Studie zu ERP-Trends

SAP S/4HANA ist das Maß der Dinge

07.03.2024
Von 
Dr. Andreas Schaffry ist freiberuflicher IT-Fachjournalist und von 2006 bis 2015 für die CIO.de-Redaktion tätig. Die inhaltlichen Schwerpunkte seiner Berichterstattung liegen in den Bereichen ERP, Business Intelligence, CRM und SCM mit Schwerpunkt auf SAP und in der Darstellung aktueller IT-Trends wie SaaS, Cloud Computing oder Enterprise Mobility. Er schreibt insbesondere über die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen IT und Business und die damit verbundenen Transformationsprozesse in Unternehmen.
Unternehmen, die ein ERP-System nutzen, setzen in den meisten Fällen SAP S/4HANA ein. Das macht die aktuelle ERP-Suite von SAP zwar zum Quasi-Standard, doch auf sie zu wechseln, ist herausfordernd.
SAP Software steht im Zentrum der meisten ERP-Initiativen.
SAP Software steht im Zentrum der meisten ERP-Initiativen.
Foto: Strahlengang - shutterstock.com

Totgesagte leben länger. Der ERP-Markt ist trotz der fortschreitenden Digitalisierung weiterhin quicklebendig. ERP-Systeme, sei es als On-Premises- oder SaaS-Cloud-Lösung, spielen nach wie vor eine entscheidende Rolle bei der Unternehmensplanung und -steuerung.

Tatsächlich nutzen 91 Prozent der Firmen ein ERP als zentrales Element ihrer Anwendungslandschaft, von denen wiederum 97 Prozent auf eine ERP-Software von SAP setzen. In 74 Prozent der Fälle handelt es sich um die aktuelle ERP-Suite SAP S/4HANA (On-Premises/Cloud). 23 Prozent der Befragten nutzen eine andere SAP-Lösung wie SAP ERP, SAP R/3 oder SAP Business ByDesign. Kleinere Betriebe mit weniger als 500 Beschäftigten sind in Bezug auf den Einsatz der aktuellen ERP-Suite von SAP noch eher zurückhaltend (64 Prozent). Generell geht im ERP-Bereich der Trend zum Einsatz eines Cloud-ERP (40 Prozent) oder eines ERP, das on-premises betrieben und dann per Hybrid Extension in die Cloud "verlängert" wird (35 Prozent). So auch bei SAP S/4HANA.

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Diese Kernergebnisse stammen aus der Studie "SAP S/4HANA 2024 - Aktuelle Cloud-ERP-Trends", die CIO, CSO und COMPUTERWOCHE in Zusammenarbeit mit Adesso Orange, KPS Consulting, All for One Group, Microsoft, Neptune Software und SUSE umgesetzt haben. An der Studie nahmen 349 Geschäfts- und IT-Verantwortliche aus deutschen Unternehmen unterschiedlicher Branchen, Größen und Umsatzklassen teil.

An SAP S/4HANA führt (fast) kein Weg vorbei

Die Verbreitung von SAP-Software wie SAP S/4HANA oder SAP ERP macht deutlich, dass sie als Quasi-Standard im Bereich ERP angesehen werden kann. Dass eine große Mehrheit der Befragten eine SAP-S/4HANA-Lösung nutzt, dürfte - sofern es sich um SAP-Kunden handelt -, unter anderem mit dem näher rückenden Ende der Mainstream-Wartung (2027) und der erweiterten Wartung (2030) für SAP ERP (SAP ECC 6.0) zusammenhängen.

"Trotz großem Standardisierungspotential bietet SAP S/4HANA immer noch eine riesige Flexibilität in der Prozessgestaltung und Integration und ist somit wenig verwunderlich weiterhin der Platzhirsch", kommentiert Michael Bloß, Partner & Leiter SAP Cross Industries bei Adesso Orange das Ergebnis. Und Christoph Garms, Managing Director bei Neptune Software, ergänzt: "Unternehmen tätigen erhebliche Investitionen in SAP. Der entscheidende Faktor liegt darin, dass diese Investitionen spürbare Verbesserungen im Arbeitsalltag der Endanwender bewirken und den Betrieb erleichtern."

Ein Kernziel, das Unternehmen beim Wechsel auf SAP S/4HANA (Cloud) verfolgen, liegt darin, die digitale Unternehmenstransformation voranzubringen. Mehr als drei Viertel der Befragten (76 Prozent) sagen, dieser Aspekt sei von "entscheidender", "sehr großer" oder "großer" Bedeutung. Aus Sicht von Philipp Rockel, Senior Sales Manager bei der All for One Group, ist aber auch ein weiterer Aspekt wichtig: "Der deutschsprachige Raum ist technologisch im Rückstand. Um strategisch mittels IT-Innovationen und Weiterentwicklungen sicher aufgestellt zu sein und schnell auf globale Einflüsse reagieren zu können, liefern SAP S/4HANA (Cloud) und SAP BTP eine technologische Basis dafür."

Gleichzeitig wollen Firmen, die SAP S/4HANA nutzen oder einführen, daraus auch einen konkreten geschäftlichen Nutzen ziehen. An oberster Stelle stehen laut Studie drei Punkte: Umsatzsteigerung (55 Prozent), mehr Agilität und Flexibilität bei der Anpassung an neue Businessanforderungen (44 Prozent) sowie mehr Tempo bei Innovationen (35 Prozent). Erst knapp dahinter rangieren Kostensenkungen (34 Prozent) auf Rang vier.

Die wichtigsten ERP-Aufgaben

Wie jedes ERP-Projekt hält auch der Umstieg auf SAP S/4HANA Herausforderungen und Risiken bereit. Die größten Probleme bereiten den Befragten der Aufwand bei der Datenmigration (39 Prozent) und der Anpassung der IT-Landschaft (37 Prozent) sowie die fehlenden Personalressourcen in den Fachbereichen (36 Prozent).

Ins Gewicht fallen aber auch Aspekte wie die Einhaltung der vorgegebenen Migrations-Timeline (29 Prozent), der Personalengpass bei der internen IT und das (zu geringe beziehungsweise fehlende) Know-how der Fachbereiche in Bezug auf die neuen SAP-S/4HANA-Funktionen (jeweils 26 Prozent). "Mit der Definition der Ziel-Plattformstrategie für die SAP S/4HANA Implementierung, sollte unbedingt auch die Security-Planung für die SAP Landschaft einhergehen", verdeutlicht Friedrich Krey, Director SAP Market, EMEA Central Region bei SUSE.

Die größten Herausforderungen in HANA-Projekten stellen für die Unternehmen der Aufwand der Datenmigration und die Anpassung der IT-Landschaft dar.
Die größten Herausforderungen in HANA-Projekten stellen für die Unternehmen der Aufwand der Datenmigration und die Anpassung der IT-Landschaft dar.
Foto: Christine Plote - Research Services

Auffallend ist, dass kleinere Betriebe mit weniger als 500 Beschäftigten beim Umstieg auf SAP S/4HANA (Cloud) am häufigsten mit der Datenmigration und Engpässen in den Fachabteilungen (49 und 40 Prozent) kämpfen. Am wenigsten Probleme bereiten diese Aspekte den größeren Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten (28 und 32 Prozent). All diesen Widrigkeiten zum Trotz: Sechs von zehn Befragten sind überzeugt, dass ein frühzeitiger Umstieg auf die aktuelle ERP-Suite von SAP einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz bringt.

S/4HANA-Umstieg - nicht ohne meine(n) IT-Dienstleister

Um die Herausforderungen beim Wechsel auf SAP S/4HANA zu meistern, sichern sich neun von zehn Befragten die Unterstützung eines oder mehrerer SAP-Dienstleister, davon 55 Prozent für die Dauer der Migration/Einführung und 35 Prozent sogar dauerhaft. Für den Umstieg auf SAP S/4HANA im On-Premises-Betrieb stehen mehrere Wege zur Auswahl.

Die meisten Befragten (39 Prozent) entschieden sich für eine System Conversion (Brownfield-Ansatz). Die vorhandene SAP-ERP-Instanz wird dabei im Wesentlichen eins zu eins auf SAP S/4HANA migriert und der Go-live erfolgt in einem Big Bang. Jeweils 27 Prozent implementieren die ERP-Suite nach dem Greenfield-Ansatz komplett neu auf der "grünen Wiese" oder bedienen sich des sogenannten Color-Field-Ansatzes, der die Vorteile aus Greenfield- und Brownfield-Ansatz vereint.

Spannend: 62 Prozent der Unternehmen, die SAP S/4HANA Cloud einführen, sei es in der Public Edition oder der Private Edition, bezeichnen das RISE-with-SAP-Programm dafür als den "besten und effizientesten Weg". Nur elf Prozent bewerten das Programm eher kritisch und vier Prozent stehen ihm ablehnend gegenüber. "Unternehmen mit komplexen Anforderungen entscheiden sich in der Regel für RISE with SAP mit der SAP S/4HANA Private Cloud Edition.

Dieses Programm bietet mehr unternehmensspezifische Erweiterungsmöglichkeiten der ERP-Lösung, verleitet aber auch zu einem Brownfield-Ansatz", erläutert Rüdiger Meyer, Senior Alliance Manager SAP & SAP Business Unit Partner Lead Germany bei Microsoft Deutschland. Ebenfalls aufschlussreich: Lediglich eine kleine Minderheit (fünf Prozent) setzt bei der Einführung von SAP S/4HANA Cloud ausschließlich auf RISE with SAP und verzichtet auf die Unterstützung durch einen SAP-Dienstleister.

Unternehmen, die SAP S/4HANA nutzen, erwarten zudem, dass der Walldorfer Konzern die Software laufend weiterentwickelt und optimiert. Allen voran fordern die Befragten, dass Big Data-/Analytics- (41 Prozent) und Blockchain-Technologien (39 Prozent) sowie Funktionen für CRM (38 Prozent) und Marketing Automation (27 Prozent) stärker Einzug in das aktuelle ERP halten. Als weniger wichtig wird die Einbindung von Künstlicher Intelligenz/KI (21 Prozent), zusätzlichem Content für Robotic Process Automation, RPA (17 Prozent), und IoT-Technologie (16 Prozent) erachtet.

SAP BTP als Integrationsplattform von hoher Bedeutung

Die Studie fördert darüber hinaus zahlreiche weitere interessante und zum Teil unerwartete Ergebnisse zutage. Aufschlussreich ist zum Beispiel, welche Funktionen von SAP S/4HANA am häufigsten produktiv genutzt werden. Dazu zählen in erster Linie die Funktionen für das Rechnungswesen, besser bekannt als SAP S/4HANA Finance (53 Prozent), für das Marketing (47 Prozent), für die Produktionsplanung und -steuerung (= SAP S/4HANA Manufacturing; 44 Prozent) sowie das Projektmanagement (40 Prozent). Nahe an der 40-Prozent-Marke liegen noch die Funktionen für Einkauf/die Beschaffung. Bei allen weiteren Geschäftsprozessen bewegt sich die Einsatzquote im mittleren bis unteren 30-Prozent-Bereich.

Überraschend ist, dass fast neun von zehn Unternehmen (88 Prozent) über interne SAP-Wissenssilos klagen. Das bedeutet: Eine oder mehrere Abteilungen verfügen über spezialisiertes SAP-Know-how, teilen es aber nicht mit den anderen SAP-Anwendern im Unternehmen. Das ist durchaus ein Geschäftsrisiko, da es den (reibungslosen) Umstieg auf SAP S/4HANA (Cloud) gefährden und die Einführung neuer Geschäftsmodelle blockieren kann.

Besonders interessant: Bei fast drei Viertel der Befragten (74 Prozent) ist die SAP Business Technology Platform (SAP BTP) als Integrationsplattform von strategischer Bedeutung, um vorhandene SAP-/ und Non-SAP-Software zu verknüpfen. Das ist ein wichtiger Aspekt, da die wenigsten Firmen über eine homogene SAP-(S/4HANA-)Landschaft verfügen dürften, sondern für spezifische Prozessanforderungen die Spezialsoftware anderer Anbieter nutzen. "Die Zukunft ist modular und die SAP BTP schafft dafür die wesentliche Grundlage. Um das volle Potenzial der SAP BTP auszuschöpfen, bedarf es jedoch nicht nur einer soliden technologischen Basis - Stichwort Clean Core -, sondern einer ganzheitlichen Integrationsstrategie, in die auch sämtliche Businessanforderungen einfließen", hebt Michael Tsifidaris, Chairman der KPS AG, hervor.

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Studiensteckbrief

Herausgeber: CIO, CSO und COMPUTERWOCHE

Studienpartner: adesso orange, KPS (beide Platin), All for One Group (Gold), Microsoft, Neptune Software (beide Silber), SUSE

Grundgesamtheit: Oberste (IT-)Verantwortliche in Unternehmen der DACH-Region: Beteiligte an strategischen (IT-)Entscheidungsprozessen im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs); Entscheidungsbefugte sowie Experten und Expertinnen aus dem IT-Bereich

Teilnehmergenerierung: Persönliche E-Mail-Einladung über die exklusive Unternehmensdatenbank von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE sowie - zur Erfüllung von Quotenvorgaben - über externe Online-Access-Panels

Gesamtstichprobe: 349 abgeschlossene und qualifizierte Interviews

Untersuchungszeitraum: 14. bis 21. September 2023

Methode: Online-Umfrage (CAWI)

Fragebogenentwicklung und Durchführung: Custom Research Team von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE in Abstimmung mit den Studienpartnern