Der nächste Coup der Inder

03.02.2006
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Die indischen Anbieter gewinnen

Auch andere Marktforscher nähren die hohen Erwartungen, die die Dienstleister in dieses Geschäft setzen. Zwar bietet der IT-Outsourcing- und BPO-Markt in den kommenden Jahren noch das größere Potenzial, doch die Einnahmen mit KPO-Diensten legen schneller zu. Das Beratungshaus Evaluserve erwartet für die kommenden vier Jahre ein durchschnittliches Wachstum des KPO-Marktes um 45 Prozent, das Geschäft mit BPO-Diensten soll im gleichen Zeitraum um 26 Prozent per annum zulegen. Insgesamt wird sich das weltweite KPO-Volumen im Jahr 2010 laut Evaluserve auf 17 Milliarden Dollar summieren (siehe Grafik "KPO wäschst am schnellsten.)

Den Großteil der Ausgaben dürften indische Anbieter auf ihren Konten verbuchen. Zwar werden Arbeiten auch in Länder wie Russland, China, Tschechien, Irland und Israel verlagert. Indiens Marktanteil soll laut Evaluserve dennoch von 55 Prozent im Jahr 2005 auf mehr als 70 Prozent im Jahr 2010 wachsen, weil dort die Löhne gut ausgebildeter Spezialisten geringer sind.

Die Offshoring -Evolution

• ITO: Im Rahmen des IT-Outsourcings werden IT-Dienste in Niedriglohnländer verlagert. Das betrifft häufig die Softwareentwicklung, die Betreuung und Pflege der Applikationen sowie den IT-Betrieb und User Helpdesk. Diese Commodity-Dienste sind gut standardisierbar, mögliche Skaleneffekte drücken die Kosten. Allerdings ist der Wettbewerb hart und die Gewinnspannen gering.

• BPO: Das Business Process Outsourcing umfasst die Verlagerung von Geschäftsprozessen. Die beauftragten Dienstleister verlagern Aufgaben wie das Finanz- und Rechnungswesen, die Kundenbetreuung im Call-Center, das Beschwerde-Management sowie die Funktionen der Personalabteilungen oft ins Ausland, häufig in osteuropäische Länder wie Polen, Ungarn und Tschechien. Die Prozesse sind IT-gestützt und gut standardisierbar. Im Vergleich zum IT-Outsourcing verbuchen die Betreiber deutlich bessere Margen.

• KPO: Knowledge Process Outsourcing bezeichnet die Verlagerung von Spezialistenaufgaben. Das umfasst etwa juristische Recherchen, Analyse von Finanzdaten und medizinische Diagnose durch indische Akademiker. IT ist hier lediglich Transport- und Speichermedium. Anders als im ITO- und BPO-Umfeld lassen sich die Aufgaben schlecht standardisieren. Die Gewinne pro Umsatz sollen deutlich höher sein als im Geschäftsprozess-Outsourcing.

Wie reagieren die Kunden?

Allerdings gibt es auch einige Hürden, die sowohl Dienstleister als auch Auftraggeber zu bewältigen haben. Eben weil sich die Arbeiten nur schlecht standardisieren lassen, bringen nur geringere Löhne auch geringere Kosten, Mengeneffekte schlagen sich dagegen kaum nieder. KPO erfordert hohe Qualitätsstandards, ausgereifte Kontrollprozesse, Investitionen in die Infrastruktur, tiefes Vertrauen zum Geschäftspartner sowie ein verstärktes Risoko-Management, warnt beispielsweise der Brancheninformationsdienst "Kennedy Information".

Mit KPO werden außerdem keine internen Backend-Prozesse verlagert, sondern zum Teil Aufgaben, die der KPO-Auftraggeber wiederum seinem Kunden in Rechnung stellt. KPO fördert somit die Geheimniskrämerei. "Was macht eine Anwaltskanzlei, die von ihren Kunden 350 Dollar pro Stunde für eine juristische Analyse verlangt, selbst aber nur 100 Dollar pro Stunde für einen indischen Sachbearbeiter gezahlt und das Ergebnis lediglich vom eigenen Junior-Berater prüfen lassen hat?", fragt der Branchendienst. Es werde interessant sein zu beobachten, ob Kunden ihren Geschäftspartnern den Rücken kehren, wenn diese die Verlagerung der Arbeit in Niedriglohnländer offen und ehrlich einräumen. Noch interessanter werde es allerdings sein, so "Kennedy Information", wie die Kunden reagieren, wenn sie erfahren, dass die Dienste ausgelagert wurden, ohne dass sie darüber informiert wurden.