Zufriedenheitsstudie von Trovarit

Anwender beklagen schlechte ERP-Services

07.10.2022
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Während die Unternehmen mit ihren ERP-Lösungen meist grundsätzlich einverstanden sind, wächst die Kritik an den Dienstleistungen. Das liegt vor allem an der Marktkonzentration und den Problemen einzelner Anbieter.
Mit dem Service für ihr ERP-System sind viele Anwender unzufrieden.
Mit dem Service für ihr ERP-System sind viele Anwender unzufrieden.
Foto: AdriaVidal - shutterstock.com

Immer mehr ERP-Kunden haben an den Services ihrer Softwarelieferanten etwas auszusetzen. "Im Hinblick auf die Gesamtbeurteilung der Dienstleistungen des Softwarepartners sowohl während des laufenden Betriebs als auch während der Implementierung hat die Zufriedenheit deutlich nachgelassen", lautet das Fazit der Analysten von Trovarit in ihrer jüngsten Studie zur Zufriedenheit der Anwender mit ihren Systemen für das Enterprise Resource Planning (ERP). Demzufolge schneidet bei einigen ERP-Anbietern die Dienstleistung rund um die Software um bis zu zwei Schulnoten schlechter ab als die Lösung an sich.

Seit 2004 fragen die Aachener Marktforscher im Zweijahresrhythmus das Stimmungsbild unter ERP-Nutzern in Deutschland, Österreich und der Schweiz ab. In die diesjährige Untersuchung flossen knapp 2000 Bewertungen von Geschäftsführern, IT-Leitern sowie ERP-Verantwortlichen aus den Fachabteilungen ein. Insgesamt sind bei den Befragten 129 verschiedene ERP-Systeme im Einsatz - ein Beleg dafür, dass der Markt nach wie vor stark fragmentiert ist. Für 37 ERP-Systeme lagen am Ende der Auswertung genügend Antworten vor, so dass belastbare Aussagen getroffen werden konnten.

Anhand von 39 Merkmalen wurden die Anwender nach ihrer subjektiven Zufriedenheit mit ihrer ERP-Lösung gefragt. Im Zentrum standen dabei der Nutzen sowie die Herausforderungen, die sich den Betrieben im Rahmen der Einführung und während des Einsatzes der Lösung stellen. Auch aktuelle Trends und künftige Entwicklungen haben die Studienteilnehmer beurteilt.

Das Anbieterfeld in der ERP-Zufriedenheitsstudie 2022 von Trovarit.
Das Anbieterfeld in der ERP-Zufriedenheitsstudie 2022 von Trovarit.
Foto: Trovarit

Grundsätzlich spielen die eingesetzten ERP-Systeme ihre Rolle als zentrales Nervensystem im Geschäftsbetrieb vieler Unternehmen gut, konstatiert Trovarit auf Basis der Studienergebnisse. Die Anwender sind zufrieden, was die effiziente Abwicklung der tagtäglichen Geschäftsvorgänge durch die ERP-Software anbelangt. Wie schon 2020 liegt die Durchschnittsnote bei 1,80 - auf einem guten Niveau also.

Allerdings trüben die offensichtlichen Defizite bei den Dienstleistungen das Gesamtbild. Dabei gibt es unterschiedliche Gründe, für den Unmut der Anwender:

  • In den zurückliegenden Jahren wurden etliche ERP-Anbieter übernommen. Diese Marktkonzentration zog erhebliche Umstrukturierungen auf der Anbieterseite nach sich. Durch Personalwechsel und veränderte Zuständigkeiten wurden über Jahre gewachsene Beziehungen zwischen den Kunden und ihren Beratern gestört. Die diesbezügliche Unzufriedenheit mancher Kunden lässt Trovarit zufolge auf fehlende Professionalität vieler ERP-Anbieter in ihren Servicebereichen schließen. Es fehle an leistungsfähigen Strukturen, Standards und Methoden. Das gelte für Implementierungsprojekte, Releasewechsel, Fehlerbehebung und Support im Tagesgeschäft sowie für die Beratung zur Einsatzoptimierung.

  • Neben der Marktkonzentration gibt es auch interne Gründe bei einzelnen Herstellern, warum die Servicequalität leidet. Beispiel IFS: Hier fällt Trovarit eine ausgeprägte "Asymmetrie zwischen der Zufriedenheit mit der Software einerseits und der offensichtlichen Unzufriedenheit mit den Dienstleistungen des Anbieters andererseits auf", schreiben die Studienautoren. Während die Software insgesamt gut bewertet werde und auf einem Niveau mit den unmittelbaren Wettbewerbern liege, seien die Kunden mit ihrem Anbieter insgesamt weniger zufrieden. Die Beurteilung sei schon 2020 unterdurchschnittlich ausgefallen, 2022 habe sie sich abermals um eine halbe Schulnote verschlechtert.
    Trovarit beobachtet strukturelle, personelle und produktbezogene Veränderungen auf Anbieterseite. IFS habe vor einigen Jahren die globale Unternehmensorganisation deutlich zulasten der eher regional orientierten Landesgesellschaften gestärkt, berichten die Analysten. Damit seien gerade im deutschsprachigen Raum große personelle Veränderungen einhergegangen, angefangen vom Top-Management bis hinein in die Beratungs- und Support-Struktur.
    Schließlich wurde im Frühjahr 2021 mit IFS Cloud ein völlig neues Release von IFS Applications vorgestellt, dass sich nicht nur technologisch, sondern auch im Hinblick auf die Bereitstellung massiv von den Vorgängern unterscheidet. Auch wenn diese Maßnahmen aus strategischer Sicht für IFS sowie mittelfristig auch für die Kunden durchaus sinnvoll sein könnten, hätten der nicht immer reibungslose Übergang und die damit verbundenen Umstellungen zu erheblichen Irritationen auf Seite der IFS-Kunden geführt, so das Fazit der Studie.

Gewinner und Verlierer bei der ERP-Zufriedenheit

Wie schon in den Vorjahren kommt Trovarit auch 2022 zu der Erkenntnis, dass "schlanke" ERP-Lösungen, Branchenlösungen und Angebote kleinerer Hersteller mit einem verhältnismäßig kleinen Kundenstamm besser abschneiden als die komplexen Softwaresuiten der größeren Anbieter. Die tendenziell besseren Noten der Kleinen kommen zustande, weil die Kundenbetreuung intensiv und individuell ausfällt, während Anbieter mit einem größeren Kundenstamm auf Standardisierung der Software und der Serviceprozesse setzen.

Besonders gut abgeschnitten haben in der Liga der 'Kleinen' die Anbieter work4all, syslog.ERP und ISSOS PRO. Alle drei lagen auch in der Umfrage vor zwei Jahren im vorderen Feld.

Bei den mittelgroßen ERP-Installationen beobachtet Trovarit eine Zweiteilung des Feldes. Die Spitzengruppe bilden Anbieter, die sowohl für ihr Produkt als auch für den Service gute Noten erhielten. Die Analysten betonen, dass sich für diese Anbieter die intensive Kundenbetreuung während der Einführung und des laufenden Betriebs auszahlten. Auffällig in dieser Gruppe: Bis auf eine Ausnahme (eNVenta) kommen Software und Service aus einer Hand, da alle Lösungen aus der Spitzengruppe direkt durch die Hersteller angeboten und betreut werden.

Die Noten für das Produkt sind in der zweiten Mittelstandsgruppe kaum schlechter, aber der Service wird viel negativer beurteilt. Die Analysten nennen Proalpha als Beispiel: Die ehrgeizige Akquisitionsstrategie des Unternehmens ziele darauf ab, ein umfassenderes Lösungsangebot für Unternehmen der diskreten Fertigung bereitstellen zu können. Dabei bereite das anorganische Unternehmenswachstum jedoch Probleme hinsichtlich der produktseitigen und organisatorischen Integration der Zukäufe. Die Folge: Etlichen Kunden werde weniger Aufmerksamkeit zuteil, als sie es in den vergangenen Jahren vom mittelständisch geprägten Softwareanbieter gewohnt gewesen seien.

Unter den großen ERP-Lösungen schneidet in diesem Jahr Infor mit seiner CloudSuite (CS), dem Nachfolger von Infor LN, am besten ab. Dabei macht Infor CS nicht nur im Hinblick auf die Softwarenote Boden gut. Auch die Zufriedenheit der Anwender mit der Wartung wird besser. An dieser Stelle hatte Infor vor zwei Jahren mit seinen Lösungen LN und M3 durchaus das eine oder andere Problem.

SAP stagniert mit S/4HANA bei den Noten für Software- und Dienstleistungszufriedenheit im Vergleich zu 2020. Schlusslicht unter den Großen ist wie schon 2020 IFS.

ERP zwischen "Werkzeug" und "Rückgrat"

Neben der Bewertung der Anbieter wirft die aktuelle Trovarit-Studie auch einige interessante Schlaglichter auf die aktuelle ERP-Nutzung und -Trends.

  • Viele Unternehmen haben Probleme mit der Performance ihrer ERP-Systeme.
    Viele Unternehmen haben Probleme mit der Performance ihrer ERP-Systeme.
    Foto: Trovarit

    Kritikpunkte: Trotz einer leichten Verbesserung gegenüber den Vorjahren schneidet die "mobile Einsetzbarkeit der ERP-Software" mit der Durchschnittsnote 2,76 wieder am schlechtesten unter allen betrachteten Zufriedenheitsaspekten ab. Nach Einschätzung der Analysten greifen Maßnahmen, wie etwa die vermehrte Umstellung auf Web-Technologien mit Responsive Design noch nicht. Auffällig verschlechtert hat sich im Vergleich zu 2020 auch das Anwenderurteil zu "Performance" und "Stabilität" der ERP-Software. Neben höheren Anforderungen nach Rechenleistung durch neue grafische Oberflächen könne hier auch der Umstand eine Rolle spielen, dass in den vergangenen Jahren viele Anwender aus dem Home-Office über das Internet auf die ERP-Software zugegriffen hätten. Begrenzte Bandbreiten und instabile Internet-Anbindungen würden dann gerne mal der ERP-Software angelastet.

  • Auftragsabwicklung und Finanzbuchhaltung - das sind und bleiben die Kernaufgaben des ERP.
    Auftragsabwicklung und Finanzbuchhaltung - das sind und bleiben die Kernaufgaben des ERP.
    Foto: Trovarit

    ERP-Rolle: Fast die Hälfte der befragten Anwender sieht im ERP-System zuerst ein "Werkzeug für die Auftragsabwicklung". Nur ein gutes Drittel bezeichnet es als "Rückgrat der Softwarelandschaft". Schwindet also de Bedeutung von ERP? Die Trovarit-Analysten sagen: Nein. Für die Zukunft würden Anwender die ERP-Software insgesamt gestärkt sehen, wobei die Rollen als Prozessstabilisator, Qualitätsgarant und Cockpit zur Unternehmenssteuerung am meisten hinzugewönnen.

  • Das Thema Nachhaltigkeit - immerhin auf Rang sechs in den Top ten - scheint für viele ERP-Anwender wichtiger zu werden.
    Das Thema Nachhaltigkeit - immerhin auf Rang sechs in den Top ten - scheint für viele ERP-Anwender wichtiger zu werden.
    Foto: Trovarit

    Trends: In der Liste der Themen und Trends hat sich unter die "üblichen Verdächtigen", wie Daten- und Informationssicherheit oder Usability ein neues Thema gemischt: Nachhaltigkeit. Immerhin 36 Prozent der befragten Anwender billigen dem Umweltaspekt mit Fragestellungen rund um Energieeffizienz oder CO2- beziehungsweise Ökobilanz eine hohe Relevanz zu. Dafür gesorgt haben Trovarit zufolge politische und gesetzgeberische Initiativen wie die EU-CSR-Richtlinie und das Lieferkettensorgfaltspflichten-Gesetz. Aber auch von Seiten ihrer Kunden steige der Druck auf die ERP-Anwenderunternehmen Fortschritte in Sachen Klimaneutralität zu erzielen und diese auch nachzuweisen.

    Schließlich hat es auch das "Cloud Computing" unter die Top 10 der Trends rund um ERP-Software geschafft. Allerdings sieht nur ein Viertel der Befragten die Cloud als sehr relevant für den ERP-Einsatz an. Das spiegelt allerdings tendenziell eher die Situation in den kleineren Betrieben wider, die quantitativ in der Umfrage stärker vertreten sind. Während nur gut 22 Prozent der kleineren Firmen die Cloud für den ERP-Betrieb als wichtig erachten, gilt dies immerhin für knapp 40 Prozent der größeren Unternehmen. Insgesamt dürfte die Bedeutung der Cloud für ERP weiter zunehmen. Laut Trovarit-Umfrage können sich nur rund 30 Prozent der Teilnehmer nicht vorstellen, ihre ERP-Lösung in der Cloud laufen zu lassen.