Ratgeber

Die wichtigsten Rechtsfragen zu IT-Projekten

23.02.2010
Von Dr. Thomas Söbbing

2. Service Transition (Implementierungsphase)

Die Umsetzung des Pflichtenhefts wird in der Regel mit einem Werkvertrag, der an das Projekt angepasst wurde, juristisch vereinbart. Hier spielen insbesondere Regelungen, die die Abnahme (im Sinne von Paragraph 640 BGB) oder die Mitwirkungspflichten (Paragraph 642 BGB) konkretisieren, eine Rolle. Inhaltlich werden im Wesentlichen Leistungen geschuldet wie das Customizing von Standard-Applications, das Entwickeln von Individualsoftware, das Programmieren von Tools, die Dokumentation, die Migration von Altdaten und ein Hosting-Konzept

Geht es nicht um Outsourcing, wird in der Implementierungsphase für den Auftraggeber auch Hardware und Software beschafft, beispielsweise Server und die Standardsoftware von SAP. Der Dienstleister möchte natürlich, dass alle drei Elemente (Hardware, Software, Implementierungsleistung) in getrennten Verträgen abgewickelt werden, damit im Falle einer Pflichtverletzung in einem dieser Verträge nicht auch die anderen betroffen sind. Trotzdem könnte ein Gericht in einem späteren Rechtstreit von einer so genannten Systemlösung ausgehen.

Nach der Fertigstellung wird die Lösung auf einer Qualitätssicherungs-Unit (QSU) mit so genannten Integrationstests intensiv geprüft, bevor sie vom Kunden abgenommen wird. Danach wird sie auf das Produktivsystem überspielt.
Nach der Fertigstellung wird die Lösung auf einer Qualitätssicherungs-Unit (QSU) mit so genannten Integrationstests intensiv geprüft, bevor sie vom Kunden abgenommen wird. Danach wird sie auf das Produktivsystem überspielt.
Foto: Söbbing

In der Regel erbringt der Dienstleister bei der Umsetzung der Anforderung aus dem Pflichtenheft Werkleistungen im Sinne der Paragraphen 631 ff. BGB. Im Vordergrund steht hier das Erbringen einer Leistung, nicht das Liefern eines Gegenstands, so dass in der Regel von Werkrecht und nicht Kaufrecht auszugehen ist. Die werkvertragliche Abnahme und deren inhaltliche Ausgestaltung bekommen vor allem in Systemintegrationsprojekten einen hohen Stellenwert, etwa wenn SAP-Software als Enterprise-System eingeführt wird. Solche Lösungen werden meist nicht im so genannten "Big Bang" in die Produktion überführt. Die Gefahr, dass damit das ganze Unternehmen zum Stillstand gebracht werden könnte, ist zu groß.

Grundsätzlich ist bei Werkleistungen die Abnahme in Paragraph 640 BGB geregelt. Gemäß Abs. 1 Satz 1 ist der Besteller verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte, das heißt mängelfreie und mit den zugesicherten Eigenschaften versehene Werk (Paragraph 633 I BGB) abzunehmen. Der juristische Geschäftsprozess der Abnahme sollte entsprechend den Anforderungen der IT im Vertrag konkretisiert werden. Hierbei muss der Abnahmeprozess wie ein Geschäftsprozess definiert werden.

Nach Paragraph 640 Absatz 1 Satz 2 BGB kann der Kunde die Abnahme nicht wegen unwesentlicher Mängel verweigern. Ein Mangel wird als unwesentlich betrachtet, wenn es dem Besteller zuzumuten ist, die Leistungsgegenstände als im Wesentlichen vertragsgemäße Erfüllung anzunehmen und sich mit den Mängelrechten gemäß Paragraph 634 BGB zu begnügen. Beurteilt wird das unter Abwägung beidseitiger Interessen anhand von Art und Umfang des Mangels sowie seiner konkreten Auswirkungen im Einzelfall.

In der Praxis führt die Definition eines unwesentlichen Mangels zum Teil zu erheblich unterschiedlichen Betrachtungsweisen. Deshalb gibt es Sinn, bestimmte Fehlerklassen (Fehler im Sinne von Mängeln) zu definieren - im Einzelfall auch mit Rechtsfolgen. Hierbei werden zum Teil bis zu vier Fehlerklassen definiert, wobei zwei Fehlerklassen völlig ausreichend sein dürften. Dabei handelt es sich erstens um die Abnahme verhindernder Fehler und zweitens um Fehler, die die Abnahme nicht verhindern, aber später behoben werden müssen.

Gemäß Paragraph 640 Absatz 1 Satz 3 BGB kommt es einer Abnahme gleich, wenn der Besteller das Werk nicht innerhalb einer ihm vom Unternehmer bestimmten angemessenen Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist. Angemessen ist die Frist, wenn sie dem Schuldner die Gelegenheit zur Vertragserfüllung ermöglicht. Eine solche Frist kann natürlich auch bereits im Vorfeld mit in den Vertrag aufgenommen werden.

Die Rechtsfolgen der Abnahme beim Werkvertrag sind die Beendigung der Vorleistungspflicht des Unternehmers, die Fälligkeit des Werklohns samt Zinsen sowie der Beginn der Verjährung nach Paragraph 195, 199 Abs. 1 BGB zum Jahresende. Die dreijährige Regel-Verjährungsfrist

  • ersetzt den ursprünglichen Herstellungsanspruch (Paragraph 631 Abs. 1 BGB) durch einen Nacherfüllungsanspruch (Paragraph 634 Nr. 1 BGB),

  • bürdet dem Besteller die Beweislast für Werkmängel auf (Paragraph 363 BGB),

  • setzt die Verjährung der Mängelansprüche in Lauf (Paragraph 634a Abs. 2 BGB),

  • wälzt die Gefahr auf den Besteller ab (Paragraphen 644, 645 BGB) und

  • kann zum Verlust von Gewährleistung und Vertragsstrafe führen (Paragraphen 640 Abs. 2, 341 ff. BGB).

In der Regel bedarf es der Mitwirkung des Kunden bei der Erstellung des Werks. Welche Leistungen er im Rahmen der verschiedenen Leistungsverträge beizutragen hat, ist meist im Groben klar, im Einzelnen aber oft umstritten. Sieht der Werkvertrag die Mitwirkung des Kunden vor, kann der Dienstleister eine angemessene Entschädigung verlangen, wenn der Kunde dem nicht nachkommt und sich dadurch die Annahme verzögert (Paragraph 642 Absatz 1 BGB).

Ferner ist der Dienstleister im Falle des Paragraphen 642 berechtigt, dem Kunden eine Frist zu setzen, binnen der er die Handlung nachholt und ihm bei weiterer Untätigkeit mit Vertragskündigung drohen (Paragraph 643 S. 1 BGB). Der Vertrag gilt dann als aufgehoben, wenn die Nachholung nicht bis zum Ablauf der Frist erfolgt. Im Kaufrecht gibt es eine vergleichbare Regelung nicht.