Vernichtende Bilanz des BdSt

Behördliche Digitalprojekte in Deutschland sind Geldvernichter

11.10.2017
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Länger, teurer, eingestampft

Neben diesen beiden Mammut-Projekten führt der BdSt etliche weitere desaströs gelaufene IT-Projekte von deutschen Behörden an. Als einen der größten Flops in der elektronischen Verwaltung der Sozialversicherung charakterisieren die Experten das Projekt für den elektronischen Entgeltnachweis, kurz "ELENA". 2009 mit einem Budget von 52 Millionen Euro gestartet, wurde das Vorhaben drei Jahre später aufgrund von Softwareproblemen sowie datenschutzrechtlicher Bedenken eingestampft. Bis dahin waren jedoch bereits 32 Millionen Euro versenkt worden.

Von Pannen, Verzögerungen und Mehrkosten waren auch die Projekte Versicherungssteuer Bund (VERSBund) sowie die Einführung des elektronischen Lohnsteuerabzugsverfahrens (Elstam) begleitet. Seit 2010 ist der Bund für den Einzug der Versicherungssteuer zuständig. Doch bis heute gibt es dem BdSt zufolge dafür kein funktionierendes technisches Verfahren. Projektiert waren ursprünglich Kosten in Höhe von fünf Millionen Euro. Über die zu erwartenden Gesamtkosten gibt es derzeit keine abschließende Aussage seitens der Behörden. Elstam sollte 2010 in Betrieb gehen, der Start erfolgte dann 2013. Offenbar wurde die technische Komplexität unterschätzt, mutmaßen die Steuerexperten. Das schlug sich auch auf die Kosten nieder. Ging man im Zuge der Planungen noch von rund drei Millionen Euro aus, waren es am Ende fast 13 Millionen Euro.

Es muss etwas passieren

Angesichts dieser Beispiele fordern die Verantwortlichen des BdSt einen Kulturwandel in der öffentlichen Verwaltung. Handbücher, Verwaltungsvorschriften und Gesetze müssten dringend an die Lebenswirklichkeit der Bürger angepasst werden. "Digitalisierung wird stattfinden, mit oder ohne staatliche Akteure." Noch bestehe die Möglichkeit, die Entwicklungen mitzugestalten. Gelinge dies nicht, werde man der Digitalisierung aller Lebensbereiche ständig hinterherlaufen. Das aber könnten sich Staat, Bürger und Unternehmen nicht leisten. "Es muss dringend etwas passieren."

Der BdSt sieht die Politik in der Pflicht. Es brauche einheitliche Standards sowie eine offene IT-Infrastruktur. Nur so ließen sich Konzepte zügig in konkrete Prozesse übertragen. Es gelte außerdem, Digitalisierungsexperten mit den entsprechenden Befugnissen zu berufen. Diese müssten Silostrukturen aufbrechen und Ressortbefindlichkeiten umgehen. "E-Government-Angebote müssen von einem bürokratischen Ärgernis zu einer Erleichterung für alle Beteiligten werden", fordern die Steuerwächter. Gelinge dies nicht, laufe der Staat Gefahr weitere Milliardenbeträge in bürokratischen und am Ende nutzlosen E-Government-Entwicklungen zu verschwenden.