Ratgeber Projektportfolio-Management

Fallen im Projekt-Management

12.06.2012
Von Marcus Berger und Dr. Thomas Henkelmann

Workflow, Messung und Projektabbruch

Falle 3: Viele Projekte entziehen sich dem Workflow

Foto: Fotolia/Vege

Mitarbeiter, die nicht wissen, warum sie aus dem Alltagsgeschäft abgezogen werden, tendieren zu einem nahe liegenden Verhalten: Sie widmen sich den Aufgaben, die der Umsetzung abteilungseigener Ziele dienen. Um sie möglichst schnell angehen zu können, steuern die Abteilungsmitglieder diese Aufgaben gar nicht erst in den langwierigen Projektgenehmigungs-Workflow ein, sondern gehen sie nach Bedarf an.

Kommt nun eine Anfrage von oben, ob für ein bereichsübergreifendes Projekt nicht Ressourcen freigestellt werden können, ist selbstverständlich kaum ein Mitarbeiter verfügbar. Aus Sicht des Gesamtunternehmens ist das kontraproduktiv.

Empfehlung: U-Boot-Projekte verhindern

Deshalb sollte ein Unternehmen klare Kriterien definieren, ab wann eine Aufgabe eigentlich ein Projekt ist, zum Beispiel durch die Abgrenzung nach benötigter Arbeitszeit: Dauert eine Aufgabe länger als fünf Tage, wird sie zu einem Projekt. Und das muss den gesamten Projekt-Management-Prozess durchlaufen - von der Initiierung bis zum Abschluss.

Ein anderes Kriterium für ein Projekt ist das Budget: Beläuft sich der Aufwand einer Aufgabe beispielsweise auf mehr als 5.000 Euro, so wird diese Tätigkeit als Projekt klassifiziert und ebenso behandelt.

Falle 4: Es gibt kein Instrument zum Messen des Erfolgs

Im Laufe der Zeit haben die Verantwortlichen des medizinischen Dienstleisters Erfahrung in Sachen Projektportfolio-Management gesammelt. Sie haben das Projektportfolio nach den "Smart"-Grundsätzen verbessert, die Kommunikation durch regelmäßige Meetings mit allen Beteiligten aufrechterhalten und auch noch definiert, wann aus einer Linienaufgabe ein Projekt wird.

Aber immer noch sind die Manager außerstande, herauszufinden, ob ein Projekt überhaupt zur Umsetzung des jeweiligen Unternehmensziels beigetragen hat. Dadurch gehen dem Unternehmen wichtige Erkenntnisse verloren: War der Auswahlprozess der Projekte scharf genug? Sind die richtigen Projekte im Portfolio gelandet? Sind "falsch" Projekte rechtzeitig gestoppt worden? Wurde das strategische Ziel: "Hohe Qualität trotz Wachstum" erreicht?

Empfehlung: KPIs definieren

Ob und inwieweit ein Ziel erreicht worden ist, lässt sich anhand von Key Performance Indicators (KPIs) nachvollziehen. Im Fall des Medizindienstleisters wären solche Indikatoren zum Beispiel die Ergebnisse von Kundenumfragen oder die simple Prüfung, ob die Nachfrage gestiegen oder gesunken ist.

Falle 5: Niemand hat den Mut zum Projektabbruch

Solange es keine einheitliche Kommunikationsstrategie gab, gingen immer wieder Projekte an den Start, die den Unternehmenszielen entgegenliefen. Zum Beispiel ein Projekt im Einkauf, das darauf zielte, ausschließlich deutsche Bedienungsanleitungen für die Laborsoftware zu bestellen. Es konkurrierte mit dem übergreifenden Ziel, eine einheitliche Arbeitsumgebung für alle Unternehmensbereiche aufzubauen: Wegen der zugekauften internationalen Firmen wären englische Anleitungen sicher sinnvoller gewesen. Also wurden Zeit, Ressourcen und Geld für ein Projekt aufgewendet, das im Grunde vergebens war.

Auch wenn ein Unternehmen bereits Projektportfolien etabliert hat und die Mitarbeiter wissen, warum sie etwas tun, kommt es häufig zu Zeit- und Geldverschwendung. Und zwar dann, wenn die Unternehmensführung das Projektportfolio nicht genau genug beobachtet: Ändert sich die Marktsituation in unvorhergesehener Weise, sind die Unternehmensziele dahingehend neu zu bewerten. Sonst werden Projekte weitergeführt oder sogar neu begonnen, die unter den neuen Umständen nicht sinnvoll sind.

Empfehlung: Portfolio immer im Blick

Anstatt einmal im Jahr das Projektportfolio festzuzurren, sollten die Verantwortlichen flexibler werden und spätestens jedes halbe Jahr Marktsituation und Portfolio neu prüfen, um letzteres gegebenenfalls anzugleichen. Sollte man dabei feststellen, dass das ein oder andere Projekt nicht mehr der Marktsituation entspricht, muss das Unternehmen die Konsequenzen ziehen: Das Projekt ist in diesem Fall zu stoppen - egal, wieweit es fortgeschritten ist und wieviel Geld man dafür schon ausgegeben hat. (qua)