ERP-Monolithen aufbrechen?
Für die Anbieter werde es deshalb verstärkt darum gehen, alte monolithische Strukturen aufzubrechen, sagt Bernd Wetekam, ERP-Experte bei Accenture. Der Weg führt zu integrationsfähigen Komponenten. "Das ist das A und O sowohl aus einer funktionalen wie auch aus der Architektursicht." Es sei notwendig, die Dinge modularer zu gestalten.
Dieses Versprechen haben die Softwarehersteller bereits vor Jahren im Zusammenhang mit Service-orientierten Architekturen (SOA) gegeben. Die Vision war, einzelne Softwarebausteine beliebig mit Hilfe von standardisierten Schnittstellen verknüpfen zu können. Dazu sollten die in die Jahre gekommenen Softwaresuiten in einzelne Servicemodule zerlegt werden.
"Doch die Monolithen aufzubrechen ist schlichtweg nicht praktikabel", sagt Trovarit-Vorstand Sontow und verweist auf die Mächtigkeit der Softwarepakete. Kaum jemand vermöge zu überblicken, was beispielsweise SAP über die Jahre in seinem System angehäuft habe. "Wer soll das im Rahmen eines Re-Engineerings der Architektur aufbrechen?", fragt der Experte. "Die Konsequenzen sind gigantisch. Das ist nicht zu machen." Für die Anbieter werde es darum gehen, rund um ihre Suiten kleingranulare Softwaremodule anzubieten. Diese ähnelten schon eher einer SOA: "Die Monolithen schmelzen im Laufe der Zeit etwas ab, verschwinden aber nicht." Nicht umsonst habe SAP mit Business ByDesign neu angefangen. "Die Altsysteme sind ein gordischer Knoten, der sich kaum mehr lösen lässt", sagt Sontow.
PAC-Experte Niemann sieht in Sachen SOA Defizite: "Ein wirklich SOA-fähiges System aus einem bestehenden heraus zu entwickeln dauert und ist aufwendig." Daher hätten viele Hersteller beschlossen, ohne Altlasten zu beginnen und komplett neue Systeme zu entwickeln. Dabei bleibe SOA ein wichtiges Designkonzept, stellt Niemann klar: "SOA ist nicht tot." Nur der Fokus habe sich im Lauf der Jahre etwas gewandelt. Heute bilde SOA die Basis für viele moderne ERP-Produkte, zu denen auch SaaS-ERP-Lösungen zählten. Mit Hilfe von SOA ließen sich wichtige Anforderungen wie Flexibilität und Anpassbarkeit leichter erfüllen.
Den Entschluss, komplett neu anzufangen, haben zuletzt vor allem kleinere ERP-Anbieter gefasst, sagt Gronau. Hersteller wie Nissen und Velten, GUS oder Oxaion hätten neue Anwendungen entwickelt, die sie neben ihre Altanwendungen stellten. Außerdem hätten diese Anbieter die Chance, sich an die Plattformen und Architekturen der Großen anzuschließen, und zwar sowohl im klassischen Softwaregeschäft als auch im Cloud-Umfeld. Die Anbieter könnten auf dieser Grundlage Speziallösungen etwa für bestimmte Branchen anbieten, sagt Niemann. Nicht alle seien auf Dauer in der Lage, notwendige Infrastrukturkomponenten selbst zu entwickeln, zu pflegen und zu betreiben: "Wenn man zu klein ist, wird das schwierig."
- Jörg Blom, Deloitte
Es geht darum, die eigene IT-Landschaft zu dokumentieren und ihre Weiterentwicklung mit einer Methode zu begleiten. Das Ziel ist es, durch diesen Ansatz die Komplexität der Architekturen in den Griff zu bekommen. - Marco Lenck, DSAG
Gerade im mobilen Bereich nimmt die Komplexität mit Sicherheit massiv zu. - Uwe Günzel, Capgemini
Derzeit kommen einige neue technische Möglichkeiten ins Spiel, die das Zeug haben, ERP-Systeme alter Prägung - ich will nicht sagen, in Frage zu stellen -, aber doch Anlass geben, diese zu überdenken. - Karsten Sontow, Trovarit
Der klassische Mittelständler fordert zwar lautstark ein flexibles und anpassbares ERP, sieht aber nicht, dass dies eigentlich Architekturthemen sind. - Michael Gottwald, Softselect
Eine moderne Software-Infrastruktur, die sich auf die im Unternehmen vorhandenen Prozesse abstimmen lässt und auch auf Änderungen flexibel reagiert, kann zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden. - Deutschen Baan Usergroup (DbuG)
In vielen Unternehmen werden noch ältere Versionen von ERP-Systemen eingesetzt, die in ihrer Architektur historisch bedingt eher monolithisch und somit den aktuellen Anforderungen nur eingeschränkt oder nicht gewachsen sind. - Frank Niemann, Pierre Audoin Consultants (PAC)
Die Unternehmen stehen vor der Herausforderung, dass sie ihre ERP-Systeme in immer kürzeren Zyklen anpassen müssen. Sie wollen nicht mehr nur Transaktionen abwickeln, sondern mehr Entscheidungsunterstützung.