Die Kunst des internen Aufstiegs

Gestern Kollege, heute Chef

13.02.2011
Von Anja Dilk

Kumpel oder Überchef?

Viele schaffen das nicht. Personalprofi Rohmeier beobachtet zwei Extreme, wenn der Teamkollege zum Chef wird. Die einen bleiben Kumpel. Sie können sich kaum durchsetzen und nur schwer harte Entscheidungen treffen. Die anderen werden zum Überchef, der sich mit allen Mitteln Autorität verschaffen will. Wie jener IT-Consultant, der nach der Beförderung darauf beharrte, dass ihn die alten Kumpel siezen. Rohrmeier: "Beide Extreme gehen in der Regel schief."

Astrid Schreyögg: "Die Aufsteiger müssen innerlich Abschied nehmen von ihrer alten Position."
Astrid Schreyögg: "Die Aufsteiger müssen innerlich Abschied nehmen von ihrer alten Position."
Foto: Astrid Schreyögg

Coaching-Expertin Astrid Schreyögg erlebt in ihren Trainings immer wieder, wie schwer es Aufsteigern fällt, sich in der neuen Rolle zurechtzufinden, selbst wenn der Aufstieg aus den eigenen Reihen das übliche Karrieremodell in der Firma ist. Ihr Rat: "Die Aufsteiger müssen erstmal selbst den Rollenwechsel vollziehen, indem sie innerlich Abschied von ihrer alten Position nehmen. Nur dann können sie der Gefahr widerstehen, in die alten Verhaltensmuster zurückzufallen, die nicht zur neuen Rolle und den neuen Aufgaben passen. Ein Techniker etwa, der zum Chef befördert wird, sollte die technischen Probleme nicht mehr selbst lösen, sondern andere zur Lösung dieser Probleme anleiten.

Schreyögg, Autorin des Buches "Coaching für die neu ernannte Führungskraft" rät, sich ganz ausdrücklich "von der nächsten Führungsebene inthronisieren zu lassen": Ihre Tipp an den Aufsteiger: "Der Rollenwechsel muss optisch und gefühlsmäßig deutlich werden." Sie liefert auch gleich die Begründung dazu: "Der neue Chef muss sich über zwei Dinge im Klaren sein: Ich bin nicht mehr in der warmen Badewanne des Teams und muss ein gewisses Maß an Einsamkeit aushalten, selbst wenn mich das Team immer wieder in diese Wanne zurückholen will. Damit zweitens die Mitarbeiter begreifen: Der alte Kollege ist jetzt Chef - und damit legitimiert, von uns Leistung zu verlangen."

Leicht ist das im Alltag nicht. Aufsteiger und Exkollegen verheddern sich in einem Gewirr von Missverständnissen. Wenn der neue Chef vor abendlichen Treffen plötzlich zurückschreckt, munkeln schnell die Mitarbeiter: "Typisch, früher war Guido mit uns bis in die Puppen Skat spielen, jetzt ist er sich dafür zu schade". Dabei würde der Chef gerne weiter mit ihnen Skat spielen, ist aber unsicher, ob er das als Chef noch kann. Wer hin- und hergerissen herumdruckst, mal tagsüber die Zügel anzieht, mal abends beim Bier die Kollegen umarmt, manövriert sich schnell in Schwierigkeiten. "Die Mitarbeiter können das Verhalten nicht klar entschlüsseln und bewerten", so Torsten Groth, Management-Forscher und Berater am Management Zentrum Witten (MZW) in Berlin.