Stuttgart

Das Silicon Valley liegt im Schwabenland

19.03.2002
Von Katharina Leimbach

Etliche E-Business-Software- und Serviceanbieter aus der Region haben sich trotz der großen Dotcom-Pleitewelle national und international behauptet: von Abaxx (E-Business-Softwarelösungen nach dem Baukastensystem) über E-Jay (Musiksoftware und Online-Radiosender) bis hin zu Wired Minds (E-Commerce-System-Mangement-Software). In den Internet-Boomjahren sah es so aus, als würde die Region den Anschluss an diese Entwicklung verpassen. Lediglich Brokat galt lange als Stuttgarter Vorzeigeunternehmen der New Economy - doch das einst so florierende Softwareunternehmen ist mittlerweile tief gefallen und musste sogar den Gang zum Konkursrichter antreten. "Trotz Brokat: Bei uns war der Internet-Hype längst nicht so groß wie in Hamburg oder Berlin, daher trifft uns die Krise nun bei weitem auch nicht so stark", atmet FIR_st-Projektleiter Schmid auf.

Das Gejammer um verlorene Arbeitsplätze halte sich bislang in Grenzen, da die Anbieter seiner Einschätzung nach den längeren Atem haben. Daran werde sich auch langfristig nichts ändern - auch wenn Global Player vom Schlage HP, Agilent oder Alcatel derzeit Arbeitsplätze in der Region abbauen. Während sich der Personalabbau bei den beiden US-Unternehmen in Deutschland noch im Rahmen hält, trifft es Alcatel besonders hart: Der traditionsreiche Telecomausrüster, der einst Standard Elektrik Lorenz (SEL) hieß, beschäftigte 1985 noch 33 000 Mitarbeiter in Deutschland, heute sind es noch 9000 (davon 7000 am Standort Stuttgart). Doch auch davon müssen erneut knapp zehn Prozent den Hut nehmen.

Es wird also höchste Zeit, die Probleme des IT-Standorts Region Stuttgart in den Griff zu bekommen. Da kommt es FIR_st sehr gelegen, dass sich die Landesregierung mit dem ehemaligen HP-Deutschland-Chef Jörg Menno Harms einen erfahrenen und in der IT-Branche bekannte Persönlichkeit an Bord geholt hat. Anfang November wurde vom Land zudem die neue Medien- und IT-Initiative "Do IT" ins Leben gerufen, finanziell ausgestattet mit 250 Millionen Euro. Davon dürfte rund ein Drittel in der Region Stuttgart landen. Ein Teil des Geldes soll dabei in die multimediale Lehreraus- und -weiterbildung sowie in breitenwirksame IT-Projekte fließen. Der größte Posten wird auf das Konto der Hochschulen im Lande gehen, und zwar für die Bereiche Informations- und Kommunikationstechnologie.

Umstrittenes Image

"Die Hochschullandschaft ist ein zentraler Bestandteil unserer IT-Region", weiß FIR_st-Experte Schmid. Nicht nur, dass die örtlichen Industrieunternehmen die Hochleistungsrechner der Universität Stuttgart nutzen. Mit der Universität und auch der Fachhochschule Esslingen verfügt der Neckarraum zudem über zwei Ausbildungsstätten für Informatiker, die im Ranking der COMPUTERWOCHE vorderste Plätze belegen. Hinzu kommt die Hochschule der Medien, die unter anderem in Medieninformatik und Informationswirtschaft ausbildet. Im Februar 2001 hat die WRS gemeinsam mit der Steinbeis-Akademie für Unternehmensführung in Herrenberg einen berufsbegleitenden Studiengang zum Internet-MBA gestartet. "Vor allem kleinen und mittleren Unternehmen fehlen E-Business-Manager", begründet Schmid den Schritt zu diesem praxisorientierten neuen Angebot.

Vom guten Image der Hochschulen profitieren allerdings nicht nur die Firmen vor Ort: "Die Absolventen werden von Unternehmen aus anderen Regionen abgeworben", bedauert Schmid. Um die IT-Nachwuchskräfte im Land zu halten, will FIR_st im Frühjahr mit ITelligence einen Innovationspreis für Leistungen dieser Zielgruppe vergeben. Eine weitere Maßnahme der Region wird die stärkere Unterstützung von Existenzgründungen sein. Das Image des Neckarraums als Startup-Schmiede ist zumindest umstritten: Während eine EU-Gutachterkommission aus dem Jahr 1999 dem Wirtschaftsraum europaweit das effizienteste Partnernetz und die besten Rahmenbedingungen zur Unterstützung von innovativen Firmengründungen attestierte, listete das Nachrichtenmagazin Focus in seinem Gründerranking Stuttgart nur auf Platz 53 von 83 deutschen Städten.

Bwcon hat sich der Startup-Hilfe seit längerem mit dem Cyberone-Award im E-Business-Umfeld verschrieben. Die WRS hat dafür vor drei Jahren das Programm Push! (Partnernetz für Unternehmensgründungen aus Stuttgarter Hochschulen) aufgelegt. Das Ergebnis: 85 junge Unternehmer haben 700 neue Arbeitsplätze geschaffen. Dazu gehören unter anderem die beiden auf Virtual Reality spezialisierten Unternehmen Vircinity und Icido.