Ich war zugegeben nie ein Fan von Vorstandsreisen ins „Tal der Träume“, vielleicht habe ich einfach selbst zu lange im Technologiebereich gearbeitet habe oder es liegt daran, dass das Managementverständnis dort so gar nicht das meinige ist. Insbesondere damit scheine ich nicht ganz alleine da zu stehen, wie ich dem Artikel von Arlat von Kittlitz in der „Zeit“ entnehme.
Natürlich kann man südlich von San Francisco, gerade aus Sicht eines ansonsten persönlich eher toptechnologie-agnostischen Top-Managements Einiges mitnehmen. Man kann sich ansehen, an welchen Ideen Start-ups arbeiten, wie schwer entrepreneurische Leichtigkeit ist und vor allem kann man sich Argumentationshilfe dafür beschaffen, warum die Digitale Transformation für uns hier so wichtig ist - dies auch, weil oftmals so schmerzlich bewusst wird, dass wir den Entwicklungen dort um 5 - 10 Jahre hinterherhinken.
Natürlich geht es dabei immer um „die Zukunft“, konkreter die technologische Zukunft. Die jedoch hat mit einer „besseren“ Zukunft, wie wir sie und alle in der einen oder anderen Form erhoffen, sicherlich nur am Rande zu tun.
Haben Sie sich schonmal selbst gefragt:
Was ist Zukunft?
Was ist eine „gute“ Zukunft?
Was ist eine „bessere“ Zukunft?
Wie sieht meine „beste“ Zukunft aus?
Der Digitale Wandel - als einer der Treiber in diese „Zukunft“ - ist kein technologisches Ding. Der Wandel hat (mindestens) drei Komponenten, von denen „das digitale“ nur den aktuellen Auslöser für umfassende Entwicklungen darstellt.
Der Wandel beinhaltet zwar, wie die Nutzung von Technologie unser Arbeitsleben verändert, etwa indem ganz anders als vor 5 Jahren kommunizieren, zusammenarbeiten und uns immer mehr durch „Maschinen“ jedweder Form dabei unterstützen lassen. Er beinhaltet darüber hinaus - und das halte ich für viel wesentlicher - allerdings auch, wie wir durch die Nutzung dieser Technik neue Organisations- und Managementsysteme gestalten können (und müssen) und dabei uns selbst und der Zwischenmenschlichkeit Raum geben sollten.
- Silicon Valley
Das Silicon Valley umschließt das südliche Ende der Bay, liegt zwischen den kalifornischen Hügeln und wirkt wie ein großer, ruhiger Vorort. - Der Ursprung des Silicon Valley
Diese unscheinbare Garage in Palo Alto gilt als die Geburtsstätte des Silicon Valley. Hier wurde 1939 Hewlett-Packard gegründet. - Intel
Das Hauptquartier des CPU-Herstellers liegt in Santa Clara. - Intel-Museum
Das Unternehmen ist offen für Besucher und hat dafür ein eigenes Firmenmuseum, das keinen Eintritt kostet. - Facebook
Der Hauptsitz des sozialen Netzwerks Facebook ist nicht für Besucher geöffnet. Es bleibt nur... - Facebook
…ein obligatorisches Touristen-Klischeefoto vor dem Firmenschild. - Google
Google ist vergleichsweise aufgeschlossen. Hier dürfen Touristen über den Campus laufen… - Google
…Fotos mit extra aufgestellten Kulissen machen… - Google
…und sogar auf den überall verteilten Rädern radeln. - Google
Die selbst fahrenden Google-Autos sind in Mountain View ein alltäglicher Anblick. - Apple
Dies ist die Garage der Familie Jobs, in der 1974 Apple gegründet wurde und seine ersten Schritte unternahm. Da dies immer noch ein privates Wohnhaus ist, kann man hier nur einen kurzen Blick erhaschen. - Apple
Apple ist nicht so offen. Die Zentrale ist wie bei Facebook nur von außen zu sehen. - Apple
Immerhin gibt es direkt am Hauptsitz einen Apple Store, der Fanartikel verkauft, die nur hier zu bekommen sind. - Apple
Apples riesiges neues Hauptquartier ist immer noch eine umzäunte Baustelle und nur im Vorbeifahren zu sehen. - Tesla
Der Firmensitz von Tesla hat kein Angebot für Besucher. Vorbesteller und Besitzer eines Elektroautos des Unternehmens können jedoch eine Fabrikführung im nahe gelegenen Fremont machen. - NASA
Die US-Weltraumbehörde NASA hat ebenfalls einen Standort in Mountain View. Hier gibt es ein kleines, kostenloses Museum. - Computer History Museum
Das Computer History Museum in Mountain View ist eine der besten Sehenswürdigkeiten für Nerd-Touristen im Silicon Valley. - Computer History Museum
Hier gibt es Hunderte Exponate aus der Computergeschichte, unter anderem einen der extrem seltenen Apple I.
Doch gerade diese letzten beiden Punkte lassen sich selbst bei einem 6-monatigen Tripp über den großen Teich nicht abkupfern - allein, weil sie dort oftmals auch nicht gelebt werden. Und selbst wenn dort alle Unternehmen auch in diesen Bereichen führend wären, würde der Versuch all das zu kopieren an den gleichen Problemen scheitern, wie schon vor 25 Jahren, als europäische (und damals auch amerikanische) Manager die Ansätze von Kaizen und - wie wir es heute nennen - „Lean" in Fernost zu internalisieren versucht haben: An den unterschiedlichen Kulturen, an unterschiedlichem Verhalten und unterschiedlichen Haltungen.
American Dream vs. deutsche Gründlichkeit
Der (wenn man genauer hinschaut maßlos überschätzte) amerikanische Traum, die Chance zu scheitern und wieder aufzustehen, das „Hire & Fire", das im Rampenlicht Stehen und viele weitere andere kleine Elemente der Kultur, die dem Valley zugrunde liegt, passen einfach nicht zur deutschen Gründlichkeit, dem schnurgeraden Lebenslauf, der beruflichen Kontinuität, dem Respekt (und manchmal Duckmäusertum) vor Alter und Stellung. Er passt einfach nicht zu den vielen kleinen Elementen unserer alten Kultur, unserer alten Sozialisierung und unserer alten Bildungs- und Managementsysteme.
Wir sind noch nicht an der Stelle angekommen, an der Ideen möglich sind und gewürdigt werden - egal von wem sie kommen -, wo Kreativität und Querdenken als wichtig und gut angenommen werden, wo alte Regeln ungestraft in Frage gestellt und reflektiert werden dürfen. Wir leben hier noch nicht in einem Land und einem Gemeinverständnis, das es gutheißt Neues auszuprobieren, Fehler und Irrtümer zu machen, daraus zu lernen und dieses Lernen womöglich öffentlich zu machen, damit alle daran partizipieren können.
Um an dieser Stelle zu kommen und mit „dem digitalen“ eine „bessere Zukunft“ für uns - und manchmal tatsächlich in jedem einzelnen Unternehmen - zu gestalten, brauchen wir Organisations- und Managementstrukturen, die zu uns passen, die diese Freiräume geben, die in der Lage sind den organisationsindividuellen Entwicklungsweg mitzugehen, sich den Gegebenheiten anzupassen und dennoch gleichzeitig den weiteren Wandel unterstützen. Wir brauchen dazu das Verständnis, wie die Systeme - die Technik, die Menschen und die sie umgebenden Strukturen - ineinandergreifen und was dies unterstützt, und was es behindert.
Noch etwas ist im Tal unserer Hoffnung anders, als wir es mit unserem Glauben an die Propheten aus dem ehemals wilden Westen wahrnehmen. Es geht dort im Kern nicht um Technologie. Es geht um Geld! Es geht nicht um DIE Zukunft der Menschheit, sondern um die Zukunft der Gründer, der CEOs, der Investoren und all jener, die nach der Gründung vor allem ihre Schäfchen im trockenen haben wollen. Denn attraktiv ist dieser amerikanische Traum noch immer! Gerade auch dort, wo, wie es aussieht, manche es eben doch geschafft haben. Wie bei jedem Goldrausch sieht man die Gewinner und vergisst die Verlierer.
Auch wenn es dort gelingt, Silizium zu vergolden, liegt hier bei uns anderes Gold auf der Straße. Doch scheitern wir noch immer daran, diesen Stein der Weisen zu erkennen und zu gebrauchen.