscheiden sich erheblich, so dass Unternehmen, die IT-Services aus entfernten Regionen nutzen möchten, sich intensiv informieren sollten. Der Entscheidung sollte eine detaillierte Nutzenanalyse und eine fundierte Standort- und Dienstleisterwahl vorausgehen. Unbedingt dazu gehört ein Besuch vor Ort."
John hat am IITB (Indian Institute of Technology Bombay) Informatik studiert und als einer der Besten seines Jahrgangs ein Stipendienjahr in den USA verbracht. Dort wurde er nach seinem Abschluss sofort von einer Technologiefirma in Boston eingestellt. Sein Spezialgebiet waren Geschäftsprozesse, bis er vor fünf Jahren den Schritt zurück in die Heimat wagte. Aber momentan ist er nicht in bester Stimmung, weil er seine Aufgabe nicht entsprechend den üblichen Standards erledigen kann.
John arbeitet für Kiri Technologies Limited, einen jener indischen Aufsteiger der IT-Dienstleistungsbranche, die in wenigen Jahren von einer Garagenfirma zu einem Unternehmen mit knapp 1000 Mitarbeitern gewachsen sind. Sein richtiger Name ist Ajatashatru Kumar Gupta. Seit er jedoch zuerst für amerikanische, und jetzt hauptsächlich für Firmen in Europa Software entwirft, häuften sich die Probleme: Seine Kunden konnten seinen Namen nicht verstehen und schon gar nicht aussprechen. So hat er sich einen kurzen und im westlichen Sprachgebrauch leicht zu merkenden und einfach auszusprechenden Zweitnamen zugelegt: John Gupta - Senior Development Architect.