Comdex-NachleseTeil 1:

Las Vegas überschüttete Anwender mit Mobilrechnern und Multimedia

11.12.1992

LAS VEGAS/MÜNCHEN (CW) - Die diesjährige Herbst-Comdex konzentrierte sich auf drei Themenschwerpunkte: Mobile Rechner vom herkömmlichen Laptop über Notebooks bis zu Pencomputern und Personal Communicators hatten einen starken Auftritt. Multimedia scheint seit Las Vegas das Exotenimage abgelegt zu haben, und einmal mehr bewies Microsoft seine prägende Rolle im PC-Markt.

Microsofts dominierende Präsenz zeigte sich nicht nur an dem großzügig dimensionierten Messestand, der mit Entwicklern für Windows-Applikationen bevölkert war und auf dem die Gates-Marketiers auch die neuen Microsoft-Datenbankprodukte "Foxpro 2.5" und vor allem "Access" sowie "Windows for Workgroups" vorführten. Auch das Pressebüro war komplett mit Microsoft-Produkten ausstaffiert.

Nach Aussagen von William H. Gates III verkauft sein Unternehmen monatlich eine Millionen Windows-Kopien. Das ist angesichts der Tatsache, daß heutzutage praktisch jeder PC-Hersteller seine Rechner mit DOS und Windows ausliefert, allerdings nicht erstaunlich.

Mindestens 260 Independant Software Vendors (ISV) präsentierten darüber hinaus Anwendungen für Windows NT. Microsoft selbst geht davon aus, daß bis Ende des Jahres 50 000 Entwickler-Kits des neuen 32-Bit-Betriebssystems ausgeliefert sein werden. Marktbeobachter vermerkten übrigens, daß Microsofts Anschlag auf die Unix- Basis beziehungsweise die Unix- ISVs bislang nicht den erhofften Erfolg hatte. Offensichtlich scheint ein Betriebssystem, das selbst nach Microsofts eigenem Eingeständnis nicht vor dem Frühjahr 1993 zu erwarten ist, für Unix-Entwickler nicht attraktiv genug zu sein, um jetzt schon den großen Schwenk zu wagen. Ebbe herrschte auf der Comdex in Sachen neue Technologiekonzepte, zumindest was herkömmliche Tisch-PCs betraf.

Trotzdem sollte angeführt werden, daß Corollary erstmals die Windows-NT-Implementation seiner Multiprozessor-Busarchitektur zeigte.

Losung in Las Vegas: Je kleiner, desto besser

Ansonsten hieß die Losung in Las Vegas: Je kleiner, desto besser. Tragbare Computer gaben denn auch bei Novitäten den Ton an. Daß bezüglich der Mobilität durchaus noch Böcke geschossen werden können, bewies der Veranstalter, die Interface Group, selbst.

Was als gute Idee gedacht war, nämlich den kompletten, 723 Seiten starken Ausstellungskatalog auf einer Diskette zu verewigen, erwies sich als Bumerang. Man hatte nämlich nicht an die Tausenden von Laptop-Besitzern gedacht, die natürlich nur Floppies im 3?-Format nutzen können. Die Interface Group spielte die Daten jedoch auf das größere 5?-Zoll-Diskettenformat auf. Mobile Schmuckstücke waren zum einen der Grid-"Convertible", eine Mischung aus Notebook und Pen-Computer. Dessen Display versahen die Grid-Entwickler auf der Rückseite für Eingaben via elektronischem Stift mit einem berührungsempfindlichen Panel (vgl. CW Nr. 48 vom 27. November 1992, Seite 5: "Comdex '92: ...").

Die US-Firma Wen Technology Corp. brachte ihren "Supernote-Voice"-Notebooks bei, Spracheingaben umzusetzen in beiden Richtungen. Ausgestattet mit Mikrofon, Kopfhörern und einer eigenen Stimmerkennungs-Applikation sowie Software, die gespeicherten Text wieder in Sprache umwandelt, eignet sich der 486-Farb-Notebook angeblich für den Einsatz nicht nur in ruhigen Umgebungen.

Der Anwender trainiert die Spracherkennungs-Software dahingehend, isoliert gesprochene Wörter oder Phrasen zu verstehen. Diese finden ihren Einsatz als Befehle für DOS- oder Windows-Anwendungen.

Die Ausgabesoftware wiederholt die Befehle beziehungsweise spricht Anwendern Menüpunkte von Applikationen vor. Daten lassen sich beim Supernote-Voice auch über Barcodeeinlesung in das System einspeisen oder konventionell mit Tastatur bedienen.

Wen Technology rüstet das ungewöhnliche Notebook wahlweise mit CPUs von Intel, AMD, Texas Instruments oder Cyrix und Festplatten mit 60 MB und bis zu 120 MB aus. Dupernote-Voice verfügt über ein 85-Tasten-Keyboard unter anderem mit deutschem Tastaturtreiber und einer Farbauflösung von 640 x 480 Pixeln. Unternehmensgründer und President Shereen Wen plant, den sprechenden Notebook über OEMs, Distributoren und als Private label (Vertrieb von Eigenmarken) ab Januar 1993 zu veräußern. In einer Minimalkonfiguration soll der Wen-Rechner rund 4500 Dollar kosten.

Aus dem bayrischen Puchheim bei München stammend, erregte ein Rechner der Andromeda GmbH einige Aufmerksamkeit: Deren Handheld "Androcom + " mit Touchscreen und Elektrostift ist Teil einer Konfiguration, die sich aus einem "Androserv"- Host-PC, einer "Androclus"-Kommunikationskarte in EISA-Bus-Format sowie der "Androcase"-Software zum Komplettsystem "Androdat" zusammenfügt. Ein PC-Host steuert maximal bis zu 120 Androcom + -Handhelds.

Mit der Androcase-Software lassen sich nach den Worten von Geschäftsführer Peter Blomeyer kundenspezifische Anwendungen etwa für Autoverleihfirmen entwickeln, Grafikeinbindungen in diese Applikationen sind möglich. Komplette Testsysteme mit Hard- und Software kosten rund 6500 Dollar.

Handheld von IBM erst im nächsten Jahr

Zu den Unternehmen, die auf Mobilität bei Computeranwendern setzen, gehört auch die IBM. Big Blue lüftete den Vorhang über einem Handheld, der allerdings erst Ende 1993 oder gar Anfang 1994 seine Markteinführung erleben soll. Der noch Namenlose ist ausgerüstet mit Modem- und Faxkapazitäten und Zellularkommunikations-Befähigung. Außerdem akzeptiert der Handheld "eine Reihe" von PCMCIA-Karten.

Außerdem machte Big Blue Grids "Convertible" Konkurrenz mit einem "New Concept Workstation" genannten Hybridsystem auf 486-CPU-Basis. Der Mischling aus Notebook und Digitalisiertablett akzeptiert sowohl Tastatur- als auch Pen-Eingaben.

Schließlich versahen die blauen Entwickler das bereits seit Sommer dieses Jahres bekannte Thinkpad-Farb-Notebook jetzt mit einem Zellulartelefon.