Zeitenwende bei SAP

Hasso Plattner tritt ab von der SAP-Bühne

15.05.2024
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Mit dem Abgang von Hasso Plattner endet die Gründer-Ära bei SAP. Der Abschied fällt schwer - SAP steht vor einem tiefgreifenden Umbau und muss viele Herausforderungen lösen.
SAP-Gründer Hasso Plattner kann zufrieden auf sein Lebenswerk zurückblicken - doch der Abschied fällt ihm schwer.
SAP-Gründer Hasso Plattner kann zufrieden auf sein Lebenswerk zurückblicken - doch der Abschied fällt ihm schwer.
Foto: SAP

Eine SAP ohne Hasso Plattner ist schwer vorstellbar. Plattner war von Anfang an dabei und hat die Geschicke des größten europäischen Softwareherstellers über mehr als fünf Jahrzehnte hinweg maßgeblich geprägt - als Gründer, im Vorstand und zuletzt als Vorsitzender des Aufsichtsrats. Jetzt Mitte Mai 2024 ist Schluss. Plattner, der im Januar 2024 seinen 80. Geburtstag feierte, gibt seinen Posten an der Spitze des Aufsichtsrats auf und geht ab von der großen SAP-Bühne.

Auch wenn sein Abgang aktuell für viel Furore sorgt, geriet der Auftritt eher unspektakulär. Im April 1972 - Deutschland wurde in Brüssel Fußball-Europameister und im deutschen Fernsehen lief die erste Folge von Raumschiff Enterprise - gründeten fünf ehemalige IBM-Mitarbeiter In Weinheim, etwa fünf Kilometer nordöstlich von Mannheim, die Systemanalyse und Programmentwicklung GbR, die spätere SAP. Mit dabei war neben Claus Wellenreuther, Hans-Werner Hector, Klaus Tschira und Dietmar Hopp auch Hasso Plattner.

In den ersten Jahren verbringen die Gründer viel Zeit in den Rechenzentren ihrer Kunden, um die ersten Softwareprogramme zum Laufen zu bringen. Immer mit dabei im Gepäck, der Makrokasten mit den Lochkarten. "Der damalige Makrokasten fasste 2.000 Lochkarten", erinnert sich Plattner an die Anfangszeiten.

Gebt Plattner bloß nicht die Lochkarten!

Anlässlich der Gala zum 50. SAP-Geburtstag im Juli 2022 erzählte der SAP-Gründer von den Tücken der Lochkartentechnik. "Ich steige eines Tages bei einem Kunden aus meinem Auto aus, es regnet, ich versuche, den Lochkartenkasten vom Regen fernzuhalten, laufe durch eine Pfütze, stolpere, und die Lochkarten sind in der Pfütze. Wer jemals eine Lochkarte nass gemacht hat, weiß, was das bedeutet."

Den Rest des Abends und die Nacht hat Plattner eigenen Angaben zufolge am Locher verbracht. "Ich war ein guter Locher - und habe die Karten wieder neu gelocht", erzählte der Manager. "Wir hatten nur einen Kasten von diesen Makros. Ich durfte ihn dann nie wieder tragen. Und ich möchte an dieser Stelle noch einmal feststellen: Ich habe keinen Fehler gemacht bei der Wiederherstellung."

Selbst wenn, hätte es sicherlich nicht das frühe Ende für SAP bedeutet. Der Lochkartenunfall macht jedenfalls deutlich, mit welcher Energie die Gründer rund um Plattner ihre Idee verfolgten. Dem Quintett ging es mit ihrer Software um ein Echtzeitsystem - daher das Kürzel "R" für "Realtime", das sich in den ersten Produktnamen R/1, R/2 und später R/3 wiederfand.

Maßgebliches Designprinzip bei SAP war von Anfang an die Integration der einzelnen Bausteine. Anwender sollten alle Aufgaben in einem integrierten System erledigen können. In den ersten Jahren programmierten Plattner, Hopp und Co. Module für Finanzbuchhaltung, Einkauf, Bestandsführung, Auftragseingang, Materialplanung sowie Rechnungsstellung und -prüfung. Das Konzept eines integrierten Systems in Kombination mit immer leistungsfähigeren Rechnerarchitekturen von IBM und Siemens bedeutete in den 70er Jahren eine Revolution.

Duett Plattner und Hopp - interne Konkurrenz belebt das Geschäft

Es war der Startpunkt einer bespiellosen Erfolgsgeschichte, die über die Jahrzehnte immer eng verknüpft blieb mit den Gründern, allen voran Dietmar Hopp und Hasso Plattner - und ihrem Ehrgeiz und ihrer internen Konkurrenz. Wer programmiert schneller - wer verkauft mehr? Plattner habe es "sehr gestunken", wenn Hopp mehr verkauft habe als er selbst, heißt es in Berichten aus dem SAP-Archiv. Beide hätten in den Bereichen, in denen sich ihre Fähigkeiten und Aufgaben überlappten, "intern erbittert darum gerungen", den anderen hinter sich zu lassen.