BMW: Eine globale Betriebsanleitung

11.09.2002
Von Jürgen Bühl
Heute steckt in einem Mittelklassewagen mehr Technologie und Elektronik als in der Apollo 11, die immerhin auf dem Mond gelandet ist. Damit stellen sich auch an die Fahrzeug-Betriebsanleitungen höhere Anforderungen. Ausgeklügeltes Projektmanagement und jede Menge IT-Unterstützung ist notwendig.

Fahrzeug-Betriebsanleitungen müssen in der Regel halbjährlich aktualisiert werden. Die zahlreichen Baureihen, Bauvarianten und Modelle samt Zubehör sind dabei eins zu eins abzubilden. Für den globalen Markt gilt es, neben den Anforderungen wie Übersetzung in die Sprachen der Exportländer oder Anpassung von Maßeinheiten auch die unterschiedlichen Vorgaben der Gesetzgeber in punkto Produkthaftung oder Zulassungsrecht zu beachten.

Die verschiedenen Anforderungen beschreibt Jörg Kolitsch, Leiter der Abteilung Dokumentation für Betriebsanleitungen, BMW Group: "Die BMW Modellvielfalt und die Technik-Leckerbissen sind zum Vorteil für unsere Kunden in den letzten Jahren immer zahlreicher geworden. 1995 hatten wir noch 16 Karosserievarianten auf insgesamt 2.000 Seiten in der Quellsprache Deutsch zu beschreiben. 2000 waren es 19 Karosserievarianten auf 4.000 Seiten. Das zeigt, dass neue Wege beschritten werden müssen, um die individuellen Wünsche unserer Kunden zu erfüllen. In unseren Fahrzeugen kommt immer mehr Software zum Einsatz. Software kann sehr schnell im Produktionsprozess umgesetzt werden. Das heißt aber, dass der letzte technische Freigabestand immer näher an den Serieneinsatztermin heranrückt. Jeder kann sich nun ausmalen, wie wichtig die Geschwindigkeit in der Technischen Dokumentation mit anschließender Übersetzung geworden ist."

Maßgeschneiderte Automatisierung

Automobil-Betriebsanleitungen lassen sich heute nicht mehr Modell für Modell und Sprache für Sprache realisieren. Dieses Vorgehen wäre viel zu arbeitsaufwändig und damit zu langwierig und teuer. Abgesehen davon sollen Anleitungen konsistente Qualität und ein einheitliches Erscheinungsbild bei Inhalt und Gestaltung aufweisen. Betriebsanleitungen sind daher als multilinguale Großprojekte zu sehen, deren Gesamt-Workflow präzise geplant werden muss - von der Redaktion über die Übersetzung bis hin zum Druck. Maßgeschneiderte IT-Unterstützung ermöglicht dabei den Automobilherstellern, die Prozesse enorm zu straffen und die Kosten in allen Prozessstufen deutlich zu senken.

Jörg Kolitsch: "Der Weg bis zu einem durchgängigen Produktdaten-Management - vom Produktentstehungsprozess bis hin zu einer datenbankgestützten Redaktion und Publikation der Betriebsanleitung - ist lang und dornig. Wir hatten uns dafür entschieden, zunächst den letzten Abschnitt dieses Weges anzugehen, um schnelle Einspareffekte zu erzielen: Eine datenbankgestützte Redaktion benötigt immer eine automatische Layout-Generierung im Publishing-Prozess. Da das Layout der BMW Betriebsanleitung sehr nutzerorientiert ist und im DTP-System nur durch viele manuelle Eingriffe zu realisieren ist, wollten wir diesen letzten Prozessschritt automatisieren."

Die ITL AG entwickelte ein Redaktions- und Satzsystem für SGML/XML-Dokumente (Standardized Generalized Markup Language/Extensible Markup Language). Dieses ermöglicht die automatisierte Produktion von Betriebsanleitungen im gewünschten komplexen Dreispalten-Layout - ohne aufwändiges manuelles Formatieren.

Der Autor erstellt die Dokumentation in einer prozessorientierten Editierumgebung, die ihn beim Schreiben durch die hinterlegten SGML/XML-Strukturen führt. Abweichungen von den Strukturen und individuelle kreative Seitengestaltung sind nicht möglich. Damit ist die Arbeitsweise der Redaktion nicht mehr layoutorientiert, sondern vor allem strukturell und inhaltlich geprägt.