ibm und debis systemhaus ziehen die trumpfkarte weiterbildung

Das Beste aus sich herausholen

01.07.1999
Hochqualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen ist nicht die ultima ratio der Personalentwicklung. Wer Young Professionals langfristig binden will, muß sich um Integration bemühen und zahlreiche Chancen zur persönlichen Weiterentwicklung bieten.

von Winfried Gertz*

"Ein Traum ging in Erfüllung" erinnert sich Nadine Jekelfalussy noch genau an den Tag, als sie ihren Arbeitsvertrag bei der IBM unterschrieb. Nach einer vom Arbeitsamt Stuttgart organisierten Umschulung zum ProjektManager und einem Praktikum bei Daimler-Chrysler bewarb sie sich selbstbewußt beim Weltmarktführer für Informationstechnologie. Kaum war das Assessment Center überstanden, fragte man sie: "Möchten Sie zu uns kommen?"

Wie das Beispiel der promovierten Zahnärztin von der Universität Budapest zeigt, finden auch die sogenannten Exoten Wege ins Reich des IT-Riesen, dessen deutsche Niederlassung derzeit rund 23000 Mitarbeiter zählt und damit die größte Ländergesellschaft des Konzerns in Europa ist. Dabei stehen alle Zeichen auf Wachstum: 1998 ist der IBM-Umsatz im Vergleich zum Branchendurchschnitt erneut stärker gewachsen. Mit einem Anteil von 60 Prozent tragen Dienstleistungen dazu bei - der Verkauf von Hardware steht längst nicht mehr im Vordergrund.

"Wie bereits im vergangenen Jahr wollen wir erneut 2500 Mitarbeiter einstellen", sagt Birgit Hasler-Pfandl, Personalleiterin im Bereich Global Services. Gut die Hälfte davon sind Hochschulabsolventen, die bei IBM und ihren Tochtergesellschaften Sercon, CMG oder CGI unterschlüpfen. Spezialisten für Software und Services sowie für den Midrange-Bereich tummeln sich in interessanten Projekten, die vor allem im Finanzdienstleistungsbereich, in der Telekommunikation sowie der Öffentlichen Hand angesiedelt sind. "Die Entwicklungsperspektiven unserer Mitarbeiter sind glänzend", verspricht die Personalleiterin.

Mehr Angebote als Bewerbungen

Nicht zurückstehen will das Debis Systemhaus. Allein 1800 Hochschulabsolventen will man in diesem Jahr gewinnen. Die Tochter der Daimler-Chrysler Services AG, die ihrerseits insgesamt weltweit 14000 neue Jobs zu besetzen hat, beschäftigt an Standorten in ganz Deutschland rund 11 000 Mitarbeiter. Einer davon ist Randolf Skerka, Spezialist für IT-Sicherheit in der Bonner Niederlassung. Nach dem Informatikstudium an der Universität Clausthal-Zellerfeld nahm er sich etwa vier Wochen Zeit, um sich den besten Job zu suchen. "Ich erhielt mehr Angebote, als ich Bewerbungsschreiben verfaßt hatte", wundert er sich im nachhinein. Erst das Stellenangebot vom Debis Systemhaus gab ihm das Gefühl: "Da mußt du hin."

Daß er sich bereits im Studium auf Internet-Themen konzentriert hat, kommt ihm in seinem Job ebenso zugute wie seine Mitarbeit in einem Projekt, bei dem es um die Vernetzung von Studentenwohnheimen ging. Skerka kümmerte sich um die Details, damit alles wie am Schnürchen laufen konnte. Das Anforderungsprofil des ersten Jobs und seine Erfahrungen fügten sich zu einem überzeugenden Gesamtbild.

Wer seine Karriere beim Debis Systemhaus starten möchte, muß kein vorgegebenes Profil erfüllen. "Es gibt keine Formel", sagt Personalchef Karl-Heinz Stroh. Klar, daß Informatiker und Wirtschaftsinformatiker gute Karten haben. Aber allein das Diplom sagt noch nichts aus. Auch Mathematiker, Physiker oder Betriebswirte finden Einstiegswege, zum Beispiel mit der einjährigen Ausbildung zum SAP-Professional. Zentrale Voraussetzungen sind Teamfähigkeit und ein hohes Maß an Selbständigkeit.

Auch IBM legt großen Wert darauf, daß sich die künftigen Kollegen gut einfügen. Zwar achtet man in Stuttgart auch auf die fachliche Kompetenz. Mit Internet, Java und SAP sollten Bewerber schon etwas anfangen können. Doch niemand ist allein durchs Pauken prädestiniert, einen guten Job zu machen. Um sich im dynamischen Berufsalltag zu bewähren, heißen die wichtigsten Voraussetzungen: analytisches Denken, planerisches Vorgehen bei der Arbeit und Teamkompetenz. Um sicher zu gehen, schickt man die Bewerber ins Assessment Center, wo sie mit elf anderen Kandidaten einen ganzen Tag dem kritischen Blick der Manager und Personalexperten ausgesetzt sind. "Wir wollen die Kollegen nicht sofort ins kalte Wasser werfen", räumt Personalchefin Hasler ein. Über ein intensives Einarbeitungsprogramm werden die Youngster mit dem Wichtigsten vertraut gemacht. Am Assessment Center führt aber kein Weg vorbei.

Der Nachwuchs darf reifen

Sowohl für IBM als auch für Debis spielt das Thema Weiterbildung eine zentrale Rolle. Dies ist vielleicht die stärkste Trumpfkarte, die große Unternehmen - abgesehen vom Image und einer gewissen Sicherheit - beim Poker um die Mangelware IT-Experte aus dem Ärmel ziehen können. Im Unterschied zu kleinen Firmen, in denen sich das Rad zwar schneller dreht und der Schritt vom unbedarften Einsteiger zum einflußreichen Manager viel kleiner ist, können Großunternehmen wie IBM oder Debis dem Nachwuchs mehr Zeit zum Heranreifen geben.

"Das Weiterbildungsangebot ist sehr gut", hat Skerka schon gewußt, bevor er bei Debis unterschrieb. "Man muß die vielfältigen Chancen nur nutzen", sagt der 27jährige Informatiker. Für Personalchef Stroh ist es eine wichtige Integrationsaufgabe, die das Unternehmen zu leisten habe. "Schnelles Wachstum gelingt nur durch Integration." Erst 1998 wurde dazu das Programm "Arrive" gestartet. Während der ersten zwölf Monate drehe sich alles um die Aufgabe, die Neuen einzugliedern und zum persönlichen Erfolg zu führen. Angesichts der aktuellen Nachfrage auf dem Personalmarkt kann sich kein Unternehmen erlauben, bei der Weiterbildung seiner Mitarbeiter zurückzustehen. Sonst springen Young Professionals bei der erstbesten Gelegenheit ab.

Einen überzeugenden Ansatz wählte Debis Systemhaus 1997 mit der Gründung seiner Abendakademie. Ziel war es, die Erfahrungen, die Mitarbeiter in Kundenprojekten gewinnen, tatsächlich auch im eigenen Haus zu nutzen. Obwohl dies jedem Personalchef einleuchtet, scheiterten bisher aber alle Versuche, die Kollegen zur Weitergabe ihres Know-hows anzustiften. Entweder hat man keine Zeit oder es gibt kein Forum für den Informationsaustausch. Im Zeitalter von lernenden Organisationen und Wissens-Management ein kaum hinzunehmender Umstand. Statt Daten ins Intranet zu stellen und darauf zu hoffen, daß sich alle darauf stürzen, favorisierte Stroh den gezielten Austausch unter Kollegen. In der Abendakademie fungieren Mitarbeiter als Dozenten und geben ihr Wissen weiter.

Das Modell funktioniert: Rund 3000 Mitarbeiter haben seither die Veranstaltungen besucht und sich auf dem laufenden gehalten. Besondere Nachfrage erzielen Themen wie Projekt-Management, bei dem viele Mitarbeiter Nachholbedarf verspüren. Nach jeder Veranstaltung vergeben die Besucher Noten. Was nicht funktioniert, wird vom Kursplan gestrichen.

Nach zwei Monaten Projektleiter

Für Skerka eine gute Chance, an seiner Karriere zu basteln. "Ich habe noch viele weiße Flecken auf der Wissenslandkarte", gibt er zu. Dabei benötigte er nach seinem Einstieg gerade einmal zwei Monate, um sich bereits zum Projektleiter zu qualifizieren. Meist ist er über die Woche beim Kunden, um Netzwerke zu flicken oder Firewalls zu bauen. Freitags trifft er sich zum Informationsaustausch mit Kollegen oder zur Terminabsprache mit Vorgesetzten und Kunden im Büro.

Geradezu eine strategische Verpflichtung ist für IBM die Präsentation als ein Unternehmen, das seinen Mitarbeitern viele Entwicklungsperspektiven bieten kann. Neben dem kompletten Stellengebot sind auf der Homepage www. ibm.de zahlreiche Weiterbildungsangebote und Karrierepläne für Fach- und Führungskräfte, ja selbst internationale Praktikantenaustauschprogramme nachzulesen. Online präsentieren sich viele junge Mitarbeiter, die entweder gerade seßhaft geworden oder bereits einige Stufen der Karriereleiter emporgeklettert sind.

Doch der Wechsel vom Hörsaal in den Berufsalltag ist noch immer nicht frei von Irritation. Hartnäckig behauptet sich zum Beispiel der Glaube, das Informatikstudium führe unweigerlich - ob gewünscht oder nicht - in den "Programmierbunker". Elmar Meyer zu Bexten, Informatiker und bereits zu Schulzeiten Tüftler, wurde erst bei IBM klar, daß sein Beruf mehr erfordert als "zehn schnelle Finger und die Bereitschaft, das halbe Leben vor dem Computerbildschirm zu sitzen".

Anders als im Studium erwartet, verbringt der im IBM-Entwicklungslabor in Böblingen beschäftigte Informatiker höchstens 20 Prozent seiner Zeit für die Implementierung von Software, konzentriert sich dafür aber um so mehr auf die Analyse von Benutzeranforderungen, die Ausarbeitung von Lösungsentwürfen oder die Überwachung von Kundenprojekten. Statt über Programmcodes zu brüten, schreibt er E-Mails, telefoniert mit Kunden und diskutiert mit Geschäftspartnern und Kollegen. Daß er den Prozeß der Entstehung eines Produktes vom ersten Entwurf bis zur Marktreife miterleben und mitgestalten kann, hätte er sich vor seinem Einstieg bei IBM vor einem Jahr kaum vorstellen können.

Das geht vielen Young Professionals so, wie Skerka bestätigt. Noch immer würden die meisten Unternehmen zwischen Informatikern und Programmierern nicht unterscheiden. Viele seiner ehemaligen Kommilitonen sähen vor lauter Programmierarbeit kein Land mehr. "Als würde man einen Architekten als Maurer beschäftigen."

*Winfried Gertz ist freier Journalist in München.