Auf Konfrontationskurs zu Microsoft?

IBM kauft Rational für zwei Milliarden Dollar

13.12.2002
MÜNCHEN (ba/as) - IBM übernimmt für 2,1 Milliarden Dollar in bar den Spezialisten für Entwicklungswerkzeuge Rational Software. Mit dessen Erzeugnissen wollen die Armonker ihr Angebot rund um die Open-Source-Plattform "Eclipse" ergänzen, mit der sich verschiedene Programmier-Tools verknüpfen lassen. Wie dagegen die Zukunft der .NET-basierenden Rational-Produkte aussieht, ist ungewiss.

Mit der Übernahme von Rational Software setzt IBM-Chef Samuel Palmisano seine Ankündigung vom November dieses Jahres in die Tat um, künftig verstärkt Unternehmen aus dem Software- und Servicebereich zu akquirieren. Nach der Übernahme der Beratungssparte von Pricewaterhouse-Coopers (PwC) im Juli bedeutet der jetzt besiegelte Software-Deal den zweiten großen Schlag Big Blues im laufenden Jahr.

Das im kalifornischen Cupertino ansässige Unternehmen Rational Software verdient sein Geld mit Software-Tools und Services für objektorientierte und komponentenbasierende Anwendungsentwicklung. Dazu zählen beispielsweise auf der Unified Modeling Language (UML) aufbauende Modellierungs-Tools, Werkzeuge für die Verwaltung von Anforderungsprofilen, das Implementieren und Testen der Applikationen sowie Tools, um verschiedene Konfigurationen zu verwalten und Änderungen am Programmcode zu verfolgen.

Anwender können mit diesem in Form diverser Suiten organisierten Portfolio laut Anbieter den gesamten Software-Entwicklungszyklus abdecken. Die Bandbreite der unterstützten Anwendungsgebiete reicht dabei von Embedded Systemen bis hin zu Unternehmenslösungen auf Basis von J2EE und .NET.

Den bislang vorliegenden Informationen zufolge soll der Entwicklungsspezialist mit seinen rund 3400 Mitarbeitern als eigene Abteilung in IBMs Software-Division integriert werden. Die Marke werde demnach neben DB2, Lotus, Tivoli und Websphere als fünftes Segment in der von IBMs Senior Vice President Steven Mills geleiteten Sparte firmieren. Rational-Gründer und amtierender CEO Michael Devlin wird die neue Abteilung leiten. Der Deal soll nach dem Willen der IBM-Verantwortlichen im Lauf des ersten Quartals 2003 abgeschlossen sein.

IBM und Rational verbindet eine langjährige Partnerschaft. So arbeitete der Tool-Spezialist beispielsweise an der Entwicklung von IBMs Open-Source-Entwicklungs-Framework "Eclipse" mit, das die Armonker vor rund einem Jahr mit Investitionen in Höhe von 40 Millionen Dollar auf die Schiene gesetzt haben.

Deal kam nicht unerwartet

In dem Integrated Development Environment (IDE) Eclipse können Anwender Entwicklungswerkzeuge wie das IBM-Paket "Websphere Studio Application Development" oder Tools von Drittanbietern einbinden, die entsprechende Plugins bieten. Die Integration der übrigen Rational-Produkte in das IBM-Entwicklungs-Framework soll nach den Worten Mills künftig noch enger werden.

Für Thomas Murphy, Senior Program Director bei der Meta Group, kommt diese IBM-Initiative nicht überraschend. Anbieter von Entwicklungsumgebungen seien bereits seit längerem verstärkt auf der Suche nach ergänzenden Tools für ihre IDE-Pakete. Es genüge nicht mehr, nur Editier-, Kompilierungs- und Debugging-Werkzeuge anzubieten. Die Kunden verlangten heute nach integrierten Entwicklungsumgebungen, die alle benötigten Tools bieten.

Beispiel für diesen Trend ist auch die Übernahmestrategie von Borland. Nach den Zukäufen von Firmen wie Boldsoft und Starbase schluckte der Anbieter im November noch Togethersoft - drei Akquisitionen innerhalb von vier Wochen. Insider vermuten, diese aggressive Einkaufspolitik habe die Konkurrenz aufgeschreckt, die sich nun ihrerseits unter Zugzwang gesehen habe. Nach Einschätzung von Gartner-Analystin Theresa Lanowitz ist der Deal zwischen IBM und Rational ein Zeichen dafür, dass der Markt für Application Development Tools kollabiert und sich unter diesem Druck konsolidiert.

Allerdings bleibt einiges offen. So fragen sich Analysten, was nach der Bindung an IBM und die Java-zentrierte Eclipse-Plattform mit den .NET-Produkten von Rational passieren wird. Nach Ansicht von Ted Schadler, Group Director bei Forrester Research, wird sich durch die Übernahme die Konkurrenz zwischen IBM und Microsoft weiter verschärfen. Die Redmonder würden ihre Kunden künftig nicht mehr an Rational, sondern an andere Partner verweisen.

Microsoft versucht, die Bedeutung des Deals herunterzuspielen. Man sei über das Geschäft nicht enttäuscht, erklärt Produkt-Manager Dan Hay. Es gebe Hunderte andere Partner in diesem Bereich. Andererseits hat Walter Seemayer, Director Developer Group bei Microsoft, noch im Mai anlässlich einer Anwenderkonferenz betont, die Rational-Produkte würden die Möglichkeiten der eigenen Entwicklungs-Tools gewaltig steigern. Visual Studio .NET werde um wichtige Funktionen erweitert.

Trotz des Konfrontationskurses zu Microsoft geht Forrester-Analyst Schadler davon aus, dass IBM alle Rational-Produkte weiterentwickeln wird. Tools für komplexe Softwareentwicklung im Team könne Big Blue selbst nicht bieten. Um sich im Highend-Markt zu behaupten, müsse das gesamte Produktportfolio weitergeführt werden. Es werde allerdings noch zwei Jahre dauern, bevor alle Produkte integriert seien.

Rational-Fraktion skeptisch

In Rational-nahen Kreisen beurteilt man den Deal eher skeptisch. Vor allem Befürchtungen, IBM als nach wie vor hardwareorientierte Company werde es mit der Entwicklung der Software nicht ernst nehmen, werden laut. Das sei beispielsweise schon mit Informix so geschehen. Auch in strategischen Plattformfragen gebe es Differenzen. Die .NET-Variante des Rational-Portfolios als bisher wichtiges Standbein werde sicher nicht die heutige Priorität behalten können. Dagegen habe Rational im Linux-Segment, das IBM bereits seit längerem voranzubringen versucht, nur wenig vorzuweisen.