Softwareproduzent von Weltrang

Die Geschichte der SAP

15.07.2012
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Schatten der Finanzkrise

Die Wolken der seit Mitte 2008 heraufziehenden weltweiten Finanzkrise werfen derweil ihre Schatten auch auf Walldorf. 2009 beklagt der Konzern erneut einen Umsatzrückgang. Aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage streicht SAP erstmals in seiner Firmengeschichte Stellen. 3300 Jobs fallen der Finanzkrise im Jahr 2009 zum Opfer. Die Turbulenzen wirbeln auch den Vorstand kräftig durcheinander.

Ehemaliger SAP-Chef: Léo Apotheker.
Ehemaliger SAP-Chef: Léo Apotheker.
Foto: SAP AG

2008 scheiden die langjährigen Mitglieder Heinrich und Zencke aus. Mit Bill McDermott aus den USA und dem dänischen Technikspezialisten Jim Hagemann Snabe, die in den Vorstand aufrücken, richtet sich das SAP-Management internationaler aus. Auch an der Spitze gibt es Veränderungen. Der eher technisch orientierte Kagermann kündigt für 2009 seinen Rückzug an und kürt den Vertriebsspezialisten Léo Apotheker zum Co-CEO. Doch der Start verläuft für Apotheker alles andere als glücklich.

Unter seiner Regie versucht SAP im Sommer 2008, im Hauruck-Verfahren höhere Wartungsgebühren durchzusetzen. Das sorgt für einen Sturm der Entrüstung in den Reihen der Kunden. Diese kreiden ihrem Softwarelieferanten vor allem an, sie vor vollendete Tatsachen gestellt zu haben. Die komplett misslungene Kommunikationspolitik wird in erster Linie Apotheker angelastet. Die Kundenkrise überschattet weiter Apothekers Amtszeit, auch seit er ab Frühjahr 2009 allein die Geschicke des Softwarekonzerns verantwortet.

Zuletzt müssen die Verantwortlichen ihre Entscheidung revidieren und den Kunden wieder mehr Wahlmöglichkeiten in Sachen Support einräumen. Aber das kann Apotheker nicht retten. Der unglücklich und ungeschickt agierende SAP-Chef verliert mehr und mehr den Rückhalt - auch in den eigenen Reihen. Vor allem die starke Entwicklerlobby unter dem Dach von SAP kann sich nicht mit dem Vertriebsmann an der Spitze anfreunden.

Anfang Februar 2010 tritt Apotheker nach nicht einmal einem Jahr als alleiniger SAP-Chef zurück. Branchenbeobachtern zufolge hat Plattner, der als graue Eminenz und Vorsitzender des Aufsichtsrats auch heute noch im Hintergrund die Strippen zieht, die Notbremse gezogen und Apotheker gefeuert.

Neustart fürs laufende Jahrzehnt: Plattner drückt die Reset-Taste

Die neue SAP-Spitze: Bill McDermott und Jim Hagemann Snabe.
Die neue SAP-Spitze: Bill McDermott und Jim Hagemann Snabe.
Foto: SAP

Nach der Episode Apotheker kehrt SAP im Frühjahr 2010 zum Modell der Doppelspitze zurück. Vertriebsmann McDermott und Technikspezialist Snabe nehmen als gleichberechtigte CEOs das SAP-Steuer in die Hand. Den beiden Managern, die viele bei ihrem Amtsantritt skeptisch als Übergangslösung belächeln, gelingt es tatsächlich, das schlingernde Schiff SAP zu stabilisieren.

Der Konzern arbeitet hart daran, das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. Auch die Zahlen stimmen wieder. 2010 und 2011 vermeldet das deutsche Softwarehaus aus dem Badischen Rekordumsätze. Doch die Herausforderungen, denen sich SAP stellen muss, werden nicht kleiner. Mit Cloud Computing stellt derzeit ein neuer Paradigmenwechsel die gesamte IT-Branche auf den Kopf. Außerdem haben sich die SAP-Verantwortlichen mit ihrer In-Memory-Appliance HANA und dem Vorstoß in den Datenbankmarkt weit aus dem Fenster gelehnt. (mhr)