Konzern nennt Berichte über hohe Gewinne "irreführend"

Nokia-Mitarbeiter europaweit gegen Schließung

31.01.2008
Nokia-Mitarbeitervertreter aus ganz Europa haben am Mittwoch bei einem Treffen in Brüssel gegen die Schließungspläne für das Bochumer Werk scharf protestiert.

In einer gemeinsamen Erklärung forderten sie konstruktive Gespräche mit der Konzernspitze vor einer Sitzung des Nokia-Aufsichtsrates am 28. Februar. Unterdessen sorgten Medienberichte über hohe Gewinne am Bochumer Standort für weiteren Zündstoff in der Diskussion. Nach Informationen des Wirtschaftsmagazins "Capital" hat das nun vor der Schließung stehende Werk mit der Handy-Produktion 2007 ein Betriebsergebnis vor Zinsen von 134 Millionen Euro erzielt.

Bei dem Treffen in Brüssel zeigte sich die Bochumer Nokia-Betriebsratschefin Gisela Achenbach trotz der gemeinsamen Erklärung enttäuscht und warf den europäischen Kollegen mangelnde Solidarität vor. Die deutschen Nokia-Beschäftigten wünschten die Unterstützung ihrer europäischen Kollegen. "Dies ist von den finnischen Kollegen nicht der Fall gewesen", sagte Achenbach. Der Generalsekretär des Europäischen Metallgewerkschaftsbundes (EMB), Peter Scherrer, sagte dagegen: "Wir waren uns in den Zielen einig und sind das auch nach wie vor." Unterschiede gebe es vielleicht bei der Herangehensweise.

Nach dem "Capital"-Bericht, der sich auf vertrauliche Dokumente bezieht, hat jeder der 1500 Mitarbeiter in der Bochumer Produktion einen Gewinn von 90.000 Euro erwirtschaftet. Die Grünen reagierten mit scharfer Kritik: "Nokias Entscheidung, in Bochum Tausende von Menschen arbeitslos zu machen, ist offenbar nicht wirtschaftlicher Zwangslage, sondern obszöner Gier geschuldet", sagte Parteichef Reinhard Bütikofer am Mittwoch in Berlin. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach sprach im Fernsehsender "N24" von der "vielleicht teuersten Fehlentscheidung" von Nokia.

Die Nokia-Konzernspitze wies den Bericht dagegen als "irreführend" zurück. Unternehmenssprecherin Arja Suominen sagte in Helsinki: "Das gibt nicht die dortige Profitabilität unter Marktgesichtspunkten wieder." Auf die Frage nach eigenen Zahlen, die ein nach Konzernmeinung realistischeres Bild der Gewinnlage in Bochum geben könnten, meinte Suominen allerdings nur: "Ich kann keine Zahlen nennen." Nokia hatte die Mitte Januar bekanntgegebene Verlagerung der Produktion aus Deutschland in das neue rumänische Werk Cluj (Siebenbürgen) mit dort deutlich niedrigeren Kosten begründet.

Laut "Capital" hat die Bochumer Werksleitung aber schon im vergangenen Jahr ein Konzept entwickelt, um mit Hilfe von Investitionen in Höhe von 14 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2008 das Werk so lukrativ und effizient zu machen wie eine Nokia-Fabrik in Ungarn. Dies sei möglich, obwohl in Deutschland je Arbeitsstunde rund 28,70 Euro anfallen, in Ungarn hingegen nur 6,90 Euro. Die Zahlen seien einem zehnseitigen internen Memorandum über die "Betriebliche Restrukturierung der Nokia GmbH" zu entnehmen. Das Vorhaben ist auch in einem Betriebsratsprotokoll von Juli 2007 vermerkt, das dpa vorliegt.

Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) hat wegen der aktuellen Krise um das Bochumer Nokia-Werk ihre Australien-Reise abgesagt. "Wir müssen uns jetzt mit aller Kraft für die Zukunft des Nokia-Standorts Bochum einsetzen", begründete sie ihre Entscheidung am Mittwoch in Düsseldorf.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung will in der kommenden Woche entscheiden, ob sie von Nokia Fördergelder zurückfordert. Das sagte ein Ministeriumssprecher am Mittwoch. Die Landesregierung lässt derzeit prüfen, ob der finnische Handyhersteller gegen Subventionsauflagen verstoßen hat. Nach ersten Erkenntnissen hat Nokia möglicherweise nicht die vereinbarte Zahl von Dauerarbeitsplätzen geschaffen. Der Handyhersteller hatte nach Ministeriumsangeben bis Mittwochabend Zeit, Unterlagen zur tatsächlichen Zahl von Arbeitsplätzen vorzulegen.

Nokia-Konzern hat unterdessen einer juristischen Prüfung von Teilaspekten seines Stilllegungs-Beschlusses für das Handy-Werk in Bochum zugestimmt. Wie das Unternehmen am Mittwoch in Helsinki mitteilte, soll eine Gruppe von Anwälten im gemeinsamen Auftrag von Nokia und dem Europäischen Metallgewerkschaftsbund (EMB) überprüfen, ob die Bekanntmachung der Entscheidung entsprechend den EU-Vorschriften für Europa-Konzernbetriebsräte erfolgt sei. Damit folge Nokia einem Wunsch von Gewerkschaftsseite, hieß es aus Helsinki. (dpa/tc)