CW: Atos Origin startet nach der Übernahme von Siemens IT Solutions and Services (SIS) unter dem neuen Namen Atos und hat auch den Marktauftritt überarbeitet. Warum war das erforderlich?
Holz: Bei Atos Origin gab es schon vor der SIS-Übernahme Überlegungen, den Marktauftritt zu überarbeiten. Der Origin-Zusatz geht noch auf ein Abkommen mit Philips zurück, doch mittlerweile ist Philips ein Kunde von vielen. Den Siemens-Namen wollten und konnten wir nicht übernehmen. Der neue Schriftzug ist eine Referenz an die zwei Vorgänger-Organisationen und soll darstellen: "A to S", also Atos Origin to Siemens. Wir sind ein neues Unternehmen und wollen Aufbruchstimmung erzeugen.
CW: Warum wollten Sie den Siemens-Schriftzug nicht im Firmennamen? SIS hat immer Wert darauf gelegt, eine Siemens-Tochter zu sein und hat gehofft, mit dem klingenden und vertrauenswürdigen Konzernnamen Türen bei Kunden öffnen zu können.
Holz: Siemens ist nach wie vor großer Anteilseigner von Atos, mit einer Beteiligung von 15 Prozent, und es gibt eine enge strategische Partnerschaft. Wir wollen uns als eigenständiger Anbieter behaupten und unseren Kunden auf Augenhöhe gegenübertreten, auch gegenüber Siemens. Wir wollen weg von der kaptiven Vergangenheit der SIS. In einer solchen Beziehung kann man nur verlieren.
CW. Wie meinen Sie das?
Holz: Aus meiner Zeit bei Siemens kann ich sagen: Es ist SIS nie gelungen, sich als Partner auf Augenhöhe gegenüber den Fachbereichen zu etablieren. Diese Chance bekommen wir nun, denn Siemens hat ein klares Bekenntnis zugunsten von Atos ausgesprochen. Der Konzern und die Fachbereiche brauchen einen IT-Enabler. Wir streben es an, diese Rolle auszufüllen, dann haben wir ein ganz wichtiges Differenzierungspotenzial. Gerade die Kooperationen in der Forschung und Entwicklung sowie in Projekten zum Beispiel für die Elektromobilität verschaffen uns einen Vorteil gegenüber dem Wettbewerb.
- SIS in Kürze
Hier finden Sie einen kurzen Abriss über die Geschichte von Siemens IT-Services and Solutions (SIS) von 1995 bis 2010. - Januar 1995:
Der SIS-Vorgänger Siemens Business Services (SBS) wird als Gemeinschaftsunternehmen von Siemens und Siemens-Nixdorf Informationssysteme (SNI) unter Leitung von Friedrich Fröschl gegründet. - Dezember 1998:
Fröschl erwägt einen Börsengang in den USA, um potenzielle Übernahmen zu finanzieren. Er strebt eine weltweit führende Position an. Ein Auftrag in Großbritannien untermauert den Anspruch. Die britischen Sparkassen lagern für eine Milliarde Pfund an SBS aus. - November 2001:
Der gewonnene Deal erweist sich als faul. Er reißt SBS tief in die Verlustzone. Das Siemens-Management zweifelt an der SBS-Entwicklung. Fröschl muss gehen. Nachfolger wird Paul Stodden, der zuvor bereits Fujitsu-Siemens Computers saniert hatte. - Dezember 2001:
Stodden führt SBS wieder in die Gewinnzone, indem er die hohen Ansprüche zurechtstutzt, erste Märkte räumt und ein straffes Kosten-Management verfolgt. Die Marge liegt unter zwei Prozent. Das Siemens-Management fordert mindestens fünf Prozent bis zum Jahr 2004. - August 2003:
Der Umsatz schrumpft, die Marge entwickelt sich nicht wie erhofft. Stodden erwägt Entlassungen, sollte sich die schwierige Marktsituation nicht bessern. - Juni 2004:
Stodden geht. Adrian van Hammerstein, zuvor CEO von Fujitsu-Siemens Computers, kommt. - März 2005:
SBS will bis Ende des Geschäftsjahres 1000 Stellen streichen. Das Management verpflichtet alle Geschäftsbereiche, IT-Services von SBS zu beziehen. - April 2005:
Der neue Siemens-CEO Klaus Kleinfeld verpflichtet SBS auf eine Marge von über fünf Prozent in genau zwei Jahren. - September 2005:
Von Hammerstein geht, Christoph Kollatz kommt. - Oktober 2005:
SBS kündigt an, innerhalb von zwei Jahren 1,5 Milliarden Euro zu sparen und 5400 Stellen zu streichen. - Oktober 2010:
Unter Oeckings Leitung wird SIS als GmbH ausgegründet. - Dezember 2010:
Siemens verkauft SIS an Atos Origin . Damit schließt der Münchner Konzern endgültig das Kapitel der Kommunikations- und IT-Lösungen aus dem eigenen Haus. - Juli 2011
Am 1. Juli 2011 wurde die Übernahme der SIS durch Atos Origin offiziell abgeschlossen. Das dadurch entstandene Unternehmen firmiert unter dem Namen Atos. Es rückt im europäischen Ranking der größten IT-Service-Provider auf Rang zwei hinter IBM vor.