Wer mit dem Gedanken spielt, sich das nächste iPhone oder ein anderes Smartphone zu kaufen, sollte sich die durchaus kostspielige Anschaffung noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Glaubt man den neuesten Prognosen, geht der Trend hin zu Wearable Gadgets. Wer mit der Smartwatch telefoniert oder mit der Brille fotografiert, kann sein Handy öfter mal in der Jacken- oder Hosentasche lassen. Möglicherweise ist es daher sinnvoller, sein Geld anderweitig zu verplanen und das alte Smartphone weiter zu nutzen.
Dass es sich bei Wearables um mehr als einen vorübergehenden Trend handeln könnte, glauben Marktforscher zu wissen: Den Analysten von Juniper zufolge werden in diesem Jahr weltweit bereits 15 Millionen smarte, tragbare Devices verkauft. Bis 2017 soll die Zahl sogar auf 70 Millionen springen. Die Kollegen von ABI Research gehen davon aus, dass der Markt in diesem Zeitraum auf 170 Millionen Geräte anwächst.
Treibendes Element neben den zahlreichen Uhren, Fitness-Armbändern und anderen Sport-Gadgets ist dabei vermutlich die Cyberbrille Google Glass. Das Device ist derzeit nur als 1600 Dollar teurer Prototyp (Explorer Edition) für ausgewählte Personen und insbesondere Entwickler verfügbar, soll jedoch voraussichtlich schon 2014 in einer deutlich günstigeren Endkundenversion auf den Markt kommen.
Für Menschen, die das letzte Jahr in einem Schweigekloster oder im tiefsten Amazonas-Gebiet verbracht haben, hier ein kurzes Update: Bei Google Glass handelt es sich um eine Datenbrille, die via Bluetooth mit einem Smartphone verbunden wird und verschiedene Informationen im oberen Sichtfeld des Trägers vor dem rechten Auge einblendet, etwa Termine, Wetterdaten oder Navigationshinweise. Gleichzeitig ist es möglich, damit zu telefonieren und Videokonferenzen abzuhalten, sowie Fotos mit fünf Megapixeln Auflösung und Video mit 720p aufzunehmen. Die Steuerung erfolgt über Sprache und Wischgesten am Brillenbügel.
Was die Faszination von Google Glass ausmacht, konnte die COMPUTERWOCHE von Kevin Foreman, Director Product Vision bei Vectorform, aus erster Hand erfahren. Sein Team hatte sich im Frühjahr erfolgreich für das Early Explorer Program "#ifIhadglass" beworben und beschäftigt sich als Spezialist für Design und App-Entwicklung seitdem intensiv mit der intelligenten Brille. Foreman selbst trug Google Glass vor allem zu Beginn täglich solange, bis der Akku seinen Dienst versagte - das trat je nach Nutzungsverhalten nach bis zu fünf Stunden ein.
Fehler ja - aber viele Vorteile
Der Prototyp habe noch viele Fehler aufgewiesen, bilanziert Foreman. Trotzdem habe Glass ein wichtiges Ziel erreicht, so sein Fazit nach mehr als acht Wochen Dauertest: Die Datenbrille habe bewiesen, dass am Körper getragene Computer viele Vorteile gegenüber Devices wie Smartphones und Tablets brächten. Sie böten unglaubliche neue Möglichkeiten, da sie eine noch intensivere Verflechtung unserer physikalischen und digitalen Welten erlaubten.
Für Foreman stellt Google Glass auch eine neue Entwicklungsstufe in puncto Benutzeroberflächen dar. So konnte man mit den in den 1990er Jahren populär und erschwinglich gewordenen PCs erstmals bequem und schnell im Internet recherchieren, mit Smartphones und Tablets wurde das Computing dann mobil und handlich, erklärt er. In beiden Fällen müsse man sich aber für den Erhalt der gesuchten Informationen einem separaten Display zuwenden - ein Problem, das Google Glass durch das Einblenden von Inhalten löse.
- Überblick über Smartwatches und Cyberbrillen
Die bekannteste Ausführung der AR-Brillen ist das Projekt "Google Glass". Die Brille stellt Umgebungsinformationen direkt im Blickfeld des Trägers dar. Mittels Sprachsteuerung lassen sich Befehle (etwa E-Mail-Versand) ausführen. Bis Ende 2013 soll die Brille in den Handel gelangen. - Überblick über Smartwatches und Cyberbrillen
Es gibt eine Vielzahl von tragbaren Minicomputern wie etwa Smartwatches und AR-Brillen (Augmented Reality). Hier finden Sie einen Überblick über die bekanntesten wearable Devices. Einige sind bereits verfügbar, andere existieren bislang nur auf Skizzen in den Forschungslabors. - Project Google Glass
Die bekannteste Ausführung der AR-Brillen ist das Projekt "Google Glass". Die Brille stellt Umgebungsinformationen direkt im Blickfeld des Trägers dar. Mittels Sprachsteuerung lassen sich Befehle (etwa E-Mail-Versand) ausführen. Bis Ende 2013 soll die Brille in den Handel gelangen. - Microsofts Forschungspläne
Von Microsofts Plänen im Segment Augmented Reality (AR) gibt es bislang nur Skizzen. Diversen Online-Medien zufolge hat der Softwarekonzern beim US-Patentamt ein Patent für eine AR-Brille eingereicht. Während Google seinen Entwurf für den täglichen Einsatz vorsieht, beschränkt Microsoft den Gebrauch der Brille zunächst auf Live-Events, indem sie etwa Hintergrund-Informationen zu einem Baseball-Spiel einblendet. - Olympus zeigt Prototyp
Auch Olympus plant eine Datenbrille im Stil von Google Glass. Das Modell "MEG 4.0" wiegt laut Hersteller einschließlich Batterie nur 30 Gramm. Die Daten holt sich die Brille über eine Bluetooth-Verbindung vom Smartphone. Anders als beim Google-Projekt Glass ist aber keine Kamera eingebaut. Bislang gibt es nur Prototypen. - Sony reicht Patent ein
Zuletzt wurde bekannt, dass auch Sony dem Wettbewerber Google im Markt für wearable Devices nacheifert. Der japanische Konzern hat in den USA ein Patent für eine Datenbrille eingereicht. Die Besonderheit: Sonys Pläne sehen zwei Bildschirme mit einer hohen Auflösung von 1920 x 1080 Bildpunkten (Full HD) vor. - Brother projiziert auf die Netzhaut
Der japanische Elektronikkonzern Brother verfolgt wiederum einen anderen Weg. Der "AiRScouter" integriert ein so genanntes Head-mounted-Display, das die Bilder im Gegensatz zu herkömmlichen Videobrillen direkt auf die Netzhaut projiziert. Das Bild soll transparent erscheinen und die Sicht nur marginal beeinträchtigen. - Gerüchte um Apple iWatch
Von dem Hype um die Datenbrillen ließ sich Apple bis dato nicht anstecken. Hartnäckig halten sich indes die Gerichte, dass der Konzern an einer intelligenten Armbanduhr arbeitet. Seriöse Medien wie etwa die "New York Times" und das "Wall Street Journal" spekulierten bereits über die Funktionen. Bilder gibt es naturgemäß nicht, nur Dementis. Möglicherweise ähnelt die offiziell nicht bestätigte iWatch aber dem iPod Nano, der sich auch als Uhr verwenden lässt. - Ladenhüter von LG
Die Idee der intelligenten Armbanduhr ist keinesfalls neu. Bereits 2009 hat beispielsweise LG die "GD910" auf den Markt gebracht. Der Touchscreen konnte unter anderem Telefonanrufe auslösen und annehmen. Erfolgreich wurde die schlaue Uhr dennoch nicht. - Samsung stolpert und startet erneut
Auch Samsung hat sich schon in dem Geschäft versucht. Ebenfalls 2009 kam das Modell "S9110" auf den Markt. Das Gerät könnte mit Outlook synchronisieren, Musik abspielen und telefonieren. Das alles für den stolzen und abschreckenden Preis von 600 Dollar. Aktuell startet Samsung einen zweiten Anlauf in das Smartwatch-Geschäft: Entsprechende Gerüchte hat Samsung kürzlich offiziell bestätigt. - I'm Watch ist verfügbar
Die i'm Watch ist eine Smartwatch vom gleichnamigen italienischen Hersteller. Die Uhr mit Android-Betriebssystem ist mit dem Smartphone verbunden und ermöglicht am Handgelenkt Anrufe, E-Mails, Facebook, Twitter und Co. Sie kostet knapp 300 Euro. Erste Tester sind von der technischen Leistungsfähigkeit nicht sonderlich begeistert.
Cyborg-ähnliche Wesen
Spätestens an diesem Punkt werden nicht nur passionierte Datenschützer die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und an eine Gesellschaft mit Cyborg-ähnlichen Wesen denken, die alles um sie herum googeln, fotografieren oder filmen und anschließend im Web posten. So überrascht es wenig, dass das Thema derzeit in den Medien, aber auch im realen Leben hochgekocht wird. Unter anderem gibt es in den USA bereits die ersten Bars und Kneipen mit Google-Glass-Verbot. Im Silicon Valley - typischerweise einer Region mit hoher Google-Brillen-Dichte - wurde schon früh der Begriff "Glasshole" als Bezeichnung für eine Person geprägt, die sich ständig via Google Glass unterhält und die Welt um sich herum ignoriert.
Was solche Einschätzungen und den Schutz der Privatsphäre anbelangt, hatte der Google-Chairman und frühere Chef des Internet-Konzerns Eric Schmidt bereits im Frühjahr in einem "BBC"-Interview eingestanden, dass die Benutzung von Wearables wie Glass erst einmal gesellschaftliche Akzeptanz finden müsse. Das Unternehmen hoffe jedoch auf eine Selbstregulierung, da es mit anderen Technologien, etwa Smartphones, ähnliche Probleme gebe.
Immerhin hat Google versprochen, Gesichtserkennung via Google Glass zu unterbinden, solange keine entsprechenden Sicherheitsfunktionen existierten. Vectorform-Mann Foreman berichtet außerdem, dass heimliches Fotografieren und Filmen mit der Datenbrille, - so sehr dabei die Chance auf besonders natürliche Aufnahmen reize - kaum möglich sei, da das Gerät dabei anders als etliche Smartphones ein Blinksignal sende. Darüber hinaus sei Google Glass bei Videoaufnahmen als Standard nur auf eine Zehn-Sekunden-Sequenz eingestellt.
Ein großes Akzeptanzproblem sieht der in Detroit ansässige Foreman für die Brille aber ohnehin nicht. Trage man sie in der Öffentlichkeit, reagierten andere Leute auf Google Glass in erster Linie verwirrt, neugierig oder begeistert, nur selten aber beunruhigt. In letzterem Fall schiebe er einfach das Gerät wie eine Sonnenbrille nach oben in die Haare.
Interessanterweise berichtet Foreman außerdem, dass er mit Glass deutlich weniger Daten konsumiere als mit seinem Smartphone - aus dem einfachen Grund, weil er von der Brille ständig auf dem Laufenden gehalten werde und die Notwendigkeit wegfalle, regelmäßig einen Blick auf das Display mit all seinen Verlockungen durch Apps und Services zu werfen.