Denken wir GenAI zu klein?

Kommentar  19.07.2024
Von 
Matt Asay ist Autor der US-Schwesterpublikation Infoworld.com.
Den Status Quo generativer, künstlicher Intelligenz könnte man auf ein T-Shirt drucken.
KI, die Bilder kann. Toll?
KI, die Bilder kann. Toll?
Foto: Robalito | shutterstock.com

"Ich habe eine Billion Dollar in KI-Infrastruktur investiert und alles, was ich bekommen habe, war ein schlecht geschriebener Schulaufsatz" wäre aber auch ein schönes Motiv für Tassen oder Baseball-Caps.

Die Summen, die aktuell in Rechenzentren und die zugehörige Infrastruktur (beispielsweise Nvidia-GPUs) gesteckt werden, driften inzwischen in die Obszönität ab. Gleichzeitig lässt der Return bislang zu wünschen übrig. Das liegt in erster Linie an der Hype-Cycle-Position, auf der wir uns mit Blick auf Generative AI derzeit befinden. Der Weg ins "Tal der Enttäuschungen" ist von ebendiesen gepflastert. Es kann aber auch sein, dass wir in Sachen KI zu kleinkariert unterwegs sind - oder, dass KI einfach nicht dazu in der Lage ist, Probleme auf einem Komplexitätslevel zu lösen, das ihre Kosten rechtfertigen würde.

Unaufholbare Entkopplung?

Letzterer Halbsatz bildet auch die Meinung von Jim Covello ab - seines Zeichens Head of Global Equity Research bei Goldman Sachs, wie in einem Research-Report (PDF) der Investment-Banker nachzulesen ist. Bislang sind diese komplexen Problemlösungen jedoch nicht in Sicht. Zwar fördert ein Besuch auf dem Kurznachrichtendienst X jede Menge beeindruckende Demos zu Tage - KI-generierte Bilder, Videos oder Musikstücke. Das ist auch ganz nett. Aber eben kein Business Use Case.

Das bislang vielversprechendste Einsatzgebiet von GenAI ist die Softwareentwicklung. Hier scheint die Technologie auch nachhaltigen Einfluss zu nehmen - allerdings können auch in diesem Segment nur teilweise signifikante Produktivitätssteigerungen verzeichnet werden. Die reichen jedoch bei weitem nicht aus, um die KI-Investitionen in Höhe von einer Billion Dollar hereinzuholen, die Goldman Sachs für die kommenden Jahre erwartet.

Finanzexperte Covello drückt es folgendermaßen aus: "Niedriglohnjobs durch extrem teure Technologie zu ersetzen, ist quasi das komplette Gegenteil von dem, was wir bei früheren Technologieübergängen erlebt haben." Anzunehmen, dass die Kosten für die KI-Infrastruktur schnell soweit sinken werden, dass sich ihr Einsatz für viele der heutigen Tasls lohne, sei viel zu leichtfertig, so Covello.

Dabei zieht er Parallelen zum Dotcom-Boom: "Die Leute verweisen dann immer auf den enormen Kostenrückgang, den wir bei Servern wenige Jahre nach ihrer Einführung beobachten konnten. Allerdings ist die Vielzahl der 64.000 Dollar teuren Sun-Microsystems-Server, die damals nötig war, um die Internettechnologie zu etablieren, nichts im Vergleich zu den Kosten, die der Übergang zu KI mit sich bringen wird. Und dann kommen ja noch die damit verbundenen Energiekosten - und weitere Aspekte hinzu."

Insgesamt zieht Covello in Sachen Generative AI ein durchaus vernichtendes Fazit: "In den 18 Monaten seit der Einführung der Technologie wurde keine einzige, wirklich transformative - geschweige denn kosteneffektive - Applikation gefunden."

Glaubt man MIT-Professor Daron Acemoglu, wird das auch auf absehbare Zukunft so bleiben. Wie er in seinem Forschungspapier (PDF) schreibt, könnten in den nächsten zehn Jahren lediglich 23 Prozent der Aufgaben, die KI vernünftig replizieren kann, kosteneffizient automatisiert werden.

Das halbvolle KI-Glas

Natürlich gibt es auf der anderen Seite auch keinen Mangel an KI-Verfechtern, die dennoch rapide sinkende Kosten am Horizont sehen und davon überzeugt sind, dass KI weit mehr leisten kann, als sich die Pessimisten vorstellen können.

Lori Beer, Global CIO bei JPMorgan Chase, zum Beispiel. Sie verwaltet ein IT-Budget in Höhe von 17 Millionen Dollar und setzt voll und ganz auf die Technologie. Die IT-Entscheiderin sieht den wesentlichen Grund für die bislang nicht überzeugenden Returns darin, dass die erforderlichen Investitionen in die dafür nötigen Daten vernachlässigt wurden: "Man kann nicht wirklich anfangen, über KI zu reden, wenn man nicht in der Cloud ist, wenn man seine Daten nicht modernisiert, wenn man nicht alle grundlegenden Dinge erledigt hat."

Mit anderen Worten: Wenn sich GenAI-, ML- und andere Projekte auszahlen sollen, gilt es, sich ausgiebig der unattraktiven Aufgabe der Data Preparation zu widmen. (fm)