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Kampf um Wahrheit

Zwischen Moskau und Tiflis tobt der Medienkrieg

14.08.2008
Trotz der Feuerpause im Südkaukasus tobt der Medienkrieg weiter. Russische und georgische Staatsmedien überschlagen sich mit Meldungen über Plünderungen, Brandschatzungen, hunderte, wenn nicht tausende Tote.

Die Rede ist von Russen, die wahllos Städte bombardieren, und Georgiern, die Völkermord verüben. Die Medien in Moskau und Tiflis führen beim Blutvergießen im Südkaukasus ihren eigenen Informationskrieg, der aus Sicht von Experten nicht weniger über Sieg oder Niederlage entscheidet als die Waffengewalt. Aber die Wahrheit starb auch in diesem Krieg zuerst. Mindestens vier Journalisten verloren im Kampf um Nachrichten aus erster Hand ihr Leben.

Die Großmacht Russland hat neben einer gewaltigen Armee und Geheimdiensten auch eine riesige PR- und staatliche Medienmaschinerie in Gang gesetzt. Auch die Regierung in Tiflis hat ihre Staatsmedien - vor allem das Fernsehen - voll im Griff. So wird die Wahrnehmung in den Wohnzimmern der Welt gesteuert. Die Informationslage in diesem Konflikt ist schwierig. In Tiflis hat die Führung russische Fernsehsender abgeschaltet, Internetseiten sind dauerhaft blockiert oder Gegenstand von Hacker-Angriffen, wie etwa das Nachrichtenportal "Civil Georgia" bestätigt.

"Im Vergleich zu den Russen sind die georgischen Mittel so begrenzt. Wir denken, dass es wichtig ist, dass die georgische Seite auch zu Wort kommt", sagt Christina Roosen von der Kommunikationsagentur Aspectconsulting in Brüssel. Die Firma organisiert für den georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili und die Regierung in Tiflis Kontakte zu Journalisten.

So flehte Saakaschwili am Mittwoch erneut bei einer Telefonkonferenz: "Bitte, bitte, sagt der Welt die Wahrheit!" Er warnte im Gespräch mit westlichen Reportern vor einem groß angelegten Eroberungskrieg Russlands. Saakaschwili schilderte sogar, dass seine holländische Frau Sandra bei gefangenen russischen Piloten im Krankenhaus von Tiflis Besuche abgestattet habe. Dann warf er russischen Soldaten "eine barbarische Okkupation" vor.

Saakaschwili behauptete, Moskau und nicht Tiflis habe die südossetische Hauptstadt Zchinwali zerbombt. "Das massive Einwirken auf die Medien bis hin zu Desinformation und Zensur sind nicht einfach Begleiterscheinungen des Krieges - sie sind zentrale Faktoren im Kalkül der kämpfenden Parteien", heißt es in einer Analyse der deutschen Bundeszentrale für politische Bildung.

Aus der umkämpften südossetischen Region waren zuvor Vorwürfe von Politikern laut geworden, die Georgier würden heimlich Opfer der Gegenseite in Massengräbern verscharren, um Beweise zu vernichten. Bei der Schilderung der Gräueltaten - Leichenberge in den Straßen, Verwesungsgeruch überall - gab es keine Grenzen. Das russische Staatsfernsehen zeigte "das von den Georgiern zerstörte Zchinwali", das georgische Staatsfernsehen die Anwesenheit von EU-Politikern in Tiflis als Zeichen der internationalen Solidarität mit Georgien.

Auch Russland versuchte sich mit Beistand etwa des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zu schmücken. Der Gast aus Paris hatte ganz im Sinne des Kremls Russland das Recht auf Verteidigung seiner Bürger im Ausland - in diesem Fall in Südossetien - zuerkannt. In dem Medienkrieg sind solche Bewertungen wichtige Munition. Das russische Staatsfernsehen zeigte den ganzen Tag Bilder von Flüchtlingen, Frauen mit Kindern. Kremlchef Dmitri Medwedew, Regierungschef Wladimir Putin und der Generaloberst Anatoli Nogowizyn präsentierten sich im Dauereinsatz wie aus dem Ei gepellt ihren Zuschauern. Die wichtigste Botschaft: Wir beschützen unsere Landsleute!

Für Informationen aus erster Hand riskierten auch am Mittwoch wieder viele Journalisten ihr Leben. "Aber zum Schluss können die Korrespondenten auch nicht sagen, ob es 100 oder 1000 Tote gegeben hat", sagt Miodrag Soric, Chefredakteur von Deutsche Welle Radio und Leiter der Osteuropa-Programme. Wie andere Medien auch hat der deutsche Sender Reporter auf beiden Seiten. Das Interesse aus der Region an deutschen Positionen zum Konflikt sei groß, weil Deutschland als "ehrlicher Makler" wahrgenommen werde. (dpa/tc)